21.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 111 / Zusatzpunkt 1

Jens TeutrineFDP - Aktuelle Stunde: Rentenanpassung Ost/West

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde mehrmals in der Debatte gesagt: Zum 1. Juli ist es so weit. Wir erleben nicht nur eine Rentenerhöhung, sondern wir schaffen es auch, dass endlich der Rentenwert von Ost und West angeglichen wird. Das ist eine super Nachricht für viele Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich glaube, zur Wahrheit gehört auch dazu – Politik sollte sich ehrlich machen –: Das ist jetzt nicht nur ein Akt der Politik. Das hat nicht die Politik jetzt den Menschen geschenkt. Die Rente ist nämlich keine Sozialleistung, sondern sie spiegelt die Lebensleistung von Menschen wider.

(Beifall bei der FDP)

Die Menschen haben es sich selbst erarbeitet, dass die Rentenanpassung kommt. Das hat nicht nur die Politik gemacht. Das gehört zur Wahrheit dazu, wenn der eine oder andere sich das auf die Fahne schreiben will.

Es ist auch bemerkenswert, dass die Rente zum zweiten Mal sehr stark erhöht wird: So hoch wie zuletzt 1983 wurde im letzten Jahr die Rente erhöht. 1983 war das Jahr, als Norbert Blüm Arbeits- und Sozialminister in Deutschland war. Und erneut erleben wir eine Rentenerhöhung so hoch wie in den letzten Jahrzehnten nicht.

(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Wir gönnen das jedem Menschen in diesem Land; jeder Euro ist wichtig.

Die Inflation wurde gerade angesprochen. Der eine oder andere fordert so wie die AfD, die Rente quasi an die Inflation zu koppeln. Sie haben in einem anderen Antrag gefordert, den Mindestlohn ebenfalls an die Inflation zu koppeln. Was wäre das Ergebnis? Das Ergebnis wäre am Ende eine Lohn-Preis-Spirale. Sie würde immer das Einkommen an die Inflation koppeln, die Menschen würden mehr ausgeben, und die Preise stiegen weiter. Das wäre das Ergebnis.

(Stephan Brandner [AfD]: Die Einkommen sollten stärker steigen!)

Deswegen ist es richtig, dass die Löhne und die Renten gekoppelt sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen wird es auch im nächsten Jahr wieder zu einer Rentenerhöhung kommen, weil wir ja bei den Tarifabschlüssen sehen, was da momentan beschlossen wird.

Zur Wahrheit gehört aber auch – da habe ich eine andere Einschätzung als die meisten Redner hier –, dass das umlagefinanzierte System an der einen oder anderen Stelle sehr schöngeredet wird. Wenn wir nämlich mal genau draufgucken, dann haben wir ein Problem, nämlich das Problem, dass 1960 sechs Beitragszahler einen Rentner finanziert haben,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 5,2 Beitragszahler!)

und jetzt sind es zwei Beitragszahler, die einen Rentner finanzieren. Das zeigt: Der demografische Wandel schlägt im Rentensystem zu, und er kommt nicht von ungefähr.

Wenn gesagt wird, das umlagefinanzierte System sei so stabil und Sie hätten sich in Ihrer Prognose geirrt, dann hilft ein Blick in den Bundeshaushalt. Im Bundeshaushalt ist ein Steuerzuschuss von 112 Milliarden Euro in das Rentensystem vorgesehen. Um das mal für den einen oder anderen verständlich zu machen: Der Etat für Bildung und Forschung beträgt 25 Milliarden Euro. Ich gönne jedem seine Lebensleistung, ich gönne jedem jeden Euro Rentenerhöhung.

(Gabriele Katzmarek [SPD]: Lebensleistung braucht man nicht zu gönnen!)

Aber die Frage ist: Ist das System nicht vielleicht aufgrund des demografischen Wandels aus der Zeit gefallen? Ist es richtig, dass wir allein auf die Umlagefinanzierung setzen?

Ich konnte viele Argumente mittragen, Frau Schimke: private Vorsorge, betriebliche Vorsorge, Eigentumsbildung stärken. Aber sind wir doch mal ganz ehrlich miteinander: Das Problem mit dem demografischen Wandel ist nicht erst in den letzten zwölf Jahren entstanden; das Problem ist seit Jahrzehnten vorhanden. Der Punkt, den Sie angesprochen haben, die schlechte Eigentumsquote im europäischen Vergleich, ist auch nicht in dieser Legislaturperiode entstanden,

(Zuruf des Abg. Stephan Stracke [CDU/CSU])

sondern war auch in Ihrer Amtszeit schon da. Deswegen ist es wichtig, dass die Ampel den Einstieg in mehr Kapitaldeckung schafft. Wir starten mit dem Generationskapital, indem wir sagen: Das umlagefinanzierte System allein ist nicht zukunftsfähig. Wir als Freie Demokraten streiten auch weiter, dass wir die Aktienrente nach schwedischem Vorbild installieren.

(Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen, es ist viel zu tun!)

Wir haben auch einige wichtige Dinge umgesetzt, beispielsweise die Einführung des Nachholfaktors, damit die Stabilität wichtig ist.

Der eine oder andere, der jetzt dazwischenbrüllt, könnte sagen, lieber Herr Birkwald: Ich habe mich geirrt. Frau Nasr hat ausgeführt – da haben Sie auch geklatscht –: Die Menschen in diesem Land haben ein sehr gutes Gerechtigkeitsempfinden. – Da stimmen Sie zu. Auch ich stimme vielen Punkten in der Analyse zum Gerechtigkeitsempfinden in Ostdeutschland zu.

Aber dann gucken wir doch mal in eine repräsentative Umfrage von INSA. Da wurden unter 40-Jährige befragt, ob sie glauben, dass sie selbst noch mal etwas aus der Rentenversicherung erhalten würden. Es haben 53 Prozent der unter 40-Jährigen gesagt: Ich glaube selbst nicht, dass ich jemals einen einzigen Cent aus der Rente bekomme.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da brauchen wir Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das habe ich auch mal gesagt!)

Und jetzt können Sie sagen: „Diese Menschen sind dumm,

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, die haben nicht genug Informationen!)

und deswegen ist ihr Gerechtigkeitsempfinden falsch. Deswegen brauchen wir Aufklärung“, oder Sie nehmen zur Kenntnis, dass der eine oder andere junge Mensch Ihre Einschätzung vom umlagefinanzierten System nicht teilt.

Herr Kollege.

Deswegen ist es wichtig, dass wir an der Regierung sind,

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

dass wir die Ampel auf Kurs halten und in die Kapitaldeckung einsteigen, –

Herr Kollege.

– damit das Rentensystem zwei Sachen berücksichtigt:

Herr Kollege.

Respekt vor Lebensleistung und –

Herr Kollege.

– Stabilität und Generationengerechtigkeit.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir müssen uns, wenn das so weitergeht, überlegen, dass wir, wie wir es bei Aktuellen Stunden machen, auch den nächsten Rednern Zeit abziehen. Wir werden dann streng sein müssen.

(Zuruf von der SPD)

– Wenn ihr nur einen Redner habt, dann werden wir das übertragen. Auch das bekommen wir hin.

Kathrin Michel hat das Wort für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555307
Wahlperiode 20
Sitzung 111
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Rentenanpassung Ost/West
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