22.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 10

Claudia RaffelhüschenFDP - Erbschaftsteuer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wieder einmal kommen wir zur Erbschaftsteuer – Sie nennen Sie „Dummensteuer“, ich nenne sie eher „Neidsteuer“ – ins Gespräch, und wieder einmal sind die vorgetragenen Behauptungen, insbesondere von der linken Seite des Hauses, volkswirtschaftlicher und sozialpolitischer Unsinn.

(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der AfD)

Sie nutzen Debatten wie diese, um Ihre Gleichmachereifantasie unter dem Deckmantel sozialer Gerechtigkeit zu verkaufen. Dabei führen Sie die Bevölkerung bewusst in die Irre; denn es geht selbstverständlich nicht darum, Milliardenerben Steuerprivilegien einzuräumen und so aktiv für mehr Ungerechtigkeit zu sorgen. Auch höre ich von Ihnen oft den Vorwurf, dass die Erbschaftsbesteuerung in den vergangenen Jahren gezielt ausgehöhlt wurde, um große Vermögen und Erbgänge zu schonen. All das sind nichts weiter als populistische Aussagen, die vollkommen an der Sache vorbeigehen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bringen Sie doch mal ein Argument!)

Zugegeben, die aktuelle Erbschaftsteuer ist reformbedürftig. Wir Freien Demokraten fordern deshalb eine Erhöhung der Freibeträge. Gerade Erben einer Immobilie oder einer kleinen Eigentumswohnung müssen immer häufiger Steuern zahlen, da die Immobilienpreise in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sind. Und das betrifft die breite Mitte der Gesellschaft.

Zwischen 2009 und 2022 haben sich die Immobilienpreise fast verdoppelt, die Freibeträge wurden aber nicht angehoben. Damit wurde der Faktor Preisentwicklung einfach außer Acht gelassen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)

Das widerspricht ausdrücklich den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, dass Erbgänge einer realistischen Wertbemessung unterzogen werden müssen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Auch das ist richtig!)

Wir Freien Demokraten fordern deshalb, die entsprechenden Freibeträge um 25 Prozent anzuheben,

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Aber ihr habt unseren Antrag abgelehnt!)

und außerdem einen „Tarif auf Rädern“, sodass eine Indexierung vorgenommen wird.

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das haben wir hier im Deutschen Bundestag beantragt!)

Steuerfreibeträge müssen automatisch an die Inflation angepasst werden; denn nur so verhindern wir, dass der Fiskus bei hoher Inflation und hoher Belastung der Bürgerinnen und Bürger ungerechtfertigte Mehreinnahmen erzielt.

(Beifall bei der FDP)

Als Substanzsteuer greift die Erbschaftsteuer außerdem in bereits mehrfach versteuertes Vermögen ein. Immobilien werden aus bereits versteuertem Einkommen erworben und sind weiterhin durch die Grunderwerb- und Grundsteuer belastet.

Entgegen der immer wieder zu hörenden Behauptung der Linken, niemand habe für sein Erbe gearbeitet, kann ich nur sagen: Ganz viele Menschen in diesem Land erwirtschaften Vermögen als Altersvorsorge für sich, aber auch für ihre Hinterbliebenen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Über welchen Antrag reden Sie? Es geht um Milliardenerbschaften! Große Unternehmen!)

Werte und Vermögen werden in Familien und im Mittelstand oft über Jahrzehnte von vielen Angehörigen gemeinsam erarbeitet und aufgebaut.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)

Höhere steuerliche Freibeträge bei Erbgängen sind deshalb auch eine Frage der Leistungsgerechtigkeit.

Wie wenig volkswirtschaftliche Kenntnis und wie wenig Demut und Respekt gegenüber den vielen Unternehmen in Deutschland kann man eigentlich haben, gerade in den aktuellen Zeiten? Wir verzeichnen steigende Insolvenzen, eine massive Belastung durch Teuerung, Lieferkettenprobleme und die nun eingetretene Rezession. Unsere Unternehmer sind nicht die bösen Kapitalisten, ganz im Gegenteil: Sie halten unsere Wirtschaft am Laufen und bieten unseren Bürgerinnen und Bürgern Arbeit, woraus wiederum Steuern generiert werden.

Deshalb gibt es auch gute Gründe, dass betriebliche Erbgänge ganz anders gehandhabt werden als private. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft – ich zitiere sinngemäß – ist Vermögen im betrieblichen Kontext vor allem auch betrieblich investiert, heißt im Schnitt zu 60 Prozent in Arbeitsplätzen, Maschinen oder Software gebunden. Im Zweifel müssten also zwangsläufig Teile des Unternehmens verkauft werden, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können.

(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: So ist es! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Darum bessere Tilgungs- und Stundungsmöglichkeiten!)

Gerade Familienunternehmen, die von Ihnen so oft plakativ als „Superreiche“ diffamiert werden, agieren frei von Investoren und damit auch vom Kapitalmarkt. Es werden Arbeitsplätze geschaffen und unterschiedliche Steuern gezahlt.

Wir müssen uns überlegen, was wir eigentlich wollen. Wollen wir eine funktionierende Volkswirtschaft, ein modernes Steuersystem und einen starken Arbeitsmarkt, oder wollen wir für Unternehmen, die über Generationen hinweg viel investiert haben, mehr Unsicherheit schaffen und damit notwendige Investitionen und Innovationen hemmen?

Ich glaube, gerade in der aktuellen Situation wäre es unverantwortlich, wenn wir unsere Unternehmerschaft noch weiter belasten würden. Unser Steuersystem muss dringend vereinfacht werden, und deshalb sollten wir vielleicht auch darüber nachdenken, welche Steuern ersetzbar oder gar entbehrlich wären. Wir lehnen Ihren Antrag auf jeden Fall ab.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Die Kollegin Nadine Heselhaus hat für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555548
Wahlperiode 20
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Erbschaftsteuer
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