21.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 111 / Tagesordnungspunkt 5

Ann-Veruschka JurischFDP - Engagement in intern. Polizeimissionen 2020 und 2021

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst letzte Woche hat die Bundesregierung ihre Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, wohlgemerkt die allererste Nationale Sicherheitsstrategie. Damit wurde die Vereinbarung im Koalitionsvertrag umgesetzt, eine umfassende Nationale Sicherheitsstrategie zu erarbeiten.

Mit diesem Dokument legt die Bundesregierung das Fundament für ein neues, umfassendes Risikomanagement und Frühwarnsystem. Auch hier sorgt die Ampel in zentralen Aufgaben für Zukunftsfähigkeit.

Auf der inhaltlichen Ebene definiert die Nationale Sicherheitsstrategie das Primat von Krisenprävention. Explizit erwähnt sind dabei auch polizeiliche Mittel als einzusetzendes Werkzeug des Krisenmanagements. Das ist zumindest die Vision.

Doch die Realität ist noch eine andere: Zwar leisten seit über 30 Jahren deutsche Polizistinnen und Polizisten einen wertvollen Beitrag für Frieden, Sicherheit und Stabilität in Krisenregionen. Zwar sind unsere Beamtinnen und Beamten in Auslandseinsätzen aufgrund ihrer großen Kompetenz sehr, sehr geschätzt. Zwar interessieren sich auch viele Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sowie Zollbeamtinnen und Zollbeamte für einen Auslandseinsatz. Aber die Zahlen sind ernüchternd: Waren es 2020 noch 200 Beamtinnen und Beamte im Auslandseinsatz, davor auch einmal mehr als 300, so waren es zuletzt 137 in einem Jahr und im täglichen Durchschnitt ungefähr 65 Beamtinnen und Beamte.

Das ist sehr wenig und ein Trend in die völlig falsche Richtung. Damit können wir uns nicht zufriedengeben. Hier schlummert ein großes Potenzial für die internationale Krisenprävention im Sinne eines vernetzten Ansatzes. Gleichzeitig muss sich unsere Bundeswehr in der aktuellen Lage konsequent auf die Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung konzentrieren.

Meine beiden Ampelkollegen Marcel Emmerich und Sebastian Fiedler und ich sind in der letzten Sitzungswoche auf einer Veranstaltung gemeinsam der Frage nachgegangen, woran es denn hakt, dass die Zahl der an internationalen Polizeieinsätzen teilnehmenden Polizistinnen und Polizisten so niedrig und rückläufig ist. Die Antworten waren vielfältig: Insgesamt ist ein gewisser Rückgang bei multilateralen Polizeieinsätzen festzustellen; das ist so. Es gibt auch einen Bedarf an hochspezialisierten Beamtinnen und Beamten, die im Inland nicht ohne Weiteres entbehrt werden können. Und es braucht auch spezielle Sprachkenntnisse, zum Beispiel im frankophonen Afrika.

Aber es wurde auch die fehlende Kompatibilität mit Karrierewegen erwähnt, vor allem auch in den Bundesländern, die sich hier durchaus einmal bewegen müssten, um diese Kompatibilität herzustellen. Die fehlende Wertschätzung von Polizeieinsätzen ist auch ein Problem und – diese Einschätzung fiel auf unserer Veranstaltung immer wieder – der bisher und in der Vergangenheit oft fehlende politische Wille, internationale Polizeieinsätze wirklich aktiv und strategisch einzusetzen.

Die Nationale Sicherheitsstrategie spurt hier im Bereich des politischen Willens nun vor. Die Strategie bekennt sich zum gezielten Einsatz von Polizistinnen und Polizisten in internationalen Einsätzen der Krisenprävention und des Krisenmanagements. Ich denke, wir müssen hier schnell spezifischer werden und uns überlegen, einen dauerhaften Pool von rund 1 000 Beamtinnen und Beamten aufzubauen, die an einem Auslandseinsatz interessiert sind, die dafür trainiert sind und die auch kurzfristig herangezogen werden können. Netto im Einsatz sollten perspektivisch etwa 400 Beamtinnen und Beamte sein. Das ist zwar sehr, sehr viel mehr als jetzt, aber letztlich sind das auch nur – wir haben das ausgerechnet – 0,035 Prozent der deutschen polizeilichen Kräfte. Es ist also für die Länder und auch für den Bund mehr als verkraftbar. Das zur Konkretisierung des politischen Willens in quantitativ-organisatorischer Hinsicht.

Der politische Wille muss sich bei den internationalen Polizeimissionen aber auch in qualitativer Hinsicht zeigen. Jeder Auslandseinsatz muss sich aus unserer Nationalen Sicherheitsstrategie ableiten lassen. Jede Mission muss ein klares, realistisches Ziel verfolgen. Bei jeder Mission muss das Ineinandergreifen mit anderen deutschen Instrumenten – zivilen oder militärischen – geklärt sein. Und gerade in Krisenregionen muss von vornherein geklärt sein, wie lange die nichtmilitärischen Kräfte am Einsatzort verbleiben, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Bedingungen die Bundeswehr in welchem Umfang übernimmt und wie der Abzug der deutschen nichtmilitärischen Kräfte zu erfolgen hat.

Mit der Nationalen Sicherheitsstrategie ist auch für die internationalen Polizeimissionen ein erster und sehr wichtiger Schritt gemacht. Wir brauchen nun: erstens einen meines Erachtens mindestens 1 000 Personen starken Pool an einsatzbereiten Polizistinnen und Polizisten und entsprechende Bewegung auch bei den Bundesländern, zweitens strategisch – strategisch! – definierte Polizeimissionen mit klaren Zielen und einer klaren Exit-Strategie und drittens eine Institution wie einen Nationalen Sicherheitsrat, welcher die Ziele und die Strategie ressortübergreifend im Blick hat.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat die Kollegin Nicole Gohlke für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555383
Wahlperiode 20
Sitzung 111
Tagesordnungspunkt Engagement in intern. Polizeimissionen 2020 und 2021
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