Detlef SeifCDU/CSU - Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Schierenbeck, Ihr Vortrag hat etwas von Satire; denn blockiert und verzögert hat in den letzten Jahren die SPD. Wir mussten als Union ja nur das Stichwort „Grenzverfahren an der Außengrenze“ oder auch „AnkER-Zentren als nationale Maßnahme“ in den Mund nehmen,
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ja, genau!)
schon waren Sie frontal dagegen. Es ist schön, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Esra Limbacher [SPD]: Die CDU und die CSU haben noch nicht mal mehr gemeinsame Fraktionssitzungen durchgeführt! Haben Sie das vergessen?)
Die Erklärung der Bundesinnenministerin, dass der Beschluss des Innenministerrates ein historischer Erfolg sei, ist bemerkenswert, aber er erweckt zugleich den falschen Eindruck. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem ist mit dem Beschluss nämlich noch längst nicht in trockenen Tüchern. Erst jetzt fängt der schwierige Trilogprozess an, und beim Europäischen Parlament sind dickste Bretter zu bohren.
Meine Damen und Herren, die Einigung geht in die richtige Richtung. Aber die Bundesregierung hat versucht, das Ganze aufzuweichen, den Kreis der Personen, die unter die Regelungen des Grenzverfahrens fallen, deutlich zu reduzieren – zum Glück ohne Erfolg.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deshalb kann man sagen, dass die Einigung nicht das Verdienst der Bundesregierung ist, sondern dass es trotz der Bundesregierung zu dieser Einigung gekommen ist.
(Zuruf von der FDP)
Das Bootsunglück von gestern macht uns alle betroffen. Aber Sie bewerten das völlig anders als die Union. Es hat viele Menschen das Leben gekostet. Es führt uns nochmals deutlich vor Augen, dass unser in der Europäischen Union praktiziertes Asylsystem das tödlichste Asylsystem der Welt ist, wie es auch der Migrationsforscher Ruud Koopmans in seinem Buch „Die Asyl-Lotterie“ zutreffend beschreibt.
Seit 2014 sind allein im Bereich der Mittelmeerroute über 25 000 Menschen ums Leben gekommen.
(Clara Bünger [DIE LINKE]: Ja, wie kommt denn das?)
– Das erkläre ich Ihnen jetzt gerade. – Nach dem aktuellen Asylsystem ist es völlig egal, ob sie einen Anspruch haben, ob sie keinen Anspruch haben. Es ist völlig egal, ob sie wirtschaftliche Gründe haben oder tatsächlich Gründe der Verfolgung bestehen.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!)
Denn wenn sie es einmal in die Europäische Union geschafft haben, dann ist das System so zähflüssig – wir blockieren uns selbst –, dass eine Rückführung nicht möglich ist, dass letztlich auch Kommunen belastet werden,
(Zuruf der Abg. Clara Bünger [DIE LINKE])
dass das Schleppergeschäft boomt, und die Menschen zahlen oft mit ihrem Leben und gehen hohe Risiken ein.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil ist der Fall!)
Viele Personen, die in einem sicheren Drittstaat aufgenommen wurden, reisen einfach weiter in die Europäische Union. Das ist menschlich verständlich; aber wir müssen uns hier deutlich vor Augen halten – das Völkerrecht wird hier von einigen völlig falsch zitiert –: Die Genfer Flüchtlingskonvention dient dem Schutz von Menschen. Es geht nicht darum, dass der Schutz in einem bestimmten Land gewährleistet wird. Und es geht schon gar nicht darum, dass bei irgendwelchen Sozialleistungen ein bestimmter Standard sichergestellt wird.
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gibt uns aber das Bundesverfassungsgericht vor! Das hat die Leistungen, die Sie verabschiedet haben, als verfassungswidrig erklärt!)
Deshalb ist das vorgesehene Konzept der sicheren Drittstaaten – darüber haben wir noch nicht so ausführlich gesprochen – so wichtig; damit es zukünftig auch möglich ist, Antragsteller in den sicheren Drittstaat zurückzuführen, in dem sie bereits aufgenommen waren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Martin Reichardt [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Das zukünftige Asylverfahren – das hat der Kollege Throm auf den Punkt gebracht – muss das Signal senden, dass das Erreichen der EU-Außengrenze keine Garantie für einen Verbleib innerhalb der Europäischen Union ist.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen?
Nein, danke. – In Verbindung mit dem Grenzverfahren kann dadurch die Fluchtmigration in die Europäische Union deutlich reduziert werden,
(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben auch nur Sie!)
aber vor allen Dingen das Sterben auf der Mittelmeerroute, der Sahararoute und auf anderen Fluchtrouten.
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selber nicht, dass dadurch das Sterben aufhört!)
– Das glaube ich.
Das europäische Asylsystem kann nur dann funktionieren, wenn es neben dem humanitären Ansatz auch die Aufnahme- und Belastungsfähigkeit der Mitgliedstaaten im Blick hat, was ich bei vielen von Ihnen nicht erkenne.
(Beifall bei der CDU/CSU – Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann ist aber das Prinzip des ersten Asylstaats schon falsch!)
Und man muss deutlich sagen: Jeder, der sich dieser Realität versperrt, spielt fahrlässig mit den Interessen der Europäischen Union und den Interessen Deutschlands.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Reichardt zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554862 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems |