Daniel BaldySPD - Beobachtung von gewalttätigen Linksextremisten
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Hess, Sie haben eben unseren Kollegen Uli Grötsch zitiert. Ich möchte gern Hans Schlüter-Staats, den Vorsitzenden Richter im Prozess um Lina E., zitieren. Er hat nämlich in der Urteilsbegründung gesagt, er halte Rechtsextremismus für die „derzeit größte Gefahr“. Und ihm würde ich da nicht so eine Voreingenommenheit unterstellen wie Uli Grötsch.
(Beifall der Abg. Maja Wallstein [SPD])
Aber wenn Sie selbst das ignorieren, dann sagt das viel über Sie aus.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Das war aber schwach!)
In einem demokratischen Rechtsstaat darf es keinen Platz für Selbstjustiz geben. – Innenministerin Nancy Faeser hat mit diesem Satz noch einmal klar auf den Punkt gebracht, worum es im Kern bei dem Verfahren um Lina E. ging: dass wir eben nicht akzeptieren werden, dass Menschen in diesem Land das Recht selbst in die Hand nehmen, dass Menschen andere Menschen attackieren, dass Menschen das Gewaltmonopol des Staates untergraben und aushöhlen. Das, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, werden wir nicht akzeptieren.
(Beifall bei der SPD)
Genauso werden wir Gewalt gegen Einsatzkräfte, Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten nicht akzeptieren. „ Wer die Polizei angreift, greift jeden von uns an, und er greift unseren Staat an.“ Auch das ist ein sehr gutes Zitat unserer Innenministerin. 18 verletzte Polizeibeamte sind nicht akzeptabel. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen von dieser Stelle aus weiterhin eine gute und schnelle Genesung wünschen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ereignisse von Anfang Juni in Leipzig stehen in direktem Zusammenhang mit dem Urteil gegen Lina E. und drei ihrer Mitstreiter. Vorgeworfen wurden ihnen unter anderem mehrere Fälle von gefährlicher Körperverletzung. Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte die vier Personen zu mehrjährigen Haftstrafen. Diese Gruppe agierte als abgeschottete, kleine Gruppe, die sich vom restlichen gewaltorientierten Spektrum abkapselte und sich untereinander zunehmend selbst radikalisierte. Die vier identifizierten tatsächlichen oder vermeintlichen Rechtsextremisten griff diese aus einer Überzahlsituation heraus an und verletzte sie.
Europaweit ist die beschriebene Vorgehensweise aktuell vor allem in Deutschland, besser gesagt: nur in Teilen Deutschlands, als Modus Operandi der Gewaltbereiten zu erkennen. Dementsprechend sind wir alle in der Pflicht, diese Entwicklung weiterhin sehr genau im Auge zu behalten. Dieser Trend, weg von einem ereignisbezogenen Linksextremismus, bei dem die Gewalttaten insbesondere im Umfeld von Demonstrationen stark auftreten, ist aber keineswegs neu. Das lässt sich schon länger beobachten. Und das Urteil gegen Lina E. zeigt doch gerade, dass Polizei und die Justizbehörden in diesem Land dieses Phänomen frühzeitig erkannt haben und damit auch umgehen können.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Gleichzeitig ist es eine Entwicklung, die wir ernst nehmen, aber eben auch nicht flächendeckend in Deutschland beobachten können.
(Maja Wallstein [SPD]: Ja!)
Insbesondere Hamburg, Berlin und Leipzig sind die lokalen Schwerpunkte dieser Entwicklung innerhalb der gewaltbereiten linksextremistischen Szene in letzter Zeit.
(Maja Wallstein [SPD]: Das ist richtig!)
Im Verfassungsschutzbericht aus Rheinland-Pfalz zum Beispiel, meinem Heimatbundesland, wurde erst letzte Woche festgestellt, dass die individuellen Radikalisierungsprozesse in Rheinland-Pfalz nicht festzustellen sind.
Es ist unser aller Auftrag, in den nächsten Wochen und Monaten genau zu beobachten, wie sich die beschriebenen Trends weiter entwickeln. Und das tun die Bundesregierung und die Ministerin seit dem ersten Tag. Wir haben ein Auge für die Entwicklungen und sind eben nicht auf einem Auge blind, sondern halten die Augen nach allen Seiten hin offen. Wir werden daher genau beobachten, wo sich isoliert tätige Kleingruppen bilden, wie diese agieren und zu welchen Mitteln sie greifen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Lukas Benner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was wir allerdings nicht brauchen, sind Forderungen aus dem Affekt heraus. Die Sicherheitsbehörden machen gute Arbeit. Das werden sie auch in Zukunft tun; dafür braucht es keine Schnellschüsse wie in diesem Antrag von den Hilfssheriffs der AfD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Lukas Benner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Was tut die Bundesregierung gegen die eben beschriebene Entwicklung? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, die Ampel, tun eine ganze Menge. Spannenderweise wird vieles davon gerade von der rechten Seite dieses Hauses immer wieder infrage gestellt oder blockiert.
Ein Beispiel ist das Programm „Demokratie leben!“. Da wird von Ihnen fälschlicherweise immer wieder behauptet, es würden ja nur Projekte gegen Rechtsextremismus gefördert und man sei auf dem linken Auge blind, und es werden weitere solcher falschen Behauptungen vorgebracht. Aber viele der geförderten und unterstützten Projekte sind dezidiert phänomenübergreifende Angebote, und es gibt auch explizite Angebote gegen Linksextremismus. „ Demokratie leben!“ wirkt also präventiv gegen jede Art des Extremismus. Es wirkt für Demokratie und für Rechtsstaatlichkeit. Es ist enttäuschend, dass Sie das immer verschweigen und fast schon in den Dreck ziehen. Das beweist, dass Sie bis heute nicht verstanden haben, wie wichtig das Programm „Demokratie leben!“ und seine Projekte sind.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit dem Demokratiefördergesetz werden wir diese Maßnahmen und Projekte verstetigen. Das stärkt unsere Demokratie gegen Extremisten. Und deshalb ist es gut, dass wir das Demokratiefördergesetz gerade beraten und bald beschließen.
Ja, die Bundesregierung und die Ampelkoalition werden den Linksextremismus auch in Zukunft im Auge behalten und sich ihm entgegenstellen. Aber seien Sie sicher: Wir werden nicht wie andere in den letzten Jahren auf dem rechten Auge blind werden. Wir werden rechtsextreme Verfassungsfeinde in den Reihen der AfD, aber auch außerhalb davon weiterhin sehr genau im Auge behalten.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Kollege Baldy. – Nächster Redner ist der Kollege Moritz Oppelt, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/cvid/7554895 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Beobachtung von gewalttätigen Linksextremisten |