Klaus MackCDU/CSU - EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das, was der sozialdemokratische EU-Kommissar Frans Timmermans hier vorgelegt hat, ist völlig unausgegoren. Die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur belastet unsere Landwirtschaft, sie beschneidet massiv unseren Wirtschaftsstandort, und sie greift tief in die kommunale Selbstverwaltung ein. Das ist ein Durchregieren Brüssels bis auf die kommunale Ebene. Die Bundesregierung wollte das hier einfach stillschweigend hinnehmen. Das lassen wir Ihnen aber nicht durchgehen. Wir fordern Sie auf: Stoppen Sie diese Verordnung in Brüssel, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Bereits zwei Ausschüsse haben im Europäischen Parlament die Reißleine gezogen und gegen die Verordnung gestimmt. Warum? Weil der Vorschlag unpräzise und schlecht ist. Und ich frage mich: Wo ist denn unsere Bundesregierung? Wer vertritt eigentlich unsere nationalen Interessen auf EU-Ebene?
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Frau von der Leyen nicht!)
Normalerweise passiert das im deutsch-französischen Tandem, aber da scheint das Fahrrad schon seit Monaten verrostet zu sein. Und unsere Umweltministerin – mit Verlaub, Frau Lemke – scheint vor lauter Naturschutz den Blick für die Menschen verloren zu haben. So geht das nicht, meine Damen und Herren. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich für praxisnahe Lösungen im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger einsetzt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich haben wir Verantwortung für unsere Schöpfung. Aber wir können doch nicht in unserer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturlandschaft das Rad komplett zurückdrehen und einen Zustand wiederherstellen, der irgendwo in den 1950er-Jahren liegt. Wissen Sie noch, wie die Flüsse 1950 ausgesehen haben? Ich kann mich noch gut an Klaus Töpfer erinnern, der als Umweltminister 1988 durch den Rhein geschwommen ist. Warum tat er das? Weil das Wasser da zum ersten Mal wieder sauber war.
Oder der Waldumbau. Es ergibt doch keinen Sinn, unsere Wälder wieder in einen Zustand zu versetzen, der irgendwo in der Vergangenheit liegt.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Herstellung der Funktionsfähigkeit, nicht um ein historisches Bild!)
Wir müssen unsere Wälder umbauen, ja, aber hin zu resilienten Wäldern, die dem Klimawandel angepasst sind. Wir brauchen doch am Ende mehr Wirtschaftswald, um mit dem Holzwohnungsbau CO2 zu binden. „ Schützen durch Nützen“, das muss unsere Devise sein, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie gehen auch von völlig falschen Annahmen aus. Wie kann es sein, dass man alle EU-Mitgliedstaaten pauschal gleichsetzt? Die Länder der EU haben unterschiedliche natürliche Voraussetzungen. Bevölkerungsdichte und Gebietsnutzungen unterscheiden sich. Sie müssen also auf eine faire Verteilung der Lasten drängen. Legen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen beiseite, und verhandeln Sie in Brüssel im Sinne der Menschen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Niclas Gesenhues [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen nicht mal verhandeln!)
Bis 2050 sollen auf allen geschädigten Ökosystemen Wiederherstellungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ja, was heißt das denn in einer Kulturlandschaft, in der es faktisch keine unberührten Gebiete mehr gibt? Der Deutsche Bauernverband hat es mal ausgerechnet: 4,8 Millionen Hektar Produktionsflächen sind betroffen. Das ist ein Viertel aller Felder in Deutschland. Das würde doch dazu führen, dass eine landwirtschaftliche Produktion bei uns de facto eingestellt werden muss. Und für den Fall, dass die Landwirte die Flächen nicht freiwillig hergeben, wurden ja die Ordnungsmaßnahmen gleich mit in die Verordnung aufgenommen. Entschädigungen soll es geben, ja, fünf Jahre lang. Und dann? Das ist faktisch eine Enteignung von privatem Eigentum auf Raten. Das können Sie doch als Regierung nicht einfach so laufen lassen. Ich erwarte, dass Sie unseren Landwirten zur Seite stehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das erwarten wir!)
