Konstantin KuhleFDP - Fachkräfteeinwanderung
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte taucht ja oft die Frage auf, ob wir mit diesem Gesetz eigentlich die richtigen Signale in die Welt senden. Ich kann Ihnen sagen: Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz ein richtiges Signal in die Welt senden. Wir senden das Signal: Unser Land setzt angesichts seiner alternden Bevölkerung verstärkt auf die Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Dafür legen wir einen Gesetzentwurf vor, den wir heute auch beschließen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir machen das im parlamentarischen Verfahren mit wesentlichen Verbesserungen im Vergleich zum ersten Entwurf der Bundesregierung. Wir werden bei der Chancenkarte einen echten Anschlusstitel schaffen. Wir orientieren uns mit der Chancenkarte und dem Punktesystem an erfolgreichen Einwanderungsländern auf der Welt. Wir werden bei der Blauen Karte endlich die Kritik aufnehmen, die wir aus der Praxis, die wir von den Arbeitgebern seit Jahren hören, nämlich dass die Gehaltsgrenzen zu hoch sind. Das wird dazu führen, dass diese Instrumente, die Chancenkarte und die Blaue Karte, auch für kleine und mittlere Betriebe einen realen Unterschied machen können. Das ist doch ein entscheidender Fortschritt! Das brauchen wir, um den Arbeitskräftemangel in Deutschland zu bekämpfen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dann taucht in dieser Debatte die Frage auf, ob wir uns angesichts der Überforderung der Kommunen mit der Fluchtmigration dieses Gesetz überhaupt leisten können. Ich will Ihnen dazu ganz klar sagen, dass ich anders als so mancher Redner hier zu einer anderen Schlussfolgerung komme. Ich glaube, es ist gerade in Krisenzeiten wichtig, dass diese Bundesregierung, dass diese Parlamentsmehrheit auch strukturelle Reformen angeht.
Denn wir hatten in der Vergangenheit politische Mehrheiten in diesem Land, die sich ausschließlich mit der Bewältigung von Krisen befasst haben. Sie waren so sehr befasst mit der Bewältigung von Krisen, dass die strukturellen Probleme niemals angegangen worden sind.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)
Es wäre fahrlässig angesichts der Krisen in der Welt – in Europa und in diesem Land –, das Nötige zu unterlassen, weil man so sehr mit dem Dringlichen beschäftigt ist.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Marc Biadacz [CDU/CSU])
Deswegen setzen wir mit diesem Gesetz ein gutes Zeichen und senden ein Signal in die Welt. Wir zeigen: Diese Bundesregierung, diese Parlamentsmehrheit kümmert sich um die strukturellen Probleme in diesem Land – hier den Arbeitskräftemangel – und nicht nur um die Bewältigung von Krisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir senden mit diesem Gesetz auch das Signal in die Welt, dass Deutschland mehr reguläre und weniger irreguläre Migration braucht. Das tun wir, indem wir ein Instrument ausweiten, das zu den erfolgreichsten Arbeitsmarktinstrumenten der letzten Jahre gehört, nämlich die Westbalkanregelung. Mit der Westbalkanregelung können Menschen aus den Staaten des westlichen Balkans, wenn sie ein konkretes Arbeitsplatzangebot haben, direkt nach Deutschland einwandern. Wir verdoppeln jetzt das Kontingent; das haben sich viele Arbeitgeber immer gewünscht.
Ich will Ihnen mal vortragen, was das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung im Jahr 2020 zur Westbalkanregelung gesagt hat – ich zitiere –: Es sind
… die Beschäftigungsverhältnisse stabil, Arbeitslosen- und Leistungsbezieherquoten außergewöhnlich gering und die Verdienste nicht geringer als bei den meisten Vergleichsgruppen.
Jetzt kommt meine Lieblingsstelle – Achtung! –:
Insbesondere zeigt sich, dass es für eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration durchaus hinreichend ist, den ArbeitgeberInnen die Auswahlentscheidung zu überlassen …
Das sind doch mal Nachrichten, die wir in diesem Parlament gerne hören.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Richtig! – Zurufe von der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, da muss ich doch einmal zurückfragen: Was haben CDU und CSU eigentlich gegen Arbeitgeber? Was haben Sie eigentlich gegen die Interessen der Wirtschaft? Was haben Sie eigentlich dagegen, eines der erfolgreichsten Instrumente bei der Einwanderung in den Arbeitsmarkt auszudehnen? Das machen wir nämlich!
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir gehen sogar noch weiter. Wir wollen dieses Instrument der Westbalkanregelung auch anderen Staaten anbieten, die uns dabei helfen, die irrreguläre Migration nach Deutschland zu reduzieren. Das brauchen wir.
Was wir noch brauchen, ist ein Spurwechsel. Denn es ist doch aberwitzig – aberwitzig! –, dass es in Deutschland heute einfacher ist, ins Asylsystem einzuwandern als in den Arbeitsmarkt.
(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)
Das kehren wir mit diesem Gesetz um, und damit setzen wir die richtigen Prioritäten.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was haben Sie eigentlich gegen die Wirtschaft? Ich verstehe das nicht!
Wir senden mit diesem Gesetz die richtigen Signale. Wir müssen aber auch selbstkritisch sein. Und wir müssen festhalten, dass die Migrationsverwaltung in unserem Land aktuell nicht auf der Höhe der Zeit ist. Wir haben zu viel Bürokratie, wir haben unklare Zuständigkeiten, wir haben viel zu wenig Digitalisierung. Und weil das so ist, ist das heutige Gesetz nicht das Ende der Diskussion,
(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)
sondern das heutige Gesetz ist der Beginn einer großen Einwanderungsreform, auch einer Reform der Migrationsverwaltung.
Wir machen uns heute auf den Weg. Wir bitten um Zustimmung. Und vielleicht kann ja die Union noch mal bei den Arbeitgebern im Wahlkreis nachfragen und dann am Ende doch zustimmen.
Ganz herzlichen Dank.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555779 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Fachkräfteeinwanderung |