Erik von MalottkiSPD - Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2022
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Petitionen sind unsere demokratische Lebensversicherung; denn sie sind ein entscheidendes Mittel gegen Politikverdrossenheit und Ohnmachtsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Die Funktion der Petition ist gerade in der politischen Kultur in Ostdeutschland wichtig, wo Parteien weniger verankert sind. Gerade hier können Petitionen Menschen helfen, die sich häufig ohnmächtig gegenüber politischen Entscheidungen fühlen. Ich möchte Ihnen deshalb von drei Petitionen, die ich in den letzten Monaten im Ausschuss bearbeitet habe, berichten, die genau das Gegenteil von Ohnmacht zeigen. Es geht um drei Frauen, die durch Petitionen die Möglichkeit der Mitbestimmung und Selbstermächtigung genutzt haben.
Ich bin mir sicher: Jeder und jede im Bundestag kennt die Sprach-Kitas, und dass das so ist, haben wir Wenke Stadach, einer Kitaleiterin aus der Neubrandenburger Oststadt zu verdanken.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der AfD und der LINKEN)
Als die Nachricht kam, dass es im Bundeshaushalt 2023 keine Mittel für die Sprach-Kitas mehr geben soll, hat sie mit ihrer Petition den Anstoß gegeben, damit sich im ganzen Land Erzieherinnen und Erzieher, Eltern, Verbände und Gewerkschaften zusammenschließen, um die Sprach-Kitas zu retten. Das Ergebnis: die erfolgreichste Petition des Jahres 2022 mit über 250 000 Unterschriften. Und diese Unterschriften wurden gehört. Der Bund hat eine Übergangsfrist bis Ende Juni 2023 geschaffen, und im Anschluss wird es in fast allen Bundesländern mit den Sprach-Kitas weitergehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenke Stadach hat als Petentin gezeigt, dass es möglich ist, mithilfe einer Petition einen Fehler der Politik zu korrigieren. Sie hat mit viel Herzblut und Einsatz ganz konkret vielen Familien und Kindern im Land geholfen.
Ich bin mir sicher, dass die Petentin Johanna Röh auch bald einen solchen Erfolg feiern kann.
(Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Johanna Röh ist Tischlermeisterin aus Niedersachsen und hat durch ihre eigene Schwangerschaft festgestellt, welche Probleme selbstständig tätige Frauen im Zuge ihrer Mutterschaft haben. Das Mutterschutzgesetz sichert nämlich bisher vor allem angestellte Frauen ab, und das ist eine Lücke, die wir dank Johanna Röh und ihrer vielen Unterstützer/-innen jetzt schließen werden.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Die Kampagne zur Petition hat dabei sehr viele Menschen weit über das Handwerk hinaus erreicht. Dank der Kampagne ist klar, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Deshalb wollen wir eine Reform des Mutterschutzgesetzes auf den Weg bringen. Ich bin mir sicher, dass diese Petition für viele selbstständig tätige Mütter etwas zum Positiven verändern wird.
Die letzte Petition, die ich heute vorstellen möchte, kommt ebenfalls aus Neubrandenburg. Renate Krajewski, die Petentin, ist Vorsitzende der Mitarbeitervertretung des Dietrich-Bonhoeffer-Klinikums Neubrandenburg und seit über 30 Jahren examinierte Krankenschwester. Seit Jahresbeginn ist die Behandlung von Extremfrühchen – das sind zu früh geborene Kinder, die bei Geburt unter 1 250 Gramm wiegen – am Bonhoeffer-Klinikum untersagt. Das Perinatalzentrum der Klinik hat die Mindestfallzahl für das Level 1 nicht erreicht; diese Mindestmengenregelung wurde erst 2021 durch die letzte Bundesregierung auf den Weg gebracht und führt nun dazu, dass gerade im ländlichen Raum die stationäre Versorgung von Extremfrühchen gefährdet wird. Auch deshalb hat das Behandlungsverbot viel Frustration und Wut ausgelöst. Die ganze Region bewegt dieses Thema, und in einer solchen Situation sind diejenigen nicht weit entfernt, die versuchen, aus dem Frust für ihre antidemokratische Agenda Kapital zu schlagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dass das nicht geklappt hat, verdanken wir auch Renate Krajewski.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Obwohl die Situation ausweglos schien, hat sie nicht aufgegeben. Über 100 000 Menschen haben ihr Anliegen unterstützt. In der öffentlichen Anhörung zur Petition hat sie gemeinsam mit dem Kinderarzt Sven Armbrust für mich ganz klar gemacht: Die Extremfrühchen in Neubrandenburg werden hervorragend behandelt. Die Frage der Versorgung im ländlichen Raum wurde bei der Einführung der Mindestmengenregelung im Jahr 2021 nicht genug gewürdigt. – Ich bin zuversichtlich, dass wir dank der Petition eine gute Lösung finden werden, nicht nur für die Klinik in Neubrandenburg, sondern für alle Krankenhäuser im ländlichen Raum.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Mich macht es besonders stolz, dass wir im letzten Jahr so erfolgreiche Petitionen aus Ostdeutschland hatten. Auch wenn es so manchem Multimilliardär und Zeitungsverleger nicht passt: Der Osten ist demokratisch und zeigt mit Hunderttausenden Unterschriften für Petitionen an den Deutschen Bundestag, dass das so ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN und des Abg. Philipp Hartewig [FDP])
Was verdeutlichen diese drei Petitionen aus dem letzten Jahr? Petitionen lohnen sich, sie können direkten Einfluss auf die Politik nehmen, und sie sind ein entscheidendes Mittel gegen Ohnmacht und Frustration. Petitionen sind gelebte Demokratie.
Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und des Abg. Dirk Brandes [AfD])
Und es geht gleich weiter mit einem Beitrag aus der SPD-Fraktion. Das Wort hat die Kollegin Annika Klose.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555342 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 111 |
Tagesordnungspunkt | Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses 2022 |