Und dann die Kommunen: Sie sollen Wohnraum schaffen, Flüchtlinge unterbringen, man will Produktionen nach Deutschland zurückholen. Ja, aber wohin denn? Schon jetzt sind doch viele Gemeinden in ihrer Entwicklungsmöglichkeit komplett eingeschränkt. Wenn Sie jetzt neben den bestehenden FFH- und Landschaftsschutzgebieten noch weitere Flächen unter Schutz stellen, ist eine Entwicklung faktisch nicht mehr möglich. Sie blockieren den ländlichen Raum und erklären ihn zu einem flächendeckenden Heimatmuseum – Deckel drauf und fertig. Aber nicht mit uns, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja auch ohnehin falsch! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit! – Gegenruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Leuten schon wieder Angst mit Falschnachrichten machen! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Das sind keine Falschnachrichten! Das ist die Wahrheit!)
Das Beste: In den Städten soll bis 2050 5 Prozent mehr Grünfläche geschaffen werden, als heute vorhanden ist – ohne Rücksicht darauf, wie viel Grünfläche schon da war. Das ist ungefähr so wie in der Kindergeschichte, in der ein Goldfisch, ein Hund, eine Robbe, ein Elefant und ein Affe die für alle gleiche Prüfungsaufgabe bekommen, nämlich auf einen Baum zu klettern: vermeintlich gerecht, aber eben praxisuntauglich. Ich frage mich nur, warum das in der Bundesregierung noch niemandem aufgefallen ist.
Die Verordnung will gar vorschreiben, wie viel Bäume in einer Stadt gepflanzt werden müssen. Meine Damen und Herren, das ist ein klarer Angriff auf die kommunale Selbstverwaltung. Jeder Gemeinderat in Deutschland weiß selbst, ob ein Radweg oder eine Baumallee in einer Stadt wichtiger ist. Das geht weder Brüssel noch Berlin etwas an.
(Zuruf des Abg. Andreas Bleck [AfD])
In diesem Zusammenhang sollten Ihnen die Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände zu denken geben. Dort werden erhebliche bürokratische Aufwendungen befürchtet; ein erheblicher Personal- und Ressourcenaufwand wäre nötig. Das können Sie doch nicht einfach ignorieren. Reden Sie mit den Bürgermeistern vor Ort, und lassen Sie die Gemeinden nicht wieder im Regen stehen! Es reicht eben nicht aus, wenn Sie sich nach dem Laissez-faire-Prinzip einfach zurücklehnen und die Politbiologen in Ihren links-grünen Reihen darauf hoffen, dass es schon so schlimm nicht kommen wird.
(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oijoijoi! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind „Politbiologen“?)
Herr Gesenhues, ich halte es schon für bedenklich, dass Sie uns hier einfach in die rechte Ecke stellen, nur weil wir Ihre grünen Ideologien nicht teilen. Letztendlich geht es doch darum, dass es möglich sein muss, auch Kritik zu üben. Wir tun das und lassen uns da auch nicht beirren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Beleidigung und keine Kritik!)
Wir brauchen eine Ausgewogenheit zwischen dem Schutz der Biodiversität, menschlicher Nutzung unserer Kulturlandschaft und einer wirtschaftlichen Weiterentwicklung.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das die Kommissionspräsidentin? Politbiologin und links-grün? Es ist doch Ihre Präsidentin! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Die Gesetze werden vom EU-Parlament gemacht und vom Rat! – Gegenruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wem ist denn der Entwurf?)
Was wir nicht brauchen, ist eine rückwärtsgewandte Verordnungspolitik mit dem Holzhammer. Wir brauchen keine Käseglocke über ganz Deutschland, sondern Naturschutz mit Verantwortung für die Menschen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat Dr. Lina Seitzl für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555198 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur |