22.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 10

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Erbschaftsteuer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Erbschaftsteuer – immer wieder ein spannendes Thema und, wie wir feststellen, ein hochemotionales Thema. Das erlebt man ja des Öfteren in der Steuerdebatte: dass nicht unbedingt die fachliche Qualität im Vordergrund steht, sondern die Emotion und der Sozialneid, der hier teilweise ja sehr deutlich zutage getreten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihr seid doch Christen, und Geben ist seliger denn Nehmen, meine lieben Freunde von der Union! – Zuruf der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir haben seit 1906 eine Erbschaftsteuer in Deutschland. Seitdem wird sie umfassend diskutiert und unterliegt auch ständig verfassungsrechtlicher Überprüfung. Wir haben als Gesetzgeber ja mehrfach reagieren müssen, weil Karlsruhe entschieden hat. Ich wundere mich, wenn ich die Sozialdemokraten hier heute so höre, schon darüber, dass Sie sich anscheinend gar nicht mehr erinnern können, dass die entscheidende Anpassung der Erbschaftsteuer 2016 nach dem Urteil vom 17. Dezember 2014 mit den Stimmen der Sozialdemokraten hier im Deutschen Bundestag beschlossen worden ist.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die waren noch vernünftig! – Tim Klüssendorf [SPD]: Da waren Frauke Heiligenstadt und ich noch nicht da! – Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie dem hochgeschätzten Kollegen Lothar Binding unterstellen würden, dass er hier irgendwas mitbeschließen würde, was sozial ungerecht sei. Von daher: Bitte nehmen Sie sich nicht völlig aus der Verantwortung!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir können volkswirtschaftlich diskutieren, ob unsere Erbschaftsteuer sinnvoll oder weniger sinnvoll ist; da gibt es Argumente für die eine und die andere Seite.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Immerhin: Wir können diskutieren! Das ist doch schon mal was!)

Ich stelle aber jedenfalls erst mal fest, dass es für die Abschaffung wahrscheinlich keine Mehrheit gibt. Von daher würde ich mich damit auch gar nicht weiter beschäftigen, sondern überlegen: Wie läuft die Erbschaftsteuererhebung derzeit ab?

Der Grundsatz ist – da ist hier, glaube ich, ein falscher Eindruck vermittelt worden –, dass grundsätzlich das gesamte Vermögen im Rahmen des Erbgangs oder der Schenkung der Besteuerung unterliegt. Und das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden, dass die Verkehrswerte anzusetzen sind; das war früher auch mal anders. Der Grundsatz ist also: Das gesamte Vermögen wird einbezogen.

Dann ist die Frage: Gibt es Ausnahmen? Und selbst Herr Klüssendorf hat in seiner bemerkenswerten Rede ja gesagt,

(Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Sehr bemerkenswert! – Gegenruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Erschreckend, ja! – Bruno Hönel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In seiner guten Rede!)

dass er gar nicht so dagegen ist, dass es Ausnahmen gibt, sodass wir dann darüber diskutieren müssten: Wo gibt es diese Ausnahmen? Wir waren uns damals jedenfalls mit der SPD einig, dass es Ausnahmen gibt, wenn betriebsnotwendiges Vermögen übertragen wird.

Es ist auch richtig, dass uns das Bundesverfassungsgericht ins Stammbuch geschrieben hat, dass manche Dinge nicht so funktionieren, wie wir sie uns vereinfacht vorgestellt haben. Das hat dazu geführt, dass das Gesetz 2016 ja sogar im Vermittlungsausschuss war und nicht unbedingt zur Steuervereinfachung in Deutschland beigetragen hat. Wir haben da eine gewisse Komplexität erreicht.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich will aber sagen, dass das, was wir dort machen, ausdrücklich die Unterstützung des Bundesverfassungsgerichtes gefunden hat. In der Entscheidung von 2014 heißt es – ich zitiere –:

Die Förderung und der Erhalt einer für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands vom Gesetzgeber als besonders wertvoll eingeschätzten Unternehmensstruktur, die er in kleinen und mittelständischen, durch personale Führungsverantwortung geprägten Unternehmen – insbesondere in Familienunternehmen – sieht, und der Erhalt von Arbeitsplätzen durch den Schutz vor allem solcher Unternehmen vor steuerlich bedingten Liquiditätsproblemen stellen danach legitime Ziele von erheblichem Gewicht dar …

So das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung von 2014.

