14.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 108 / Tagesordnungspunkt 4

Lars RohwerCDU/CSU - Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Glück auf! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die DDR war ein Staat mit viel Unrecht. Die Jahreszahlen 1953, 1968 und 1989 sind unmittelbar miteinander verbunden, und sie symbolisieren Eckpunkte des Aufbegehrens der Bevölkerung gegen den selbsternannten real existierenden Sozialismus. Der Historiker Heinrich August Winkler, der auch schon hier an diesem Pult gesprochen hat, formulierte: Das war keine „Diktatur des Proletariats“, sondern die Diktatur einer selbsternannten Avantgarde von Berufsrevolutionären über das Proletariat und alle anderen Gesellschaftsklassen – mit ungeheuren menschlichen Kosten.

Auch 33 Jahre nach der Revolution in den neuen Bundesländern stehen wir bundesweit, aber auch in den einzelnen Bundesländern noch am Anfang der Aufarbeitung der DDR-Geschichte, obwohl wir diese Aufarbeitung dringend brauchen.

Kennen Sie die Geschichte von Werner Gumpel und Herbert Belter? Ich bin mir sicher, Sie alle kennen Sophie Scholl und den Widerstand im Nationalsozialismus; die dramatischen Filmszenen im Lichthof der Münchner Universität haben sich uns allen ins kulturelle Gedächtnis eingefräst. Die Ereignisse um Sophie Scholl und die Mitglieder der Weißen Rose stehen auf jedem Schullehrplan und sind für viele Menschen ein Begriff.

Doch wer waren eigentlich Werner Gumpel und Herbert Belter?

Zusammen mit Gleichgesinnten verteilten die Studenten im Jahr 1950 Flugblätter in Leipzig, die sich an politisch Andersdenkende richteten; sie wurden deswegen verhaftet. Werner Gumpel wurde wegen antisozialistischer Propaganda, terroristischer Unterstützung und Spionage zu zweimal 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Herbert Belter wurde in einem nichtöffentlichen Geheimverfahren 1950 durch ein sowjetisches Militärtribunal in Dresden im Haftkeller der sowjetischen Militäradministration in der Bautzener Straße zum Tode verurteilt, anschließend nach Moskau gebracht und 1951 durch Genickschuss hingerichtet. Man beachte: Die DDR bestand bereits; es gab ein Strafsystem. Aber die sowjetische Militäradministration hat einfach ihr eigenes Ding gemacht.

Warum ist der Widerstand in der DDR nicht Teil unseres kulturellen Gedächtnisses? Warum steht der Widerstand im DDR-Regime so wenig auf dem Lehr- und Stundenplan? Im Gegensatz zum Nationalsozialismus wird der Kommunismus bis heute in der Forschung nicht als eigenständiges Forschungsfeld wahrgenommen. Es gibt keinen einzigen Lehrstuhl an einer deutschen Hochschule zur DDR-Geschichte.

(Marianne Schieder [SPD]: Von diesem Gegeneinander haben wir auch nichts!)

Wir brauchen mehr Forschung, verstetigte Forschung und einen Perspektivwechsel. Die CDU-geführte Bundesregierung hat in der vergangenen Legislaturperiode über eine Richtlinie die Förderung der DDR-Forschung vorangetrieben und zwei Förderrunden vorgesehen. Diese Förderung hatte das wichtige Ziel, eine stärkere strukturelle Verankerung der nur schwach entwickelten DDR-Forschung in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft zu etablieren. Sie leistet damit auch einen Beitrag für die Verankerung der Themen in der universitären Lehre. Dies ist besonders wichtig für die Ausbildung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer und damit für die Vermittlung dieser Themen auch in den Schulen.

Die Bundesförderung ist für die Forschungsverbünde daher von großer Bedeutung. Gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine brechen viele Zeitzeugen der DDR jetzt ihr Schweigen. Jahrelang wollten sie sich mit dem Erlebten nicht mehr belasten, weil sie glaubten, dass diese Form der Politik Geschichte ist. Im Angesicht des Terrors, den Putin in der Ukraine gerade auch gegen die Zivilbevölkerung anrichten lässt, fangen sie jetzt an, zu erzählen. Diese Erkenntnisgewinne werden wir brauchen, damit wir auch die DDR-Geschichte in unserem nationalen Gedächtnis besser verankern.

Statt die Förderung der DDR-Forschung fortzuführen oder gar auszuweiten, wurde mir auf eine Anfrage von Staatssekretär Brandenburg geantwortet, dass die Förderung der DDR-Forschung degressiv gestaltet ist, wie in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Politische Schwerpunktsetzung? Erinnerungspolitisches Feingefühl? Für meine Begriffe Fehlanzeige im BMBF!

Wir fordern Sie daher auf, die für diese erste Förderrunde bereitgestellten Mittel auch für die zweite Förderrunde und vor allen Dingen mindestens in gleicher Höhe zur Verfügung zu stellen, damit die Forschungsverbünde ihre Arbeit fortsetzen können und nicht weiterhin ihr Personal entlassen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerade jetzt braucht die DDR-Forschung die Unterstützung der Bundesregierung. Stellen Sie die Arbeit der Forschungsverbünde zur Geschichte der DDR aber auch über die zweite Förderphase hinaus sicher, und verstetigen Sie diese Forschung in der deutschen Wissenschaftslandschaft! Wir brauchen eine stärkere strukturelle Verankerung der nur schwach entwickelten DDR-Forschung in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft.

(Katrin Budde [SPD]: Das hätten Sie ja 16 Jahre lang machen können! In der letzten Legislatur haben wir da keine Einigung für gefunden!)

Aus unserer Sicht ist es den Forschungsverbünden in den vergangenen Jahren gelungen, das Wissen über die DDR grundlegend zu erweitern und wertvolle Impulse für die DDR-Forschung in Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Gedenkstätten zu geben. Diese Arbeit muss unbedingt weitergeführt werden.

Es ist eine gesamtdeutsche Aufgabe, die zweite Diktatur auf deutschem Boden im nationalen Gedächtnis nachhaltig zu verankern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit der Erforschung der DDR und der Kommunismusgeschichte werden wir auch die Opfer dieses Unrechtssystems dem Vergessen entreißen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Rohwer. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Maja Wallstein, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Stephan Seiter [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554765
Wahlperiode 20
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta