Manfred TodtenhausenFDP - Aktuelle Stunde - Zunehmender Medikamentenmangel
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, mit Ihrer Aktuellen Stunde haben Sie ein Thema aufgegriffen, mit dem sich die Politik regelmäßig beschäftigt. Zuletzt haben wir hier im Mai – das ist gerade mal drei Wochen her – darüber diskutiert. Uns allen ist klar: Die Arzneimittelversorgung ist gerade in Deutschland als ehemaliger „Apotheke der Welt“ sehr wichtig. Das weiß die Bundesregierung, und das nimmt sie sehr ernst. Deshalb ist es schade, dass Sie das Thema hier ausnutzen, um ein paar Schlagzeilen zu produzieren und das Problem der Ampelkoalition zuzuschreiben. Das hilft uns nicht weiter, und es stimmt ja auch nicht. Es gibt genügend Beispiele aus der Zeit, als Sie Regierungsverantwortung hatten. Ich sage nur: Maskenversorgung zu Beginn der Coronapandemie. Erst waren keine da, dann machten einige Ihrer ehemaligen Kollegen daraus ein Geschäftsmodell. Aber wir erinnern uns: Das Problem der Arzneimittelversorgung trat erst richtig zutage, als China infolge der Pandemie Firmen und Häfen schloss. Das passierte noch während Ihrer Regierungszeit.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns lieber über Fakten sprechen und nicht länger gegenseitige Schuldzuweisungen machen. Ja, wir haben in einigen Bereichen eine Mangellage, etwa bei der Produktion von gewissen Generika. Aber die Gründe kennen Sie. Die nötigen Rohstoffe und die Grundmittel kommen häufig aus China oder Indien und fehlen. Genau diese Monopolstrukturen müssen wir durchbrechen und unsere Lieferketten ausweiten sowie im Sinne der Nationalen Sicherheitsstrategie die Produktion in Europa, aber auch in Ländern wie Thailand oder Indonesien stärker in den Fokus nehmen, wo Medikamente am günstigsten sind.
Meine Damen und Herren, in einer global aufgestellten Wirtschaft, die von Wettbewerb lebt, muss es natürlich eine Abwägung geben, und zwar zwischen Effizienz auf der einen und Versorgungssicherheit auf der anderen Seite. Das ist nicht nur Sozialpolitik, sondern auch Wirtschaftspolitik. Deswegen rede ich heute nicht als Gesundheitspolitiker – davon habe ich viel zu wenig Ahnung –, sondern ich rede als Wirtschaftspolitiker.
Hohe Gesundheitskosten bedeuten auch hohe Lohnnebenkosten, und das wiederum verteuert den Faktor Arbeit. Schon jetzt ist uns unsere Gesundheitspolitik sehr lieb, aber auch sehr teuer – teurer als in vielen Nachbarstaaten, etwa den Niederlanden. Gleichzeitig war dort die Versorgungslage lange besser als bei uns, und das nicht nur beim Fiebersaft für Kinder. Das Problem ist also vielschichtig und nicht über Nacht zu lösen. Aber es gibt Möglichkeiten.
Ein Beispiel: Wenn wir es schaffen, mit unseren Partnern in der Europäischen Union Konzepte und Strategien zur Bevorratung von notwendigen Medikamenten und Grundrohstoffen zu entwickeln, dann kommen wir einer Antwort auf diese Frage deutlich näher.
Ein Vorschlag: Je nach Art des Medikaments könnte strategische Bevorratung dadurch angereizt werden, dass die Medikamente erst dann verzollt werden, wenn sie dem Lager entnommen werden. Wenn wir gleichzeitig den üblichen Puffer der Pharmalieferkette von 180 bis 220 Tagen auch auf die Grundstoffe erweitern, könnten wir Engpässe in der Produktion hierzulande eher vermeiden.
Um in Deutschland selbst in Zukunft mehr Medikamente zu produzieren, sind auch hier wie in anderen Bereichen zügige und rechtssichere Genehmigungsverfahren nötig. Dazu muss die deutsche wie die europäische Regulierung angepasst werden. Meine Damen und Herren, über solche Punkte gilt es nachzudenken und weitere Reformschritte im Gesundheitsbereich anzugehen.
An dieser Stelle möchte ich mich abschließend bei den Apothekerinnen und Apothekern bedanken, die für ihre Kunden, für die Patienten da sind, sie gut beraten und bei Bedarf eigenhändig Medikamente herstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])
Insofern macht der gestrige Streiktag sicher klar, wie wichtig Apotheken für die Gesundheit und die Versorgung der Bevölkerung sind. Mein Appell: Wenn wir Apotheken entlasten wollen, dann müssen wir zuallererst Bürokratie abbauen und die Digitalisierung vorantreiben; denn das hält sie von ihrer eigentlichen Arbeit ab.
Das alles sind Punkte, die sich die Koalition schon längst vorgenommen hat und an denen die Bundesregierung arbeitet. Die Opposition ist aufgerufen, zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger dabei mitzumachen.
Vielen Dank. Und bleiben Sie gesund!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und für die Unionsfraktion hat das Wort Stephan Pilsinger.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554930 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde - Zunehmender Medikamentenmangel |