Tim KlüssendorfSPD - Erbschaftsteuer
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich wirklich, dass wir heute über die Erbschaftsteuer sprechen. Es ist einiges Richtige gesagt worden vom Kollegen Görke.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Was? Das wäre mir neu!)
Ich muss nur sagen: So ganz zustimmen können wir Ihrem Antrag trotzdem nicht.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Oh!)
Ich will das auch gleich erklären. Ich freue mich schon, dass Sie den Antrag eingebracht haben;
(Christian Görke [DIE LINKE]: Das wäre mir neu!)
denn das gibt uns die Gelegenheit, über das Thema zu sprechen. Die Chance hätten wir sonst in der Koalition nicht gehabt. Also herzlichen Dank dafür!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
So ganz zustimmen kann ich dem allerdings nicht.
(Pascal Meiser [DIE LINKE]: Wir freuen uns auf Änderungsanträge!)
Ein Antrag, der in vier Zeilen den Entzug aller Privilegien für Unternehmens- und Betriebsvermögen fordert, ist nicht ganz in unserem Sinne, weil es tatsächlich schon darum geht, auch Arbeitsplätze und Wohlstand vor Ort zu sichern.
(Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])
Wenn das auf einen kleinen Handwerksbetrieb, der nur eine niedrige Summe als Vermögen insgesamt aufweisen kann, übertragen wird, dann überfordert die Erbschaftsteuer schon manchmal. Dass man das aktuell mit Lohnsumme und auch mit dem Einsatz von Produktionskapital lösen kann
(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
und dementsprechend auch privilegiert wird, ist, glaube ich, richtig. Das wollen wir nicht ganz aufgeben. Von daher wäre unsere Zustimmung auch inhaltlich in diesem Punkt nicht gegeben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])
Dennoch vielen Dank für das Ansinnen.
Sie haben richtigerweise gesagt: Wenn es heute an der Tagesordnung ist, dass riesige Vermögen, Milliardenvermögen, Betriebsvermögen an Kinder im Grundschulalter vererbt
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ist das schlimm?)
bzw. ihnen geschenkt werden oder dass Family Offices oder Stiftungen gegründet werden, um das Vermögen beiseitezuschaffen, dann läuft etwas falsch.
(Zuruf des Abg. Kay Gottschalk [AfD])
Wenn das legal ist und unserer Ausgestaltung der Steuerpolitik entspricht, dann sehen wir da dringenden Handlungsbedarf. Da sind wir mit Ihnen ganz einer Meinung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Gefährlich! Gefährlich! Gefährlich!)
– Ja, Herr Brehm. Sie sagen: „Gefährlich!“ Ich finde es gut, dass Sie es trotz 3,5 Millionen Euro Nebenverdienst einrichten konnten, heute hier anwesend zu sein.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Das ist billig!)
Unabhängig davon, zu Ihnen komme ich gleich.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So niveaulos und billig waren Sie noch nie! – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ein Tiefpunkt der Debatte!)
Ich habe eben schon betont: Wir sind in der Koalition nicht ganz einer Meinung. Aber ich finde es legitim, dass wir nicht einer Meinung sind. Wir haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass wir finanzpolitisch andere Schwerpunkte setzen.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Erklären Sie mir doch mal fachlich, um was es geht! – Kay Gottschalk [AfD]: Das ist linker Linkspopulismus!)
– Ja, Sie sind aufgeregt; das verstehe ich. Aber es ist doch gut, dass Sie da sind. – Es ist so: Dass man innerhalb einer Koalition unterschiedlicher Meinung ist, ist in Ordnung. Die FDP hat andere finanzpolitische Grundsätze als wir. Das akzeptieren wir. Ich habe das in einer anderen Debatte auch schon mal erläutert. So wie wir fordern, dass einer Mindestlohnerhöhung oder einer Wohngeldreform zugestimmt wird, erwartet die FDP zu Recht von uns,
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Ach, Leute! Jetzt werde ich gleich sauer!)
dass wir uns an die finanzpolitischen Grundsätze halten. Das tun wir auch.
