15.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 109 / Tagesordnungspunkt 9

Sepp MüllerCDU/CSU - 70 Jahre Volksaufstand am 17. Juni 1953

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Es war der 17. Juni 1953, an dem Paul Othma am Marktplatz in Bitterfeld verkündete:

Liebe Freunde, wenn ich heute eure strahlenden Gesichter sehe, dann möchte ich euch am liebsten umarmen und an mein Herz drücken. Der Tag der Befreiung ist da, die Regierung ist weg, die Tyrannei hat ein Ende.

Dr. Bartsch, dass Sie von den Linken sich winden

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich habe mich nicht gewunden!)

und am Ende zu dem Schluss kommen, dass es ein Arbeiterkampf war, zeigt, dass Sie immer noch die Rechtsfolgepartei der SED-Partei sind, die dies mit zu verantworten hat, den Tag der Tyrannei am 17. Juni 1953.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der AfD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Sie sind Blockpartei!)

Es war der Tag, an dem in der damaligen DDR in 700 Städten mehrere Millionen Menschen auf die Straße stürmten. Sie besetzten Machtzentren der DDR-Diktatur, zerstörten Symbole der DDR-Propaganda und befreiten politische Gefangene. Die Forderungen waren klar: Rücktritt der DDR-Unrechtsregierung, freie Wahlen und die deutsche Einheit.

Am 17. Juni gelang es den Bürgerinnen und Bürgern der DDR erstmals, dass das Unrechtsregime in großen Teilen des Landes die Macht für Stunden verloren hatte. Die Proteste nahmen Ausmaße an, die noch Wochen später spürbar waren.

Der Ausgang der Proteste ist uns hier allen bekannt; leider. Der Ausnahmezustand wurde verhängt. Proteste wurden von sowjetischen Panzern und Soldaten blutig niedergeschlagen. Es gab 55 Tote, Tausende Menschen wurden infolge der Proteste inhaftiert, und einige von ihnen sind zu hohen Haftstrafen verurteilt worden.

Dennoch stellt der 17. Juni 1953 den ersten Akt eines wachsenden Widerstands gegen kommunistische Diktaturen in Deutschland und in Europa dar: 1956 der ungarische Volksaufstand, 1968 Prag, 1980 Polen, 2014 Ukraine; die Ukraine, die für die Demokratie gekämpft, die Sowjets, die die Panzer geschickt haben, die Russen, die jetzt unter Wladimir Putin die Panzer schicken.

Menschen, die um Freiheit kämpften, denen ich die Freiheit zu verdanken habe, in einem Land aufzuwachsen, das mir alles ermöglicht, diese Menschen werden jetzt getötet oder niedergeschlagen und landen in Krankenhäusern.

Dass Sie sich hierhinstellen – es sind Vertreter von Ihnen, Dr. Bartsch, von den Linken, mit Klaus Ernst, von der AfD mit Tino Chrupalla und auch von der SPD mit dem ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der am Tag der Befreiung am 8. Mai auf Einladung des russischen Botschafters einen Hofknicks macht und sagt: „Danke schön, dass ihr das macht.“ – und kein Wort darüber verlieren, dass auch der Kampf in der Ukraine ein Kampf um Freiheit ist, dass Menschen um die europäische Freiheit und Demokratie kämpfen,

(Enrico Komning [AfD]: Das ist nicht unser Krieg!)

das ist am Ende demaskierend für Ihre Parteien. Das „U“ hat sich wieder geschlossen. Sie haben sich demaskiert. Sie sind keine Freiheitspartei. Sie sind die Partei der Tyrannei.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der AfD)

Vielen, gerade in meiner Generation, ist gar nicht mehr bewusst, was 1953 passiert ist. Wer hätte den von mir eingangs erwähnten Paul Othma gekannt? Wer kennt andere Namen?

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Ja, das ist Ihre Schulpolitik!)

Es ist erschreckend, wie dieser bedeutsame Tag immer weiter aus dem Bewusstsein der Menschen verschwindet. Immerhin haben fast 50 Prozent in einer aktuellen Umfrage angegeben, dass der 17. Juni 1953 eine größere Rolle in der deutschen Erinnerungskultur spielen sollte. Herr Staatsminister, Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn es einen Gedenktag geben soll.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Gibt es doch schon! – Enrico Komning [AfD]: Hättet ihr doch einführen können! Das ist Heuchelei!)

Denn wir brauchen ein Gedenken an die Geschehnisse des 17. Juni heute mehr denn je, in Deutschland und auch in Europa.

Für alle, die in diesem System Widerstand leisten, alle, die ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben für Freiheit, Einheit und Demokratie eintreten, für all diese Menschen steht symbolisch der 17. Juni. Lassen Sie uns den 70. Jahrestag zum Anlass nehmen, nicht nur aktiv Widerstand und Oppositionsbewegung in der SED-Diktatur zu würdigen und ihrer Opfer zu gedenken, lassen Sie uns endlich damit beginnen, die Weichen zu stellen, dass der 17. Juni 1953 auch in Zukunft gelebter Teil unserer gesamtdeutschen und europäischen Erinnerungskultur bleibt.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554880
Wahlperiode 20
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt 70 Jahre Volksaufstand am 17. Juni 1953
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