21.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 111 / Tagesordnungspunkt 4

Sandra WeeserFDP - Wohneigentumsförderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Beckamp, zu Ihren Ausführungen muss ich noch mal eines klarstellen. Diese Situation, die wir heute haben – die externen Effekte, hohe Zinsen; die Tatsache, dass Banken Kredite nicht mehr so leicht vergeben, etc. –, hatten wir in den 80er- und 90er-Jahren auch schon mal. Seinerzeit war es zum Teil sogar mit einem Salär möglich, dass man sich Eigentum schaffen konnte. Allerdings – und das gehört zur Wahrheit auch dazu – war damals die Sparquote höher, oder man ist vielleicht auch nicht so oft in den Urlaub gefahren und hat einfach mehr ins Eigentum investiert. Ich glaube, dass nur durch ein erhöhtes Angebot, mit dem die Preise entsprechend nach unten nivelliert werden, diese ganze Situation entschärft werden kann.

Ich finde es trotzdem gut, dass wir heute über das Thema Förderung von Wohneigentum diskutieren. Deutschland ist tatsächlich eine Nation der Mieterinnen und Mieter, und im europäischen Vergleich ist unsere Eigentumsquote in der Tat schlecht. So wohnen im EU-Durchschnitt circa 70 Prozent in ihren eigenen vier Wänden; in Deutschland sind es leider unter 50 Prozent, und die Tendenz ist weiter sinkend. Die Preise steigen immer weiter, vor allem in urbanen Gebieten, und das ist dann schlichtweg aus den vielen eben schon genannten Gründen nicht mehr zu leisten. Das gilt vor allen Dingen an den attraktiven Standorten.

Zudem ist die Situation für den Neubau historisch schlecht. Die jüngsten Zahlen zu den Baugenehmigungen belegen das eindrucksvoll: Wir haben aktuell einen Rückgang von 30 Prozent, und das ist höchst alarmierend. Wir haben keine Zeit mehr, uns hier mit der Problembeschreibung zu beschäftigen. Wir müssen schnell und pragmatisch den Hebel umlegen. Es muss einen Unterschied machen, eine starke Bauministerin in einem eigenen Bauministerium zu haben.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ein starker Finanzminister wäre auch gut!)

Wir brauchen jetzt ein konzentriertes Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen, Herr Luczak, und Ideen, die den Wohnungsbau beschleunigen. Ich glaube, die haben wir alle hier zuhauf; dazu haben wir eben schon viel gehört. Aber wir müssen das jetzt endlich auch mal auf die Baustelle bringen. Das haben wir als Ampel schon verstanden, liebe Union. Vielleicht nutzen Sie einfach den vorliegenden Antrag noch mal zu einer Selbstreflexion und Aufarbeitung Ihrer Regierungszeit.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir arbeiten hart daran, die Versäumnisse der letzten Jahre unter Ihrer Führung abzustellen. Wir als Ampel packen jetzt an und bringen den Fortschritt auf die Baustelle. Ganz oben auf der Liste steht da das überholte Baugesetzbuch, das endlich an die Realität angepasst wird. Das muss der Praxis dienen, und es darf die Praxis nicht erschweren. Dazu laufen aktuell auch schon die Workshops im Bauministerium. In den wenigen Jahren haben wir immer mehr statt weniger Vorschriften aufgebaut, und insbesondere die immer strenger werdenden energetischen Auflagen machen das Bauen komplizierter und teurer. Selbst Baurechtler blicken nicht mehr so wirklich durch.

Wir brauchen also viel mehr Handlungsspielräume und Flexibilität im Bauwesen. Deshalb wäre, um das Baugeschehen anzuregen, auch mal zu überlegen, für einen temporären Zeitraum vielleicht den EH-40-Standard für bestimmte Sachen auszusetzen.

(Zuruf von der AfD: Das ist interessant!)

Wir haben alle gelernt, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu EH 55 auch nicht wirklich gut ist. Wie gesagt, darüber können wir gerne sprechen.

(Marc Bernhard [AfD]: Begeisterungsstürme bei den Grünen!)

Dann haben wir noch das Dauerbrennerthema Planungsbeschleunigung. Bauen muss hier schlichtweg schneller werden, auch daran arbeiten wir. Aktuell sind die Genehmigungsprozesse doppelt so lang wie die generelle Bauzeit, und das ist, ehrlich gesagt, für ein Land wie Deutschland peinlich.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt, wir müssen unsere Bauämter und das Personal vor Ort endlich entlasten und ihre Arbeit in die Zukunft überführen. Und das heißt vor allen Dingen, Prozesse viel stärker zu digitalisieren und auch zu automatisieren. Da nenne ich das Stichwort „serielles Bauen“. Hier liegt extrem hohes Potenzial.

Und auch wenn es mittlerweile schon eine Floskel geworden ist, muss ich es noch mal sagen: Wenn ich in Mainz ein Haus genehmigt bekomme und es baue und ich möchte es auf der anderen Rheinseite, in einem anderen Bundesland, zum Beispiel in Wiesbaden, noch einmal bauen, dann kann es nicht sein, dass ich den ganzen Prozess nochmals wiederholen muss. Autos fahren in Deutschland auch auf allen Straßen und müssen nicht in jedem Bundesland eine neue Zulassung bekommen. Hier müssen wir ran.

All diese Erleichterungen und Gesetzesänderungen sind aber trotzdem wertlos – das muss man so sagen –, wenn sich niemand mehr dieses sogenannte Eigenheim leisten kann. Für die gesellschaftliche Mitte wird es auch in Randgebieten immer schwieriger, Wohneigentum anzuschaffen. Deswegen haben wir ja die Idee der Grunderwerbsteuer ins Spiel gebracht. Unser Finanzminister Lindner hat hier, wie ich finde, einen guten Vorschlag gemacht, weil damit den Ländern die Hand gereicht wird.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Welchen denn?)

– Ja, die Länder sind hier zuständig, Herr Dr. Luczak. – Natürlich kann man über alles sprechen, aber dann muss man vielleicht auch mal über die Umlage der Umsatzsteuer sprechen, die bei den Ländern ankommt. Insofern finde ich: Das ist ein nettes Instrument, womit die Länder die Nebenkosten senken können. Diesen Ball könnte man durchaus aufnehmen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch mal!)

– Ja, ich bin ja nicht im Land zuständig. – Hinzu kommt: Kommunen sind gefragt, mehr Bauland auszuweisen.

Frau Kollegin.

Ja, ich weiß, meine Zeit läuft ab. – Große Städte müssen Aufstockungen erleichtern, und wir gehen jetzt die Novellierung des Baugesetzbuches an. Dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht, liebe CDU/CSU. Dem stimmen wir auch nicht zu.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ist eben doch nichts mehr mit der Eigentumspartei FDP!)

Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN –. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Jetzt wird enteignet!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555366
Wahlperiode 20
Sitzung 111
Tagesordnungspunkt Wohneigentumsförderung
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