14.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 108 / Tagesordnungspunkt 4

Ruppert StüweSPD - Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich freue mich, dass uns auch diejenigen auf den Tribünen folgen, die sich gerade mit der Geschichte des DDR-Unrechts beschäftigen.

Ja, es ist richtig, dass der Bund die Forschung zur vielfältigen Geschichte der DDR fördert. Uns ist es ein großes Anliegen, dass gerade auch der Unrechtscharakter und die Menschenfeindlichkeit des SED-Regimes einen hohen Stellenwert in der historischen Aufarbeitung erhalten, dass die Lebensbedingungen derjenigen, die nicht mit dem System einverstanden waren, geschildert werden und dass in der Forschung an die Opfer dieses Systems im Inneren und an der Berliner Mauer erinnert wird.

Die in den Forschungsverbünden geförderten Hochschulen, außeruniversitären Institute, Gedenkstätten und Archive tun dies gemeinsam, und das – das ist hier schon vielfach deutlich geworden – auch außerordentlich vielfältig und produktiv. Dafür vielen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Forschung findet nicht nur in diesen Verbünden statt, sondern auch in Institutionen. Ich möchte hier nur das ZZF hervorheben. Ich zähle aktuell 38 Projekte und Forschungsgruppen zur Geschichte und Gesellschaftsanalyse der DDR, die von der DFG gefördert werden. Hinzu kommt – auch das war hier schon Thema – die unbedingt notwendige Arbeit mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die dann besonders fruchtbar ist, wenn sie in die historische Forschung eingebettet ist. Wenn wir über eine Verstetigung der Forschung sprechen, dann sollte auch das Leben in seiner vielfältigen Weise – Bildung, Kultur und Alltagswelt – in der DDR erforscht werden, allerdings ohne dabei auszublenden, dass dieser Alltag in der DDR in einer Diktatur stattgefunden hat.

(Maja Wallstein [SPD]: Genau!)

Einen Punkt vermisse ich im Antrag der CDU/CSU,

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Was?)

gerade wenn man sich anschaut, wie es war, als wir diese Forschungsverbünde gemeinsam beschlossen und eingerichtet haben. Anders als damals fehlt heute der Blick in die aktuelle Gesellschaft und auf das verbindende Element in der Transformation.

Ich will ein Beispiel aus Berlin nennen. Steffen Mau kommt aus Rostock, ist Soziologe, Leibniz-Preisträger, jetzt an der Humboldt-Universität, hat vor vier Jahren mit dem Buch „Lütten Klein“ einen Bestseller geschrieben. Mau macht in Lütten Klein eine Lehre als Elektriker, später studiert er, promoviert in Italien, geht nach Bremen und kehrt wieder zurück nach Lütten Klein mit Fragen: Was haben die Wendejahre mit den Menschen dort gemacht? Warum haben sich die Ost-West-Unterschiede nicht nach 30 Jahren ausgeschlichen, wie er es nennt? Was heißt es, in den ostdeutschen Bundesländern – früher und heute – aufzuwachsen, zu leben und älter zu werden? Welche langen historischen Linien, welches gesellschaftliche und politische Selbstverständnis prägen die Menschen dort?

Diese Perspektive der Transformation spielt für Sie im aktuellen Antrag überhaupt keine Rolle. Das finde ich bedauerlich; denn: Man muss Steffen Mau nicht in allen Fragen zustimmen, aber es wird nicht reichen, die Forschung zur Geschichte der DDR allein als Antikommunismusforschung zu konstruieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr.-Ing. Zoe Mayer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum Abschluss noch eine Bitte: Lassen Sie das Aufwiegen von Nationalsozialismus und DDR! Schon Ihr Antrag fängt mit einem Vergleich an. Ich finde, das schadet mehr, als es hilft.

Im Übrigen freue ich mich auf die Diskussion im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich schließe die Aussprache.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554774
Wahlperiode 20
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Finanzierung zur DDR- und der Kommunismus-Forschung
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