15.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 109 / Zusatzpunkt 3

Helge LindhSPD - Beobachtung von gewalttätigen Linksextremisten

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Vielen Dank.

(Zuruf von der AfD: Schlussredner Helge! – Beifall bei Abgeordneten der AfD )

Und die AfD-Groupies klatschen wieder; es ist wie immer. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Amthor, Sie sprachen gerade von Statistikjongleuren. Bei Ihnen habe ich manchmal den Eindruck, dass Sie einen KI-generierten Pointengenerator verwenden,

(Lachen bei Abgeordneten bei der AfD)

der irgendetwas herausschmeißt, was Sie dann irgendwie passend machen müssen, weil es im Regelfall sonst gar nicht zu den Beiträgen der Ampelkoalition passt. So ist es auch hier der Fall. Aber Sie sind zumindest Ihre halbgelungenen Pointen losgeworden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jonglieren Sie vielleicht ein bisschen weniger mit Wortkonstruktionen und hören Sie besser zu, was die anderen sagen.

Herr Hoffmann, ich nehme es sehr ernst und schätze Ihre Beiträge durchaus. Auch wenn wir uns regemäßig streiten und komplette Uneinigkeit besteht, habe ich Respekt vor Ihrer Analyse. Aber wenn Sie doch deutlich machen wollen, dass man eben nicht die Phänomene gegeneinander verrechnen kann, und wenn Sie den Vorwurf erheben, dass sozusagen – ich zitiere – „nutzenorientierte Amnesie“ vorhanden sei, dann ist es doch wenig überzeugend, wenn Sie selbst komplett nutzenorientiert argumentieren. Und das haben Sie: Wenn Sie von grüner Blase sprechen und sich auf dieses Niveau begeben, dann ist das keine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem zur Diskussion stehenden Thema.

Da Sie sich über das Beispiel lustig machen, dass aus dem Gegenüber von jungen Menschen mit Migrationshintergrund versus Polizistinnen und Polizisten der Einsatz von Bodycamps begründet wird, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich doch ein bisschen in diesem Land umzuschauen. Es ist doch nicht wirklich sinnhaft, sich darüber lustig zu machen. Sinnhaft wäre es, ernsthaft wahrzunehmen, dass es in der Tat bei Menschen mit internationaler Familiengeschichte Misstrauen gegenüber den Sicherheitsbehörden gibt. Das ist jetzt nicht die Schuld des einzelnen Polizisten oder der einzelnen Polizistin und auch nicht Schuld des jungen Menschen. Aber es ist ein Tatbestand in diesem Land. Deshalb wäre es auch hilfreich gewesen, wenn zum Beispiel die Unionsfraktion und ihr Innenminister in der vergangenen Legislatur mit großer Souveränität und Selbstverständlichkeit Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden zum Gegenstand von Studien gemacht hätten. Ihr damaliger Innenminister hat sich aber mit Zähnen und Klauen dagegen gewehrt. Deswegen: Bitte verzichten Sie doch selbst auf solch nutzenorientiertes Denken!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zur Meisterschaft beim nutzenorientierten Denken und beim Instrumentalisieren bringt es aber tatsächlich die AfD. Das ist im Grunde eine wunderbare Demonstration dessen, was hier Woche für Woche passiert.

Zum Ersten. Wenn man selbst so tief im Eimer des Rechtsextremismus festhängt und überhaupt nicht rauskommt, dann ist es nicht überzeugend, sich gegen Extremismus zu wehren. Ein bisschen Selbstbeobachtung täte Ihnen gut.

(Widerspruch des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Zum Zweiten. Sie haben wirklich die Scheinheiligkeit und die doppelten Standards zur Königsdisziplin erhoben. Sie werfen uns in Ihrer überschaubaren Logik Doppelstandards vor, obwohl Sie selber sie zum Maßstab machen. Sie haben sich doch in zig Ausschusssitzungen und immer wieder hier im Plenum über Herrn Haldenwang aufgeregt.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Mit Recht!)

Sie haben in der vergangenen Legislatur sogar geplant, den Etat des Verfassungsschutzes auf null zu setzen. Aber in Ihren Anträgen berufen Sie sich regelmäßig auf Zitate und Ausführungen des BfV, um damit Ihre Analyse des Linksextremismus zu bestätigen. Also, entscheiden Sie sich mal! Sind Sie nun für den Verfassungsschutz oder gegen den Verfassungsschutz, oder sind Sie nur so lange für den Verfassungsschutz, solange er nicht auf Sie guckt?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und was sind Sie?

(Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])

Sie sind nun mal Verdachtsfall, und Ihre eigene Junge Alternative ist gesichert rechtsextremistisch, wie das von Ihnen ja mittlerweile geschätzte BfV erklärt. Sie sind Beobachtungsfall. Da Sie – so lese ich den Antrag – es richtig finden, wie das BfV beobachtet, haben Sie im Grunde anerkannt, dass Sie zu Recht Verdachtsfall sind und dass Ihre Jugend zu Recht Beobachtungsfall ist. Das ist ein Fortschritt. Herzlichen Glückwunsch dazu!

Herr Kollege Lindh, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Hilse zu?

Immer gerne. Ich freue mich immer über die Verlängerung der Redezeit, auch durch Herrn Hilse.

(Josef Oster [CDU/CSU]: Wir nicht!)

