21.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 111 / Zusatzpunkt 1

Anja SchulzFDP - Aktuelle Stunde: Rentenanpassung Ost/West

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Rentenangleichung ist nicht nur eine Frage finanzieller Fairness, sondern auch ein weiterer Schritt zur Stärkung der Einheit und des Zusammenhalts in unserem Land. Das ist heute wichtiger denn je.

Seit der Wiedervereinigung vor mehr als drei Jahrzehnten haben wir beträchtliche Fortschritte bei der Vereinigung von Ost und West erzielt. Wir haben viele Herausforderungen gemeistert. Aber trotz aller Bemühungen blieb die Rentenangleichung eine bedeutsame Angelegenheit. Die Menschen im Osten Deutschlands haben nach der Wiedervereinigung große Anstrengungen unternommen, um ihre Regionen wirtschaftlich zu entwickeln und aufzuholen. Sie haben hart gearbeitet und zur Gesamtentwicklung unseres Landes beigetragen. Die vorzeitige Rentenangleichung ist also ein Erfolg, der nicht zuletzt mit der positiven Lohnentwicklung in Ostdeutschland zusammenhängt. Es ist an der Zeit, dass diese Leistungen auch in Form einer gleichen Rente anerkannt werden. Das schaffen wir jetzt sogar ein Jahr früher als geplant.

(Beifall bei der FDP und sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zur Anerkennung der Leistungen der Menschen in Ostdeutschland gehört auch, die neuen Bundesländer nicht immer konsequent schlechter zu machen, als sie eigentlich sind. Ja, zur Wahrheit gehört, dass im Osten die Gehälter immer noch niedriger sind als im Westen; aber in den letzten 30 Jahren sind die Löhne im Osten doppelt so stark gestiegen. Ja, in den neuen Bundesländern sind mehr Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen; aber die Quote hat sich auch dort in den letzten 30 Jahren halbiert. Ja, die allermeisten der erfolgreichen Unternehmen sind in Westdeutschland angesiedelt; aber der Osten mausert sich. Internationale Konzerne wie Intel, Tesla und Co haben es gemerkt, einige Parteien offenbar noch nicht.

Gerade jetzt, wo endlich die vollwertige Integration der Ostrenten in das deutsche Rentensystem erfolgt ist, gerade jetzt, wo die Rente nicht mehr unterscheidet, ob ich aus Celle oder aus Cottbus komme, gerade jetzt dürfen wir das Rentensystem nicht an die Wand fahren. Denn das nächste Problem mit einem enormen Spaltungspotenzial steht bereits mit einem Fuß auf der Türschwelle. Wir steuern darauf zu, unseren Kindern ein mit Beiträgen nicht zu finanzierendes Rentensystem zu übergeben,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach! Die Märchenstunde! Das ist ja fast nicht mehr auszuhalten! – Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

das zusätzlich noch an allen Ecken und Enden mit Steuergeld unterstützt werden muss, derzeit mit knapp 100 Milliarden Euro. Das Geld fehlt für dringende Investitionen, zum Beispiel im Bereich Bildung. Und während die Jungen gerade für ihre Großeltern die wohlverdiente Rente bezahlen, resignieren sie, wenn es um ihre eigene Rente geht. Das dürfen wir nicht zulassen. Junge Menschen müssen in der Rentenpolitik mitgedacht werden und dürfen nicht nur dafür bezahlen.

(Beifall bei der FDP – Sepp Müller [CDU/CSU]: Tosender Applaus bei der SPD!)

Dazu gehört nicht nur, alte Fehler zu überdenken und Wahlgeschenke wie die Rente mit 63 zu hinterfragen,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war kein Geschenk! Die haben 45 Jahre gearbeitet! – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das war verdient! – Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

sondern auch, Innovationen zuzulassen. Das Generationenkapital als zweites Standbein für unsere gesetzliche Rente ist so eine Innovation. Der Kapitalmarkt macht uns unabhängig vom demografischen Wandel und hält den Beitragssatz in Zukunft stabil.

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ökonomischer Unsinn! Und die Erde ist eine Scheibe!)

Noch besser wäre allerdings eine richtige Aktienrente nach schwedischem Vorbild. Das wäre ein neuer, richtiger und wichtiger Ansatz.

(Zuruf des Abg. Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nicht ganz so innovativ, aber genauso wichtig ist ehrliche Kommunikation in Bezug auf die Rente. Die Bürger müssen frühzeitig wissen, worauf sie sich im Alter einstellen können. Es bringt nichts, ihnen weiterhin die unantastbare Leistungsfähigkeit eines Systems zu versprechen, das sich heute schon nicht mehr selber trägt.

Jedem muss klar sein: Die gesetzliche Rente wird ein solider Grundstock bleiben – allerdings auch nicht mehr. Ohne zusätzliche Vorsorge sieht es dunkel bis rabenschwarz aus, jedenfalls dann, wenn man seinen Lebensstandard im Alter behalten möchte.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil die Arbeitgeber nicht bezahlen wollen!)

Genau das sehen wir nämlich in Ostdeutschland. Auch vor der Angleichung waren die gesetzlichen Renten in Ostdeutschland deutlich höher als im Westen. Trotzdem ist das Gesamtalterseinkommen insgesamt niedriger. Warum? Es fehlt an privaten Renten, Wohneigentum und Vermögen und vor allem auch an Betriebsrenten. Auch wenn der Osten hier aufholt: Bei den Bemühungen der Vorgängerregierung, die betriebliche Altersvorsorge auszuweiten, wurden die neuen Bundesländer benachteiligt. Warum? Die Verbesserungen wurden an eine Sozialpartnerschaft geknüpft, die Tarifbindung im Osten ist allerdings deutlich geringer, als sie im Westen ist.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Problem!)

Das müssen wir in Zukunft besser machen.

(Sepp Müller [CDU/CSU]: Versucht doch mal, die Arbeitgeberverbände zu überzeugen! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihr seid doch für Allgemeinverbindlichkeit, oder?)

Die Freien Demokraten sind deswegen offen dafür, bei der betrieblichen Altersvorsorge auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen in dieses Modell der betrieblichen Altersvorsorge mitaufzunehmen. Alle drei Säulen müssen bei der Altersvorsorge funktionieren: privat, gesetzlich und betrieblich.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Dann macht euch doch mal auf den Weg! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Tut was!)

Deswegen freue ich mich, wenn, wie schon angekündigt, der Bundesminister das Rentenpaket II vorstellt und wir endlich mit dem Generationenkapital starten können.

(Stephan Stracke [CDU/CSU]: Was hat das jetzt mit der betrieblichen Altersvorsorge zu tun?)

Wir müssen ein Altersvorsorgesystem für alle schaffen: für die Menschen im Osten und im Westen, für Rentner und auch für diejenigen, die es irgendwann noch werden wollen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Matthias Birkwald hat das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555297
Wahlperiode 20
Sitzung 111
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Rentenanpassung Ost/West
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