Aber immerhin bestehen hier Meinungsunterschiede nur innerhalb einer Koalition. Sie sind sich ja noch nicht mal innerhalb der eigenen Fraktion einig. Ich nehme wahr: Zu den Vorschlägen im Zuge des Grundsatzprogramms der CDU sagen der Arbeitnehmerflügel und der linke Teil der CDU zu Recht: Wir sehen hier Veränderungsbedarf; es ist ungerecht, wie es momentan ausgestaltet ist. – Im Moment ist in der Entwurfsfassung nicht mehr von Flat Tax, sondern von einer fairen und einfacheren Besteuerung die Rede. Das zeigt ja, dass auch Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Nur, wenn ich dann sehe, dass das innerhalb kürzester Zeit wieder einkassiert wird und vor allen Dingen die CSU in Bayern zeitgleich eine Verfassungsklage einreicht, weil sie die aktuelle Ausgestaltung der Erbschaftsteuer nicht für gut befindet, dann zeigt das in erster Linie Ihre Orientierungslosigkeit. Für welche Position stehen Sie denn momentan? Ich weiß nicht, wofür die Union in der Erbschaftsteuerdebatte steht. Von Flat Tax bis zur kompletten Abschaffung – auf dem Weg noch eine Verfassungsklage aus Wahlkampfgründen –, es ist alles dabei. So kann man keine Politik machen, erst recht keine Finanz- und Steuerpolitik. Dazu ist sie zu wichtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns mal Ihren Flat-Tax-Vorschlag an: 10 Prozent einfach auf alles, ohne Privilegien, so stand es ja im ersten Entwurf. Es ist richtig, dass das herausgenommen wurde. Das ist der gleiche Fehler, den die Linken auch machen: Es geht darum, dass wir die kleinen und mittleren Vermögen, gerade die Betriebsvermögen, schonen müssen, um Arbeitsplätze zu sichern. Sie können nicht einfach sagen: Wir besteuern alles genau gleich, und es ist vollkommen egal, ob der kleine Handwerksbetrieb mit 2 Millionen Euro Betriebsvermögen oder ob der große Konzern mit einem Vermögen von 2 Milliarden Euro besteuert wird. Es ist vollkommen richtig, dass das herausgenommen wurde. Das wäre mit uns auch nicht zu machen.
Ich sehe ja, was in Bayern gerade passiert. Zuerst wird auf große Mietshäuser verwiesen, die übertragen werden. Gleichzeitig argumentieren Sie damit, dass die Freibeträge dringend angepasst werden müssen.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Haben Sie denn einen eigenen Vorschlag? Nein!)
Ich habe bis heute nicht verstanden, was zum Beispiel bei einem Wohnhaus in München mit zehn Wohnungen und unterschiedlichen Mietsparteien, das 8 Millionen bis 10 Millionen Euro wert ist, eine Freibetragsanpassung nützen sollte. Sie klagen dagegen, dass die Freibeträge erhöht werden sollen, und wollen erreichen, dass die Freibeträge regional festgelegt werden. Dabei ist das komplett am Thema vorbei.
(Zuruf von der AfD: Wer ist denn schuld daran?)
Wie wäre es denn, wenn Sie sich mal mit einer gesunden Mietpreisentwicklung beschäftigen würden, mit Mieten, die die Menschen auch bezahlen können? Darum geht es doch im Kern. Das, wogegen Sie gerade klagen, ist vorgeschoben; das würde überhaupt keine Wirkung haben. Sie müssen sich endlich mal zu ordentlichen Mieten in diesem Land bekennen und dürfen das nicht über die Erbschaftsteuer regulieren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Jetzt mal was Eigenes!)
Ein letzter Punkt noch, der besonders wichtig ist. Es wird ja immer behauptet, dass wir keine eigenen Lösungen parat hätten; der Kollege Brehm hat das eben gesagt. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht. Wir haben vorgeschlagen, die Stundungsmöglichkeiten deutlich zu erweitern; denn diese sind in der Gesetzgebung deutlich unterrepräsentiert. Wir haben auch vorgeschlagen, als Staat stille Einlagen bei großen Konzernvermögen vorzunehmen, natürlich ohne in das operative Geschäft einzugreifen.
(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Maulhelden, sonst gar nichts! Machen!)
Damit würde man Unternehmen auch entlasten. Wenn Sie sich wirklich mal in den Dialog mit Unternehmerinnen und Unternehmern begäben und nicht nur über Ihr Grundsatzprogramm diskutierten, sondern auch darüber, was man tun könnte, würden Sie erfahren, dass es eine deutliche Zustimmung dafür gibt, solange die Arbeitsplätze und der Wohlstand in Deutschland im Vordergrund stehen.
(Zuruf von der AfD: Dann schauen Sie mal auf die Seite der deutschen Immobilienwirtschaft, was da steht, Herr Klüssendorf!)
Genau daran arbeiten wir. Deswegen können wir leider dem Antrag der Linksfraktion in der vorliegenden Fassung nicht zustimmen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ich möchte vor allem die Union bitten, ihre Orientierungslosigkeit aufzugeben; dann können wir auch besser miteinander diskutieren.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Christian Freiherr von Stetten für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Jetzt kommt Niveau in die Debatte!)
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Electoral Period | 20 |
Session | 112 |
Agenda Item | Erbschaftsteuer |