Tino SorgeCDU/CSU - Aktuelle Stunde - Zunehmender Medikamentenmangel
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Medikamentenmangel ist ein ernstes Problem. Da hilft es auch nichts, die Lage schönzureden. Viele Medikamente sind Mangelware. Und was macht unser Bundesgesundheitsminister, unabhängig davon, dass er heute mal wieder nicht bei einer Aktuelle Stunde anwesend ist? Er behauptet, die Lage habe sich zwischenzeitlich entspannt. Im Grunde ist das nicht nur ein Kleinreden der Problematik. Die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Frau Overwiening, hat den Gesundheitsminister auf die Verbreitung von Fake News hingewiesen, und das muss man als Gesundheitsminister erst mal schaffen, dass einen eine Verbandsvertreterin der Verbreitung von Fake News bezichtigt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben es gesehen: Gestern gab es Apothekerprotest. Tausende Apotheker aus ganz Deutschland haben hier in Berlin demonstriert. Sie sind auch vor dem Büro des Bundesgesundheitsministers vorbeigezogen, um ihren Anliegen Nachdruck zu verleihen, nämlich den Befürchtungen, dass Apotheken in die Insolvenz gehen, dass sie Medikamente nicht ordnungsgemäß abgeben können, weil sie nicht verfügbar sind. Und was macht unser Bundesgesundheitsminister?
(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was er am besten kann: twittern!)
Er schießt ein Foto aus dem Elfenbeinturm seines Büros und zieht bei Twitter hämisch und sich lustig machend über Apothekerinnen und Apotheker her.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Unglaublich!)
Das ist mittlerweile die Gesundheitspolitik, die wir in Deutschland haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das erinnert mich an die französische Königin Marie-Antoinette, die ihrer Bevölkerung, die Hunger hatte, gesagt hat: Wenn ihr kein Brot habt, dann esst doch einfach Kuchen!
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: „Brioche“ hat sie gesagt, „Brioche“!)
Das sind die Vorschläge, die der Bundesgesundheitsminister den Apothekerinnen und Apothekern angesichts dieser Problematik macht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es hilft bei dieser Debatte, auch mal ins Archiv zu schauen. Wir haben bereits letztes Jahr, am 5. Juli, hier in diesem Hohen Haus einen Antrag gestellt, bei dem es genau darum ging, gut vorbereitet in den Herbst zu gehen, Medikamentenengpässe zu verhindern. Mangelsituationen, insbesondere im medizinischen Bereich, müssen vermieden werden. – Das war vor fast genau einem Jahr, und genau darum geht es heute noch. Sie wissen, was passiert ist; die Folgen sind bekannt. Die Ampel hat unsere Anträge abgelehnt, Vorschläge sind abgelehnt worden, der Winter kam und damit ein beispielloser Medikamentenmangel. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eigentlich unerträglich für ein Industrieland wie Deutschland, dass einfachste Medikamente – Kinderhustensäfte, Fiebermittel, Schmerzmittel – nicht verfügbar sind. Da hätten Sie schon längst agieren müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Schlimme an der ganzen Nummer ist nicht nur, dass Sie das Problem kleinreden; Sie verschärfen es ja sogar noch. Sie haben letztes Jahr im Oktober hier in diesem Hohen Hause gegen die Kritik der Opposition, gegen die Kritik vieler Experten das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz durchgepeitscht. Damit haben Sie die Lage noch verschärft.
(Martina Stamm-Fibich [SPD]: Wie denn?)
Ich kann Ihnen auch sagen, was passiert ist. Man kann es wie folgt zusammenfassen: Erst senken Sie den Apothekern die Honorare, und dann wundern Sie sich, dass sie auf die Straße gehen. Erst benachteiligen Sie Pharmahersteller, dann wundern Sie sich, dass der Standort Deutschland nicht mehr attraktiv ist und sogar Firmen vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Sie haben den Ärzten gedankt in der Pandemie. Aber das Erste, was Sie nach der Pandemie gemacht haben, war, die Neupatientenregelung, also eine zusätzliche Vergütung für neue Patienten, abzuschaffen, und dann wundern Sie sich, dass Ihre Politik voller Widersprüche niemand mehr in diesem Hohen Hause versteht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will Ihnen auch sagen, lieber Herr Staatssekretär Edgar Franke – er ist stellvertretend für den Bundesgesundheitsminister anwesend –: Ich habe manchmal das Gefühl, dass sich der Bundesgesundheitsminister gegenüber Bundesfinanzminister Christian Lindner nicht durchsetzen kann. Das ist so, als ob Christian Lindner wie Dagobert Duck auf dem Geld sitzt und der Bundesgesundheitsminister kriegt es nicht auf die Reihe, für diese Vorhaben das Geld zu besorgen, das ins System gehört. Man kann es auf den Punkt bringen: Der Bundesgesundheitsminister ist wie ein Boxer, der oberhalb seiner Gewichtsklasse boxt
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dieses Wirrwarr an Metaphern!)
und dann aber nicht auf Chancen setzt, nicht auf Trainer hört, auf Experten erst recht nicht, und sich dann wundert, dass er hier ständig eine Abfuhr und Niederlagen kassiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir wissen, was jetzt gleich in der Aktuellen Stunde hier passieren wird. Jetzt wird sich die Ampel sicherlich wieder loben: Es gebe doch ein Gesetz gegen Lieferengpässe, das jetzt in die Beratungen eingebracht werde. Ich darf nur sagen: Herzlichen Glückwunsch!
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Herzlichen Dank!)
Sie bringen im Sommer ein Gesetz ein für ein Problem, das seit letztem Winter besteht.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, seit 2011!)
Alle Achtung, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und es wird ja noch besser: Wir hatten am Montag eine Anhörung zu diesem Gesetz. Ihre Kernpunkte sind von sämtlichen Experten zerrissen worden; sie teilten unsere Kritikpunkte, die wir in den Ausschussberatungen ständig vorgetragen haben. Deshalb ist das, was Sie hier an Performance bringen, einfach zu wenig, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden gleich über die Anhörung!)
Jetzt werden wir gleich erleben, dass wieder die Vorhaltungen kommen: Ja, die Union hat in den letzten Jahren doch quasi allein regiert.
(Lachen der Abg. Heike Baehrens [SPD])
Da kann ich Ihnen sagen: Nein, das war nicht der Fall.
(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Wir haben mit Ihnen von der SPD, mit Karl Lauterbach als federführendem Gesundheitspolitiker in den letzten acht Jahren viele gute Dinge auf den Weg gebracht. Im Rahmen der europäischen Ratspräsidentschaft –
Kommen Sie bitte zum Schluss.,
– hat Deutschland unter Jens Spahn immer Initiativen in dem Bereich gebracht. Aber was haben wir diesmal erlebt? Einen Aktionsplan auf EU-Ebene. Das hat Belgien vorangetrieben; aus Deutschland kam nichts.
Lieber Herr Kollege Sorge, wir sind in der Aktuellen Stunde.
Meine Damen und Herren, kommen Sie ins Regieren. Regieren heißt nicht Jammern, Regieren heißt Handeln. Insofern: Tun Sie endlich was!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es gibt eine Meldung der AfD zur Geschäftsordnung.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554918 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Zunehmender Medikamentenmangel |