Von daher sind wir, glaube ich, gut beraten, wenn wir an dem Weg festhalten und den Übergang von betrieblichem Vermögen von der Steuer möglichst verschonen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Denn in allen Reden hören wir ja, was diese Unternehmen ausmachen. Es sind ja im Wesentlichen die Familienunternehmen, die unsere Wirtschaft prägen. Gerade in den Krisenzeiten, die wir ja nun durchgemacht haben, haben sie gezeigt, dass sie am resilientesten sind, was die Risikotragfähigkeit angeht. 90 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen.

(Albrecht Glaser [AfD]: 93 Prozent!)

60 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse bestehen in diesen Unternehmen. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Sie schaffen die Voraussetzungen für Wohlstand und für wirtschaftliches Wachstum, und letztendlich schaffen sie auch die Arbeitsplätze. Von daher ist es auch im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass wir Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer begünstigt übertragen können, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Denn was passiert bei der Übertragung? Wenn Sie große Kapitalgesellschaften im Streubesitz haben, werden diese bei der Erbschaftsteuer nie belastet. Bei den Familienunternehmen ist es anders. Der typische Familienunternehmer, den Sie wahrscheinlich alle aus Ihrem Wahlkreis kennen, entnimmt kaum. Da wird das Geld im Unternehmen gelassen. Und wenn er dann überträgt, dann überträgt er kein anderes Vermögen mehr. Woraus also sollte die Erbschaftsteuer, wenn sie denn anfiele, bezahlt werden? Doch nur dadurch, dass Geld aus dem Unternehmen genommen wird.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man mit Stundungsregelungen lösen!)

Und dann müsste man sich die Frage stellen, ob Geld überhaupt da ist, weil vieles ja in Produktivkapital investiert ist,

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

sodass man den Familienunternehmer zwingen würde, wesentliche Bestandteile seines Unternehmens zu veräußern, damit die Erbschaftsteuer gezahlt werden kann.

(Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das muss nicht so sein!)

Das wäre das Todesurteil für dieses Unternehmen, und deshalb müssen wir weiter begünstigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Hier ist ja auch der Eindruck erweckt worden: Das kann man alles mal so eben machen. – Ich habe von der Komplexität gesprochen. Den Feinschmeckern des deutschen Steuerrechts empfehle ich, die §§ 13a und 13b im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz noch mal genau zu lesen. Das würde auch Herrn Görke helfen,

(Christian Görke [DIE LINKE]: Nein, nein, nein! – Markus Herbrand [FDP]: Dem hilft nichts mehr!)

weil er vorhin davon gesprochen hat, dass man die Jachten übertragen kann. Genau die sind ausgenommen, lieber Herr Kollege Görke, genauso wie die Oldtimer.

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Die kann ich, auch wenn ich sie in die Kapitalgesellschaft packe, gar nicht steuerbegünstigt übertragen. Das alles haben wir schön rausgenommen.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU], an den Abg. Christian Görke [DIE LINKE] gewandt: So ist es! Lesen hilft, Herr Kollege!)

Aber wer sich das anguckt, sieht, dass das hoch komplex ist und dass wir das Gesetz so ausgerichtet haben, dass nur wirklich betriebsnotwendiges Vermögen geschützt wird. Und es ist gleichzeitig geregelt, dass das Unternehmen eine gewisse Zeit in der Hand des Erben oder des Beschenkten bleiben muss und dass er dieses Unternehmen nicht verändern kann, weil wir dafür das Kriterium der Lohnsumme eingeführt haben. Das sind also ganz kluge Regeln, die dazu führen, dass wir die Dinge sehr zielgenau regeln.

(Zuruf des Abg. Christian Görke [DIE LINKE])

Letzter Punkt – die Zeit läuft hier leider ab –:

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur die Redezeit, Herr Kollege!)

Herr Klüssendorf, ich finde es eigentlich spannend, dass wir in der CDU, weil es diese Komplexität des Gesetzes gibt, darüber diskutieren, ob es nicht eine bessere Lösung gibt. Und ich bin froh darüber, dass unser Bundesvorsitzender diese Diskussion zulässt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Albrecht Glaser [AfD])

Das Wort hat Stefan Schmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555561
Wahlperiode 20
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Erbschaftsteuer
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