Boris Pistorius - Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die United Nations Interim Force in Lebanon, kurz UNIFIL, ist – das ist schon bei den Vorrednerinnen deutlich geworden – ein besonderer Einsatz. Es ist eine der ältesten Friedensmissionen in der Geschichte der Vereinten Nationen, und zudem ist es die einzige der Vereinten Nationen mit Marineeinsatz. Ziel dieses maritimen UNIFIL-Anteils ist die Seeraumüberwachung. Es geht darum, den Libanon zu unterstützen, das Seegebiet vor der libanesischen Küste zu kontrollieren, Waffenschmuggel zu unterbinden und die freie Schifffahrt zu ermöglichen. Es geht aber auch darum, dass der Libanon seine Seegrenzen vollständig selbst sichern kann, dass das Land befähigt wird und bleibt, dies dauerhaft in Eigenverantwortung zu tun.
Meine Damen und Herren, Deutschland beteiligt sich seit 2006 an UNIFIL. Seit Januar 2021 haben wir erneut die Führung des UNIFIL-Flottenverbandes inne. Der deutsche militärische Beitrag für UNIFIL soll wie in den Vorjahren mit einer seegehenden Einheit weiter aktiv zur See- und Luftraumüberwachung vor der libanesischen Küste beitragen. Wir haben Personal im UNIFIL-Hauptquartier und unterstützen zudem die libanesische Marine bilateral mit Ausrüstung und der dazu passenden Ausbildung. Die libanesische Küstenradarorganisation ist dafür ein gutes, funktionierendes Beispiel.
Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir wichtige Zwischenziele erreicht. Die materielle Einsatzfähigkeit der libanesischen Marine hat sich verbessert – auch dank der Ausbildung durch unsere Soldatinnen und Soldaten und Projekte unserer Ertüchtigungsinitiative. Wir konnten deshalb Anfang des Jahres große Teile der Verantwortung für die eigenständige landbasierte Seeraumüberwachung an die libanesische Marine übergeben. In den nächsten Monaten wird die Übergabe der Überwachung des verbleibenden Seegebietes an die libanesische Marine erfolgen.
Wir können festhalten: Die Überwachung des Seegebietes entfaltet ein hohes Abschreckungspotenzial für mögliche Waffenschmuggler. Diese Fortschritte, meine Damen und Herren, sind nicht zuletzt und in ganz besonderer Art und Weise das Verdienst der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die mit ihrem Einsatz einen großen Anteil an diesem Erfolg haben.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ihnen gebühren unser ausdrücklicher Dank und unsere Anerkennung für diesen Einsatz.
Gewürdigt werden unsere Soldatinnen und Soldaten und das, was sie dort leisten, übrigens auch im Libanon und seitens unserer internationalen Partner. Dem deutschen Kontingent werden hohe Akzeptanz, Wertschätzung und Dankbarkeit entgegengebracht. Das zeigt sich auch daran, dass uns die Vereinten Nationen gebeten haben, die Verbandsführung des UNIFIL-Flottenverbandes für ein weiteres Jahr, bis Mitte 2024, zu übernehmen. Und ja, das machen wir gerne.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Doch trotz dieser Erfolge müssen wir festhalten: Der Libanon braucht weiterhin die im Rahmen von UNIFIL geleistete Unterstützung bei der seebasierten Seeraumüberwachung. Das mag unbefriedigend erscheinen, zumal mit Blick darauf, wie lange wir uns bereits engagieren. Doch wir müssen unbedingt – das ist angesprochen worden – das große Ganze dieses Einsatzes sehen. Die sich weiter verschärfende Finanz- und Wirtschaftskrise und die politische Selbstblockade haben dramatische Auswirkungen auf das Land und seine Bevölkerung. Der ungebrochen hohe Migrationsdruck aus dem Nachbarstaat Syrien und die Folgen der schweren Hafenexplosion in Beirut vom August 2020 verschärfen nach wie vor die ohnehin volatile politische Lage und die gesellschaftlichen Spannungen.
Auch die Spannungen an der Demarkationslinie zwischen Libanon und Israel bleiben hoch. Wir dürfen nicht vergessen: Trotz der 2006 geschlossenen Waffenstillstandsvereinbarung befinden sich die beiden Staaten offiziell noch immer im Kriegszustand. UNIFIL ermöglicht hier de facto – meine Kollegin Annalena Baerbock hat es angesprochen – den einzigen direkten Gesprächskanal zwischen Israel und dem Libanon. Und das hat einen ganz besonderen eigenen Wert, meine Damen und Herren.
Für den Libanon selbst, aber auch für Deutschland sind ein dauerhafter Frieden und Stabilität im Nahen Osten von zentraler Bedeutung. Unser Engagement in der Region ist und bleibt deshalb wichtig. UNIFIL ist ein wichtiges, ein unverzichtbar wichtiges, stabilisierendes Element. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir weiterhin im Rahmen von UNIFIL aktiv bleiben. Wir unterstreichen unser Bekenntnis zum Vereinte-Nationen-Peacekeeping. Wir zeigen: Deutschland engagiert sich umfassend, militärisch und auch als Geber im Rahmen der Ertüchtigungsinitiative, als Mahner gegen den Zerfall von Rechtsstaatlichkeit, als Impulsgeber für politische und wirtschaftliche Reformen sowie und nicht zuletzt als Freund Israels an einer für die israelische Sicherheit sensiblen Flanke. Unser Engagement ist hochwillkommen beim Libanon, bei Israel und auch bei den USA. Sie alle haben wiederholt den Wunsch geäußert, dass Deutschland sich weiter an UNIFIL beteiligt.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, lassen Sie uns dieses Engagement gemeinsam fortführen! Wir bringen deshalb heute diesen Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an UNIFIL in die parlamentarische Beratung ein. Aufgaben, einzusetzende Fähigkeiten und die Personalobergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten bleiben unverändert. Ich bitte Sie, dieses Mandat zu verlängern.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der nächste Redner ist Joachim Wundrak für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554779 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 108 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz im Libanon (UNIFIL) |