14.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 108 / Tagesordnungspunkt 4

Stephan SeiterFDP - Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Am Samstag begehen wir zum 70. Mal das Gedenken zum 17. Juni, das Gedenken des Arbeiteraufstands in der DDR. Diese 70 Jahre, das sind eigentlich drei Generationen, die da vergangen sind. Zunehmend müssen wir erkennen, dass die Zahl derjenigen, die über ihre familiären Strukturen einen direkten Bezug bzw. einen indirekten Bezug zu diesem Ereignis haben, sowohl in Ost als auch in West immer kleiner wird.

Dies bedeutet: Wir brauchen eine Erinnerungskultur. 1981 habe ich als 18-jähriger Schüler eine Berlin-Fahrt gemacht – das war in Westdeutschland so üblich –; Berlin war die ganze Nacht offen. Aber als wir dann hier vor dem Brandenburger Tor an der Mauer standen, war uns trotz unseres teilweise jugendlichen Übermuts eigentlich sehr schnell klar: Auf der anderen Seite herrscht ein Unrechtsregime.

Dieses Unrechtsregime gilt es zu untersuchen. Wir müssen für die nachfolgenden Generationen das Wissen über die Zusammenhänge, über die Gründe für das Entstehen, über die Gründe dafür, dass es sich so lange halten konnte, sammeln und uns damit auseinandersetzen. Wir müssen die Erinnerung an die Menschen, die hier für ihre Freiheit gekämpft haben, wachhalten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, deswegen finde ich den Antrag der Union an dieser Stelle sehr wichtig; wir müssen immer wieder darauf hinweisen. Ich denke auch, dass wir uns die Zahlen in den Beratungen im Ausschuss vielleicht mal genauer anschauen können. Kollegin Wallstein hat schon gesagt, wie sich die Zahlen tatsächlich entwickelt haben und welche Verbünde es gibt.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch eine Anmerkung. Wenn man bei Google „Kommunismusforschung“ kurz auf Englisch eingibt, stellt man fest, dass es auch Journals zu diesem Thema gibt, die sich auf internationaler Ebene damit auseinandersetzen. Sie greifen vielleicht nicht immer die Themen auf, die hier im Antrag direkt adressiert worden sind; aber es gibt eine internationale Community, die darüber forscht. Und auch darüber sollten wir uns dann unterhalten: inwieweit solch eine Forschungscommunity einen Beitrag auch zur Forschung über die DDR und zur Kommunismusforschung, die, wie es im Antrag der Union steht, auf die DDR-Forschung erweitert werden soll, leisten kann.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Maja Wallstein [SPD])

Herr Kollege Seiter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rohwer?

Gerne.

Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen, Herr Dr. Seiter. – Sie haben gerade wiederholt, dass Sie Zahlen vorliegen haben, wie sich diese Entwicklung wirklich begeben hat. Mir sind auf mehrere Anfragen hin durch das BMBF keine Zahlen mitgeteilt worden,

(Maja Wallstein [SPD]: Haushalt!)

bis auf die Antwort auf die letzte Anfrage, wo dann von einer degressiven Forschungsförderung für die DDR-Aufarbeitungsverbände gesprochen worden ist. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auch der Opposition auf solche Fragen hin vom BMBF konkrete Zahlen genannt werden? Denn dann können wir vielleicht auf Augenhöhe miteinander darüber reden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege, ich habe gesagt, dass wir uns dann im Ausschuss über diese Zahlen unterhalten werden. Und auf eine Anfrage Ihrerseits wurde gesagt, dass die Förderung der Verbünde ab 2023 verlängert wird und die Stellen besetzt werden können. Ich denke, das können wir dann im Ausschuss diskutieren. Und natürlich sollten wir alle die gleichen Informationen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Maja Wallstein [SPD])

Vielen Dank für die Zwischenfrage!

Lassen Sie mich weitermachen. Es geht also darum, dass wir diese Forschung aufrechterhalten. Aber wir sollten die Diskussion über die finanziellen Mittel, die wir für diese Forschung einsetzen, natürlich jetzt auch in den Haushaltsberatungen fortführen. Es steht der Union ja ohne Weiteres frei, zu diesem Thema entsprechende Anträge zu stellen, in denen sie angibt, wohin sie Mittel allozieren möchte, um dort mehr zu tun.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle auch noch einen Hinweis auf die Frage der Verstetigung. Ja, es ist leichter, wenn die Forschung zu Themen über Lehrstühle an Universitäten verstetigt wird; auch da bin ich bei Ihnen. Aber man muss sich natürlich auch die Frage stellen – wir wollen dem Wissenschaftssystem ja seine Freiheit lassen –: Wo sind die Anträge für diese Lehrstühle? Das heißt, wir müssen uns auch auf Länderebene mit dieser Fragestellung beschäftigen und uns dann vielleicht die Frage stellen: Warum entsteht aus der Wissenschaftscommunity heraus keine Nachfrage nach der Schaffung eines Lehrstuhls? Mir zumindest ist keine bekannt. Denn wir sollten uns, gerade wenn wir über die Forschung zu einer Phase unserer Geschichte diskutieren, doch bitte nicht fast so ähnlich wie die Verantwortlichen in dieser Phase unserer Geschichte verhalten und sagen: Wir schreiben euch mal vor, über was und wie ihr zu forschen habt! – Ich denke, darüber sind wir uns als Demokraten alle einig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und der CDU/CSU)

Also: Lassen Sie uns das Thema im Ausschuss aufgreifen! Lassen Sie es uns diskutieren! Wir alle wissen: Wir sind in einer Zeit knapper Haushaltsmittel. Man muss vielleicht auch überlegen, wann die Forschung zu welchen Themen dringender notwendig ist. Wichtig sind alle Themen, aber wann ist die Forschung letztendlich dringend notwendig? Ich denke, dazu bietet die Zeit im Ausschuss eine Möglichkeit. Lassen Sie uns da offen diskutieren! Das Thema ist zu wichtig, als dass wir es einfach zur Seite kehren könnten. Das sind wir den Opfern des 17. Junis schuldig, das sind wir den Opfern des Prager Frühlings schuldig, das sind wir den Opfern des Aufstands in Ungarn 1956 schuldig, und das sind wir auch den Opfern des Junis 1989 schuldig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Seiter. – Nächster Redner ist der Kollege Holger Mann, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554770
Wahlperiode 20
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta