Jörg NürnbergerSPD - Gesetzentwürfe zur Wahl zum Europäischen Parlament
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher/-innen! Während in manchen öffentlichen politischen Diskussionen die Sprinter den Ton angeben und in den sozialen Netzwerken ähnliche Diskussionen eine Halbwertszeit von ein paar Stunden haben, ist die praktische politische Arbeit häufig eher wie ein Marathonlauf oder mit einer mehrtägigen Radtour – eher mein Sport – zu vergleichen. Da gibt es gute, flüssige Passagen, wo alles vorangeht, und natürlich auch die eine oder andere schwierige Phase, wo man kämpfen muss.
Das trifft auf den Direktwahlakt und seine Ratifizierung durchaus zu. Heute befinden wir uns auf der Zielgeraden und sehen auch schon die Ziellinie vor uns. Was mich besonders freut, ist die Tatsache, dass die Läufer/-innen der demokratischen Mitte dieses Hauses das Ziel gemeinsam erreichen wollen.
(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Der linke und der Rechtsaußen-Teil bleiben zurück oder wollten vielleicht erst gar nicht bei diesem Wettbewerb mitmachen. Manchen ist Europa einfach fremd. Gerade in der Frage von Wahlen ist es aber gut, dass hier eine Übereinstimmung in der Mitte des Hauses besteht.
Ich kann sagen – da gibt es ja das ein oder andere Vorurteil von der konservativen Seite –, dass wir von der Ampel bei diesem Thema politisch, aber auch persönlich hervorragend zusammengearbeitet haben. Mein Dank gilt der Kollegin Chantal Kopf und dem Kollegen Valentin Abel. Das hat gut funktioniert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Mein geschätzter Kollege Axel Schäfer hat in seiner Rede bereits viele wichtige Punkte angesprochen und aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung die notwendige historische Einordnung geliefert und sich auch mit den entsprechenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts befasst.
Ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren – ich schließe da an die Redner der Union an – und mich zunächst auf die Sperrklausel beziehen. Mit der Ratifikation Deutschlands fehlen – das wurde mehrfach ausgeführt – allein noch Spanien und Zypern. Dann werden alle EU-Mitgliedstaaten gemeinsam den Weg freigemacht haben für die wichtige und notwendige Reform der Europawahlen. Zu der Sperrklausel von mindestens 2 Prozent und höchstens 5 Prozent besteht hier im Hause, in der Mitte zumindest, insoweit Übereinstimmung, dass sie notwendig ist, um die Arbeitsfähigkeit des Europäischen Parlaments sicherzustellen. Kollege Abel aus der FDP-Fraktion hat das ganz eindrücklich ausgeführt. Es hilft nicht, wenn ein Parlament sich immer weiter zersplittert, weil am Ende nur noch die mathematischen Mindestanforderungen erfüllt werden müssen, um ein Mandat im Europaparlament zu erlangen.
Das Grundgesetz, das hier durch die Auslegung des Bundesverfassungsgerichts als Hemmschwelle wahrgenommen wird, bereitet aber in seiner Substanz den Weg für eine weitere und tiefer gehende Integration in Europa vor. Insofern kann ein Wahlrecht, das sich daran anlehnt und diese Integration mit vorbereiten will, nicht verfassungswidrig im Sinne unserer demokratischen Grundordnung in Deutschland sein.
(Lachen des Abg. Fabian Jacobi [AfD])
Wir haben – das ist von mir bereits im Europaausschuss angeführt worden – auch der Union die Hand entgegengestreckt. Nach Ratifizierung durch den letzten Mitgliedstaat – es ist tatsächlich notwendig, Herr Kollege, dass wir diesen Zeitpunkt abwarten; denn wir können die übernächste Wahl nicht von 2018 aus definieren, sondern erst ab dem Zeitpunkt, wo der EU-Wahlakt in Kraft tritt, nämlich nach der Ratifizierung – werden wir schauen, dass wir bei der nächsten Europawahl –
(Tobias Winkler [CDU/CSU]: 24!)
da differieren wir in der Ampel vielleicht etwas –, 2029, diesen Umsetzungsbeschluss schon gemeinsam hier im Parlament beschlossen haben werden. Ich freue mich auf die Diskussion.
An dieser Stelle möchte ich noch einen Punkt aufgreifen, der vielleicht etwas juristisch klingt, aber für mich trotzdem einen Anhaltspunkt bietet, in Zukunft die Diskussion darauf zu fokussieren, wie wir weiter umgehen wollen mit der Ratifizierung von Vorlagen aus dem Europaparlament bzw. den europäischen Institutionen. Die Gutachter Professor Mayer von der Universität Bielefeld und Professor Sauer von der Universität Bonn haben uns ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir uns unnötig selber beschränken würden, wenn wir in Zukunft jede dieser Maßnahmen derart definieren, dass sie automatisch die Notwendigkeit erzeugen, dass zwei Drittel dieses Hauses diesen Maßnahmen zustimmen müssen. Ich glaube, da würden wir uns selber Hindernisse auferlegen, die so nicht angemessen sind und wodurch die europäische Integration unnötig gehemmt wird. Ich freue mich, wenn wir heute in der Lage sind, diesen Direktwahlakt hier im Hause mit einer Zweidrittelmehrheit zu ratifizieren, würde mir aber wünschen, dass wir das in Zukunft einfacher gestalten können.
Schließen möchte ich mit der Bemerkung: Wir haben einen kleinen Berg als Zwischenetappe bei unserer Tour d’Europe erreicht. Wir sollten uns für die Zukunft ambitioniertere Ziele setzen und dementsprechend die Umsetzung des Direktwahlaktes 2022 anvisieren. Wenn wir das erreichen, dann haben wir, glaube ich, eine gute Wegstrecke hinter uns gebracht und Europa nach vorne.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Fabian Jacobi für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7554971 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 109 |
Tagesordnungspunkt | Gesetzentwürfe zur Wahl zum Europäischen Parlament |