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich wollte Sie bloß darauf hinweisen, dass es offensichtlich neue Erkenntnisse beim Bundesamt für Verfassungsschutz gibt. Bis zum Hauptsacheverfahren wird die Junge Alternative nicht mehr als gesichert rechtsextrem eingestuft.

(Zuruf der Abg. Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Laut Gerichtsbeschluss wird das bis zum Hauptsacheverfahren durch das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht mehr getan. Es wird alles gelöscht, alle Pressemitteilungen, die dahin gehend sind. Das wollte ich Ihnen bloß zur Kenntnis geben.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zugelassen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Sehr gerne. Sie sind offensichtlich stolz darauf. Aber ob nun gesichert oder ungesichert, rechtsextremistisch sind und bleiben Sie nun mal,

(Lachen bei der AfD – Zuruf des Abg. Bernd Schattner [AfD])

und das beweisen Sie ja in jedem Beitrag, den Sie hier leisten. So sprechen Sie immer von „den Medien“. Sie liefern doch in jeder Rede, in jedem Beitrag Stoff als Beleg für Ihre eigene Verfassungsfeindlichkeit. Das ist deswegen so ärgerlich, weil Sie jede ernsthafte Debatte mit unwürdigen Verrechnungsspielen, mit einem „Ja, aber“ verhindern. Das finde ich falsch. Frau Teuteberg hat zu Recht diesen Whataboutism angesprochen. Die einen verweisen auf Rechtsextremismus, wenn von Linksextremismus gesprochen wird. Die anderen verweisen auf Linksextremismus, wenn von Rechtsextremismus gesprochen wird, oder auf islamistischen Extremismus. Diese Spiele sind unwürdig. Mit der Art und Weise, wie Sie es präsentieren, und der Behauptung, alle Extremismen seien gleich – dabei vergessen Sie, Ihren eigenen Extremismus zu erwähnen –, entziehen Sie dem Ganzen den Boden. Das ist dem Thema doch wirklich nicht angemessen.

Angemessen ist eine nüchterne Analyse. Wenn wir diese vornehmen, dann sehen wir, dass die Statistiken 24 000 nicht zuzuordnende Taten zeigen, bei denen aber in vielen Fällen der Bezug zum rechten Spektrum deutlich ist. Wir haben 23 500 Straftaten im rechten Spektrum – das ist eine Zunahme um 7 Prozent – und ungefähr 7 000 Straftaten im linken Spektrum – das ist eine Abnahme von 31 Prozent – zu verzeichnen. Das bedeutet nicht, dass wir nun das linke Spektrum ignorieren. Das zeigt nur, wie die Verteilung ist.

(Dr. Malte Kaufmann [AfD]: Es geht doch um die Schwere der Straftaten!)

Die Analyse zeigt auch: Wir haben keinen generellen Anstieg zu verzeichnen, sondern an einzelnen Hotspots eine Zunahme der Zahl gezielt gewaltbereiter Linksextremisten. Daraus machen Sie aber eine Generalanalyse, und das ist unredlich. Sie beschwören doch immer das Deutschtum. Deutsche Sekundärtugenden wären Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Sie handeln aber gegenteilig. Sie sind in dieser Hinsicht total undeutsch, nämlich ohne Primärtugenden und ohne Sekundärtugenden.

(Martin Hess [AfD]: Das sagt gerade der Richtige!)

Ich bitte darum, dass wir mit diesen Mechanismen und Spielen aufhören. Das Urteil zeigt – man kann auch über Urteile diskutieren –, dass die Justiz konsequent und sehr sorgfältig auf linksextremistische Taten guckt.

Ergebnis der Analyse kann auch nicht sein, wie man es gelesen hat, dass die Antifa generell kriminalisiert wird. Denn es geht hier um Gewalttaten, übrigens gegen mutmaßliche oder vermeintlich Rechtsextreme, die Sie immer nur „politische Gegner“ nennen. So weit zu Ihrer nutzenorientierten Amnesie! All das ist unpassend. Sie denken, dass die Antifa ein Verein sei, den man verbieten könne. Aber zu Ihrer Information: Sie ist es nicht.

Es ist doch klar: Da, wo Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten geschieht, wo sie, die nun wahrlich Besseres tun könnten, auf Demonstrationen angegriffen werden, haben wir an ihrer Seite zu stehen. Gleichzeitig haben wir – ohne das zu verrechnen – aber auch hinzugucken, wo es problematische Chatgruppen von Polizistinnen und Polizisten gibt, und festzustellen, dass deutsche Sicherheitsbehörden im Fall NSU und in Hanau versagt haben. Bis zum heutigen Tag versagt der hessische Innenminister kläglich gegenüber den Opferfamilien. Das ist doch kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Deshalb mein Appell: Hören wir auf mit den am Selbstnutzen orientierten Spielen, mit denen wir zeigen wollen: Das andere Phänomen ist schuld! Nehmen wir endlich eine ernsthafte Analyse vor! Dann braucht man sich nicht vor Statistiken zu verstecken, und dann braucht man sich auch nicht in die Beantwortung der Frage zu flüchten, –

Herr Lindh, kommen Sie bitte zum Schluss.

– ob man nun gesichert oder ungesichert rechtsextremistisch ist wie Sie.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7554907
Wahlperiode 20
Sitzung 109
Tagesordnungspunkt Beobachtung von gewalttätigen Linksextremisten
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