22.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 12

Peggy SchierenbeckSPD - Einstufung sicherer Herkunftsstaaten: Georgien, Moldau

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf den Tribünen! Lieber Herr Seif, vielleicht passen Sie jetzt einmal ganz genau auf, dann können Sie besser verstehen, worum es tatsächlich geht. Die Union legt uns einen Gesetzentwurf vor, in dem sie fordert, Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Der Wunsch dahinter ist, die Zahl der Asylanträge dadurch zu reduzieren. Das hat 2015 und 2016 geholfen, als man die Westbalkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern deklariert hat.

Putin hat die Ukraine völkerrechtswidrig angegriffen. Wir haben im vergangenen Jahr über 1 Million Geflüchtete aus der Ukraine bei uns registriert. Dazu kommen weitere rund 244 000 Asylanträge, etwa 8 800 davon von georgischen und etwa 5 200 von moldauischen Asylsuchenden. Fakt ist: Keine Migrationslage ist wie die andere, kein Asylgesuch ist wie das andere.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijei!)

Aber was ist überhaupt ein sicheres Herkunftsland? Ich nutze meine Redezeit mal wieder, um meine Aufklärungswelle fortzusetzen.

(Lachen des Abg. Marc Henrichmann [CDU/CSU])

Um als sicheres Herkunftsland zu gelten, muss sichergestellt sein, dass in diesem Land niemand politisch verfolgt wird, erniedrigender Bestrafung oder Behandlung ausgesetzt ist.

Die Rechtslage, die Rechtsanwendung, die allgemeinen politischen Verhältnisse müssen entsprechend bewertet werden: Werden einzelne Bevölkerungsgruppen verfolgt, zum Beispiel aufgrund ihrer Religion? Werden Menschen für ihre sexuelle Orientierung bestraft? Werden Menschen unmenschlich bestraft, zum Beispiel gefoltert, weil sie sich regierungskritisch geäußert haben? In Georgien und Moldau sieht es bislang gut aus, sodass sie als sichere Herkunftsländer eingestuft werden können.

Dennoch müssen wir diese Länder unterstützen. Es geht nicht nur darum, Asylsuchende irgendwo zu verwahren, sondern es geht darum, auch in sicheren Herkunftsländern echte Chancen zu schaffen, ein echtes Partnerschaftsprogramm aufzubauen.

Aber ich möchte auch auf etwas anderes zurückkommen: Immer wenn wir eine Migrationslage haben, in der vermeintlich mehr Menschen zu uns kommen, als wir aufnehmen können, gibt es Zeiten, in denen die Kommunen überlastet sind. Dann kommen solche Debatten auf, wie wir sie gerade führen. Die Regierung wird aufgefordert, doch endlich zu handeln. Und was tut die Regierung? Sie handelt.

(Lachen des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])

Lassen Sie mich daran erinnern, wie weit die Regierung auf dem Weg, die Migration zu steuern, schon gekommen ist – anders als in Ihrer Regierungszeit. Als Erste im Innenministerium seit Jahren schafft es Nancy Faeser, beim Gemeinsamen Europäischen Asylsystem eine Einigung zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marc Henrichmann [CDU/CSU]: Eine Protokollerklärung! Das ist ja drollig!)

Ja, diese Einigung ist der kleinste gemeinsame Nenner. Aber diese Einigung ist der Fuß in der Tür, um überhaupt erst mal etwas verändern zu können – das haben Sie nicht geschafft –

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Trotz der Bundesinnenministerin hat das stattgefunden! Die Grünen wollen es schon nicht mehr!)

und um die Zustände, die wir auf dem offenen Meer und in Flüchtlingsunterkünften haben, die mich umtreiben, die uns alle umtreiben, endlich zu beenden. Dafür setzen wir uns gemäß unseren sozialdemokratischen Werten ein.

Aber die Regierung tut noch mehr. Sie hat das Chancen-Aufenthaltsrecht für Geduldete oder gestattete Personen geschaffen. Voraussetzung: Sie sind nicht straffällig geworden. Sie können dann innerhalb von 18 Monaten mit geklärter Identität, ausreichenden Deutschkenntnissen und einem Arbeitsplatz ein reguläres Bleiberecht erwerben.

Ja, wir reden morgen auch über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Es ist ein Meilenstein, weil wir damit den Arbeits- und Fachkräftemangel in Deutschland mit gezielter Einwanderung wirksam bekämpfen. Wir bieten den Menschen eine echte Bleibeperspektive in Deutschland. Wir geben Menschen in laufenden Asylverfahren die Chance, einen Spurwechsel zu vollziehen und hier arbeiten und bleiben zu können.

Wir werden über das Staatsbürgerschaftsrecht sprechen und es reformieren. Wir wollen damit allen, die dauerhaft bei uns in Deutschland bleiben wollen, eine große Sorge nehmen: die Abhängigkeit des Aufenthaltsstatus vom Arbeitsplatz. Wir wollen das Schwitzen und Zittern beim Jobwechsel beenden. Die Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft macht das möglich. Denn das wollen wir sein: ein Fachkräfteeinwanderungsland, ein Land, in das Menschen gern kommen, in dem sie leben und arbeiten wollen und für das sie sich bewusst entscheiden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nicht nur für die Fachkräfte, sondern auch für Arbeitskräfte haben wir das im Entwurf zum neuen Gesetz vereinbart. Wir tun das eine – ein EU-weit menschenwürdiges Asylsystem zu etablieren –, ohne das andere – Deutschland zu einem modernen Fachkräfteeinwanderungsland umzubauen – zu lassen.

(Moritz Oppelt [CDU/CSU]: Thema verfehlt! Was hat das denn mit den sicheren Herkunftsstaaten zu tun?)

Mit all diesen Mitteln schaffen wir auch für die Menschen aus Georgien und Moldau einen sicheren Weg nach Deutschland. Denn was die Union auch weiß: Wer aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt – aufgepasst! –, kann leichter dorthin zurückgeführt werden. Menschen, die bei uns Asyl suchen, dabei auch wirtschaftliche Gründe angeben und hier Arbeit suchen wollen, sollen einen sicheren Weg zu uns finden.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Ihr Gesetzentwurf ist für sich alleinstehend zu kurz gedacht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Als Nächstes erhält das Wort für die AfD-Fraktion Dr. Christian Wirth.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555653
Wahlperiode 20
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Einstufung sicherer Herkunftsstaaten: Georgien, Moldau
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