16.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 110 / Tagesordnungspunkt 7

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Nationale Sicherheitsstrategie

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja schön, dass ein früherer Minister der Grünen der Union 30 Sekunden seiner zwei Minuten widmet.

(Heiterkeit der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])

Aber ich möchte lieber einen Gedanken der amtierenden Außenministerin aufgreifen, die nämlich sagte, die Sicherheitsstrategie sei ein Spiegel. Ja, das ist richtig, aber ich glaube, in einem anderen Sinne, als Sie es vielleicht gemeint haben. Schauen wir auf die Regierungsbank: Es fehlt das Bundeskanzleramt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir wollen, dass diese Nationale Sicherheitsstrategie die gesamte Rückendeckung hat, muss auch das Kanzleramt hier vertreten sein. Ich rieche da eher etwas Argwohn; denn der SPD-Innensenator von Hamburg, Andy Grote, sagte, das sei keine Sicherheitsstrategie, sondern eine Sicherheitsbroschüre ohne praktischen Wert.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wo ist er denn, der Andy?)

Wir als Union sind da konstruktiver. Wir möchten – und das gehört zu dem Spiegel auch dazu – die Facetten breiter machen. Jürgen Hardt hat ja sehr konstruktiv die Unterstützung angeboten; ich komme am Ende meines Beitrages darauf zurück.

(Jürgen Coße [SPD]: Fangen Sie doch damit an! Das ist interessant!)

Es fehlt in dieser Nationalen Sicherheitsstrategie ein ganz klarer Wille und eine ganz klare Prioritätensetzung, dass wir es nämlich schaffen, die regelbasierte Ordnung zu stärken. Stattdessen wird bereits ihr Zerfall hingenommen mit der sehr bitteren Aussage des Bundeskanzlers schon im Vorwort: „... die Welt des 21. Jahrhunderts ist multipolar.“ Genau das müssen wir verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Karamba Diaby [SPD]: Die CDU weiß alles besser!)

Wir müssen erreichen, dass wir in dem Wettbewerb zwischen regelbasierten Staaten und autoritären Staaten – wie Nordkorea, wie Iran, wie das von der Ukraine bekämpfte Russland und wie China – den Staaten, die eine Wahl haben, die sich noch entscheiden wollen – wie Indien, gut dass der Verteidigungsminister dort war; wie Südafrika –, die Wahl leichtmachen und sie nicht einordnen in eine multipolare Welt, nach dem Motto: Die werden das schon richten.

Es ist vielmehr unsere Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass die regelbasierten Staaten zusammenstehen. Und wenn Deutschland eine Führungsaufgabe übernehmen will, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann geht es doch um die Scharnierfunktion, die derzeit fehlt, nämlich dass wir die Sicherheitsbedenken und Bedrohungen der osteuropäischen Länder mit den Fragen der Klimaanpassung und des Migrationsdrucks in Südeuropa zusammenbringen. Das wäre deutsche Führungsaufgabe!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann könnte man auch, liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, die Sisyphusarbeit mit dem Finanzminister etwas konturierter gestalten; denn dann, wenn man priorisiert, hat man auch mehr Finanzmittel für das, was nötig ist. Und was ist nötig? Ich will es mal ganz praktisch ansprechen. Wenn wir als Staat wirklich prioritär die Wehrhaftigkeit erhöhen wollen, verstehe ich nicht, warum nicht zumindest die SPD einen Vorschlag des Bundespräsidenten aufgegriffen hat, über eine Ausweitung des Freiwilligendienstes oder eines Gesellschaftsdienstes nachzudenken. Warum?

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Keine Zwangsdienste!)

In diesen knappen Ressourcen, im demografischen Wandel, bei all den notwendigen Herausforderungen in den Blaulichtorganisationen und in den Streitkräften brauchen wir eine zivile Reserve und eine militärische Reserve, und die muss finanziert werden. Aus dem BMVg höre ich – lieber Kollege Hitschler, vielleicht können Sie das sicherstellen –, dass man dann kein Weißbuch mehr braucht, weil man die Nationale Sicherheitsstrategie hat. Aber wenn dort die Begriffe „militärische Reserve“ und „zivile Reserve“ keine Erwähnung finden, dann wird der Finanzminister das auch nicht finanzieren.

Deshalb zum Angebot aus der Union. Lasst uns darüber nachdenken, wie wir in der Debatte über die Umsetzung der Nationalen Sicherheitsstrategie konstruktiv erreichen, dass solche ungelösten, vielleicht auch im Koalitionsstreit bewusst liegengebliebenen Fragen aufgegriffen werden können. Da ist die Frage, wie wir beispielsweise ein parlamentarisches Gremium einrichten, das die Umsetzung begleitet und kontrolliert, oder wie wir beispielsweise in der Erarbeitung eines Nationalen Sicherheitsrates überlegen, Frau Ministerin, wie wir den Bundessicherheitsrat aufwerten. Da ist auch die Frage, ob im Zusammenwirken von Außenministerium, Innenministerium, Verteidigungsministerium vielleicht eine beamtete Staatssekretärin aus dem Außenministerium oder ein beamteter Staatssekretär aus dem Innenministerium die Koordinierung dieses Sicherheitsrates im Kanzleramt übernimmt. Aber dazu braucht man politischen Gestaltungswillen, und den vermissen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich glaube, dass es uns daran gelegen sein muss, hier in diesem Haus ein Zeichen zu setzen und nicht nur auf die deutsch-französische Partnerschaft zu vertrauen. Denn wenn dieser Krieg vorüber ist, dann wird dieses Europa östlicher, skandinavischer, verteidigungsbereiter, agiler und transatlantischer sein. Die baltischen Staaten, die skandinavischen Staaten und die mittel- und osteuropäischen Staaten sehen, dass Deutschland in dieser Frage nicht die Scharnierfunktion übernimmt. Wir sollten uns an die Spitze dieser Bewegung setzen. Es ist noch heilbar, wenn wir jährlich im Bundestag über die Sicherheitsstrategie sprechen, wenn wir die Umsetzung vom Bundestag aus begleiten und gemeinsam konstruktiv für diese Verbesserungen und ein besseres Standing unseres Landes in Europa und in der Welt sorgen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Hitschler jetzt das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555145
Wahlperiode 20
Sitzung 110
Tagesordnungspunkt Nationale Sicherheitsstrategie
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