Detlef MüllerSPD - Beschleunigte Genehmigungsverfahren Verkehrsbereich
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir heute in der absoluten Kernzeit zwei verkehrspolitische Debatten mit jeweils 68 Minuten führen. Das zeigt ja, welche Priorität dieses Thema im Deutschen Bundestag hat.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN und des Abg. Dr. Dirk Spaniel [AfD])
Und ich freue mich, dass wir heute den Entwurf des Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes endlich in erster Lesung hier im Plenum beraten und damit nun auch in die inhaltliche Bearbeitung dieses so wichtigen Vorhabens einsteigen können; denn trotz vier Planungsbeschleunigungsgesetzen in der letzten Legislaturperiode dauern Infrastrukturvorhaben in unserem Land immer noch zu lange.
Insbesondere auf dem Weg zum Planfeststellungsbeschluss verlieren wir viel zu viel Zeit – Zeit, die wir nicht haben, und Zeit, die wir uns auch nicht nehmen dürfen, wenn wir unsere klimapolitischen Ziele im Verkehrssektor erreichen wollen. Hierfür brauchen wir schnell mehr Kapazität auf der Schiene, und hierfür brauchen wir mehr Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Bei zentralen Infrastrukturen müssen wir zudem bei Sanierung und Ersatzneubau deutlich besser werden, um Verkehrsinfarkte zu vermeiden, und das gilt insbesondere bei Brücken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deswegen ist es absolut wichtig, dass wir jetzt ins Handeln kommen und die vom Kanzler zu Recht geforderte Deutschlandgeschwindigkeit auch im Verkehrsbereich Einzug hält.
Meine Damen und Herren, es liegt bereits ein längerer Prozess hinter uns, bei dem es zumindest öffentlich vor allem darum ging, ob und, wenn ja, welche Verkehrsprojekte im Autobahnbereich im überragenden öffentlichen Interesse liegen. Diese Diskussion seit Dezember hat unnötig viel Zeit gekostet und konterkarierte das geeinte Ziel der Beschleunigung. Der Koalitionsausschuss fand dann im März endlich einen guten Kompromiss.
Diese Diskussion geht auch an den eigentlich wichtigsten Punkten des vorliegenden Entwurfs vorbei. Der Großteil der benannten Infrastrukturmaßnahmen betrifft die Schiene und dabei insbesondere die Maßnahmen zur Umsetzung des Deutschlandtakts. Wir schaffen mit diesem Gesetz ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Schiene mit dem Ziel, ein kundenfreundliches und leistungsstarkes Angebot im Personennah- und ‑fernverkehr, aber auch im Schienengüterverkehr zu schaffen und die dafür nötige Infrastruktur schnell bereitzustellen.
Es geht in diesem Gesetz – das will ich deutlich sagen – um die Beschleunigung von Planung und Genehmigung. Es geht in diesem Gesetz nicht um Trassen, nicht um Minuten, nicht um Kilometer und nicht um Geschwindigkeiten. Aber, meine Damen und Herren, das sei hier ausgesprochen: Es geht um einen Infrastrukturkonsens: Was wird wann, wo und wie benötigt? Entscheidungen müssen transparent getroffen werden, und dafür muss dann in der Gesellschaft geworben, muss um Zustimmung gerungen werden. Das ist alles anstrengend, das ist schmerzhaft, aber eben auch notwendig.
Natürlich gibt es zu einzelnen Projekten Diskussionen. Die Diskussionen gibt es vor Ort, die gibt es in den Parteien, auch in den Fraktionen. Nur, man darf es sich auch nicht zu einfach machen. Sankt Florian oder – obwohl ich überhaupt kein Fan von Anglizismen bin – „Not in my backyard“ helfen überhaupt nicht weiter.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zwar grundsätzlich für eine Verkehrswende zu sein und auch den Deutschlandtakt zu wollen, aber, wenn es dann nach Jahren endlich konkret wird, zu sagen: „Aber nicht bei mir“, das hilft nicht und setzt die Zukunftsfähigkeit Deutschlands aufs Spiel.
Und ja, auch bei der Straße werden Maßnahmen beschleunigt, insbesondere diejenigen, die der Beseitigung von Engpässen auf Bundesautobahnen dienen; Herr Minister hat darauf hingewiesen. Ein besonderer und wichtiger Punkt ist dabei, dass Modernisierungen und Ersatzneubauten bei Brücken eine deutliche Beschleunigung erfahren werden; denn Verkehrsinfarkte wie bei der Rahmedetalbrücke auf der A 45 dürfen sich nicht wiederholen. 4 000 Brücken müssen bis 2030 modernisiert werden, und das ist eine Riesenaufgabe.
Der vorliegende Gesetzentwurf legt einen guten Grundstein für die schnellere Umsetzung von Infrastrukturprojekten. Aber selbst dieser Grundstein kann nur ein Anfang sein. Wir werden daher innerhalb der parlamentarischen Beratungen prüfen, welche der Empfehlungen der Beschleunigungskommission Schiene – es wurde in der vorherigen Debatte darauf hingewiesen – noch innerhalb dieses Gesetzes oder eben im Moderne-Schiene-Gesetz umgesetzt werden können. Dazu zählt beispielsweise die Beschleunigung von kleinen und mittleren Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung im Schienennetz.
Meine Damen und Herren, es gilt aber auch zu klären, wie ein Verzicht auf eine Einzelfalluntersuchung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses, bei Elektrifizierungsmaßnahmen beispielsweise, umgesetzt werden kann.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und ja, Herr Theurer, das ist kompliziert, und wir müssen da Gesetze anfassen, möglicherweise Gesetze, die nicht im Verkehrsbereich liegen, sondern, Herr Toncar, möglichweise im Finanzbereich. Haushaltsgrundsätzegesetz, Bundeshaushaltsordnung: Auch da werden wir rangehen müssen, wenn wir es ernst meinen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine Damen und Herren, wir müssen uns von alten Regeln trennen, alte Zöpfe abschneiden, wenn wir wirklich was erreichen wollen. Mir und meiner Fraktion ist es zudem wichtig, dass auch Verkehrsinfrastrukturprojekte, die im Rahmen des Strukturwandels in den Kohleregionen umgesetzt werden, Eingang in dieses Gesetz finden und damit beschleunigt werden; denn auch diese liegen im überragenden öffentlichen Interesse nicht nur vor Ort, sondern für ganz Deutschland.
Abschließend möchte ich aber noch auf ein paar Punkte hinweisen: Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist nicht per Federstrich im Rahmen eines Gesetzes möglich. Es braucht dazu vor allem den Willen aller Beteiligten, Prozesse schnell und zielführend umzusetzen. Wir brauchen dafür einen Kulturwechsel, ein Umdenken, auch bei Bundes- und Landesbehörden, bei Rechnungshöfen, bei Landesdirektionen, bei Regierungspräsidien.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir müssen weg von der Rückversicherungsmentalität, von der Einstellung: „Lieber nichts entscheiden, statt falsch entscheiden“, vom „Lieber noch mal ein Gutachten anfordern“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen hin zum Machen, zum Ermöglichen, hin zur schnellen Entscheidung. Dafür brauchen wir auch die entsprechenden personellen Ressourcen. Meine Damen und Herren, das ist alles eine riesige Aufgabe; aber diese Koalition stellt sich dieser Aufgabe, und sie wird sie lösen. Die heutige erste Lesung ist dafür ein guter Auftakt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat Dr. Dirk Spaniel für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555505 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Beschleunigte Genehmigungsverfahren Verkehrsbereich |