Stephan ThomaeFDP - Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich denke, man darf sich den 8. Juni 2023 getrost im Kalender anstreichen. Jahrelang steckte die GEAS-Reform unbeweglich fest. Auch während der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 hat sich nichts getan, obwohl allen klar war, dass wir hier Blockaden lösen müssen. Dass es jetzt gelungen ist, zumindest eine erste Blockade zu lösen, das ist eine gute Nachricht und jedenfalls ein erster Erfolg, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Kritik lässt da natürlich nicht lange auf sich warten. Die einen verunglimpfen diesen Schritt als eine faktische Abschaffung des Asylrechtes – das ist es einfach nicht; das Asylrecht bleibt erhalten –; andere reden die Reform damit schlecht, dass sie sagen: Es ändert sich doch gar nichts, es wird bestenfalls in Jahren einmal eine Wirkung sichtbar sein.
Aber was ist denn die aktuelle Lage bis dato, verehrte Kolleginnen und Kollegen? Momentan werden Regeln nicht befolgt, sie werden nicht akzeptiert. An europäischen Grenzen wird ständig europäisches Recht verletzt, was kein dauerhafter Zustand sein kann. Im Schengenraum hält sich auch niemand an die geltenden Regeln. Menschen werden nicht gründlich und lückenlos registriert, der ungehinderten Sekundärmigration wird nichts entgegengesetzt, zum Teil wird ihr sogar Vorschub geleistet. Innerhalb des Dublin-Systems werden Rücknahmen nicht so durchgeführt, wie es sein müsste. Und immer mehr Staaten errichten stationäre Grenzkontrollen an den europäischen Binnengrenzen. Das ist die aktuelle Situation, und die müssen wir auflösen, müssen Regeln finden, die wieder alle akzeptieren und die funktionieren.
Dazu ist jetzt ein erster Schritt gemacht, meine Damen und Herren,
(Beifall bei der FDP)
und das, obwohl es in Europa höchst unterschiedliche Interessen gibt. Auf der einen Seite sind Länder wie Italien, Griechenland, Malta, Zypern, die natürlich und verständlicherweise noch mehr Solidarität fordern. Polen und Ungarn auf der anderen Seite haben ganz andere Vorstellungen, sie sagen: Wir nehmen doch schon so viele Ukrainer auf. Warum sollen wir noch mehr Solidarität zeigen? – Ja, Asylpolitik ist kein Wunschkonzert, da dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben, und es wird manchen bei diesem Schritt wahrlich auch viel zugemutet – das ist mir sehr wohl bewusst –, aber ein Scheitern dieser Reform wäre noch schlimmer für Europa, es wäre verheerend für Schengen. Deswegen ist es gut, dass jetzt Blockaden gelöst sind, dass Bremsen gelöst sind. Der Anteil der Innenministerin daran ist nicht zu unterschätzen. Das ist wichtig für Europa, was wir tun müssen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Deswegen wundere ich mich auch ein bisschen über den Antrag der Union, der in meinen Augen merkwürdig uninspiriert daherkommt und keine neuen Gedanken enthält. 80 bis 90 Prozent darin sind Selbstverständlichkeiten – Sie wiederholen und zitieren Dinge, die ohnehin jetzt beschlossen sind und die beraten werden –, und 10 bis 20 Prozent darin sind vielleicht Kritik, eine Kritik daran, dass sich die Bundesregierung auf bestimmte Modifikationen verständigt hat. Das gilt etwa für die Fragen, ob gelten soll, dass es Grenzverfahren für Menschen aus Ländern gibt, deren Schutzquote bei unter 20 Prozent oder unter 15 Prozent liegt, und ob gelten soll, dass es Grenzverfahren gibt für alle Familien mit minderjährigen Kindern – also alle bis 18 Jahren – oder nur für solche, die Kinder unter 12 Jahren haben. Das sind Dinge, die jetzt natürlich im Trilog weiter beraten werden müssen – und sie werden auch beraten. Die Union sucht sozusagen verzweifelt das Haar in der Suppe, obwohl wir alle wissen: Ja, wir müssen hier in diesem Punkt weiterkommen. – Insgesamt scheint mir deswegen der Antrag der Union, der heute vorliegt, kein großer Wurf zu sein.
Wir brauchen eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Wir brauchen wieder Regeln, die akzeptiert werden, die befolgt werden, die funktionieren, die Humanität und Ordnung gleichermaßen in Einklang bringen. Für diese Reform hat diese Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP einen Schritt getan, hat sich die Innenministerin auf dem JI-Rat in Luxemburg wirklich ein Verdienst erworben. Es ist gut, dass jetzt ein Trilog beginnen kann, der die beiden Elemente „Humanität“ und „Ordnung“ wieder ins Lot bringen kann. Dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der nächste Redner ist Alexander Throm für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554855 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems |