Armin SchwarzCDU/CSU - Jahresabrüstungsbericht 2022
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! „ Ein Jahr der Reflexion“: So überschreibt das Auswärtige Amt einen Beitrag zum Jahresabrüstungsbericht 2022 – zu Recht, ein treffender Titel. Russlands Angriffskrieg hat so viele liebgewonnene Wahrheiten infrage gestellt. Eine dieser Wahrheiten ist: Die Zeiten, in denen man mit einer flotten Rede über Abrüstung donnernden und sofortigen Applaus bekommt, sind leider vorbei. Das konnten wir ja auch in Nürnberg beim Evangelischen Kirchentag sehen. Russlands Angriffskrieg hat Selbstverständlichkeiten, die so angenehm waren, vollständig infrage gestellt. Deswegen: Abrüstung braucht Vertrauen, Abrüstung schafft per se nicht mehr Sicherheit. Das ist die zentrale Erkenntnis, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Heute sehen wir wie im Brennglas am Beispiel der Ukraine, dass einseitige Abrüstung genau das Gegenteil provoziert, nämlich dass die Existenz von Staaten damit in Gefahr gerät. Abrüstung braucht Vertrauen. Abrüstung braucht Kontrolle. Vertrauen hat Russland vollständig zerstört. Der brutale Angriffskrieg und Putins Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen sind mit nichts und überhaupt nicht zu rechtfertigen, damit das mal in aller Deutlichkeit hier klargestellt wird.
Reflexion heißt aber auch: Abrüstung funktioniert nur, wenn man wehrhaft genug ist, um einen potenziellen Gegner auch von einem Angriff abzuhalten, dass der sich gar nicht erst traut. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Aggression darf sich nie lohnen. Auch deshalb müssen wir die Ukraine unterstützen, solange es erforderlich ist.
Aber nicht nur dort, auch in Asien sehen wir eine massive Aufrüstung durch China. Wir sehen die Bedrohung von Taiwan. China blickt auf andere Inseln im Pazifik. All das hat zur Folge, dass die asiatischen Staaten sich auch wehrhaft machen. Natürlich kommt dann immer schnell der Einwurf der gefährlichen Spirale von Aufrüstung. Einverstanden! Aber was bedeutet das im Umkehrschluss? Was machen wir mit denjenigen Ländern, die sich nicht an Abrüstung beteiligen? Was geschieht, wenn – im Gegenteil – aufgerüstet und das Militär eingesetzt wird? Sollen wir Despoten wie Putin einfach willfährig machen lassen? Die Antwort kann nur Nein lauten, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Einseitige Abrüstung führt zu Unsicherheit und schlimmstenfalls zu Krieg. Deswegen möchte ich an dieser Stelle eines deutlich machen – ich erinnere an den NATO-Doppelbeschluss –: Es war ein Bundeskanzler, der gegen seine eigene Partei, gegen seine eigene Fraktion erklärt hat: „Jawohl, wir machen beim NATO-Doppelbeschluss mit“, und das war – Gott sei Dank! – goldrichtig. Das war seinerzeit ein substanzieller Beitrag für nachhaltige Abschreckung, die lange gewirkt hat. Ich will in Erinnerung rufen, dass man wehrhaft sein muss, um tatsächlich auch Verhandlungspositionen zu haben.
Leidenschaftlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, diskutieren wir über Verantwortung und ethische Grundsätze, sei es bei dem Kauf von bewaffneten Drohnen, von KI oder von automatisierten Waffensystemen. All das kann man machen. Manche Debatten gibt es dann aber ehrlicherweise auch nur in Deutschland. Und – das möchte ich an der Stelle sagen – die Voraussetzung, um sich Ethik leisten zu können, ist die Verfügbarkeit einer überlegenen Technik. Ohne sie wird es sicherlich etwas schwierig.
(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das finde ich aber bedenklich, Herr Kollege!)
– Daher mein Appell, Herr Kollege Stegner: Für unsere Sicherheit müssen wir wehrhaft sein, und der Preis des Krieges muss immer deutlich höher sein als der Preis des Friedens. Nur wenn wir wehrhaft sind, können wir mit Despoten tatsächlich über Abrüstung reden, und darum geht es.
Diese Wehrhaftigkeit darf aber nicht nur angekündigt, sondern muss auch finanziert werden. Deswegen sind wir als Unionsfraktion in hohem Maße gespannt darauf, was Boris Pistorius im Haushalt für den Einzelplan 14 liefert. Ich will nur darauf hinweisen: Wir haben ein Delta von gut 20 Milliarden Euro zum 2-Prozent-Ziel.
Deswegen zitiere ich an dieser Stelle sehr gerne den Außenbeauftragten der Europäischen Union, Josep Borrell: Uns gefällt die Welt von Kant. Wir werden uns aber daran gewöhnen müssen, in einer Welt von Hobbes zu leben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dr. Ralf Stegner [SPD])
Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.
Herr Präsident, ein letzter Satz. – Alles andere wäre naiv; alles andere wäre ideologisch verbohrt, und das dürfen und können wir uns nicht leisten, meine Damen und Herren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Damit schließe ich die Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554762 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Jahresabrüstungsbericht 2022 |