23.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 113 / Zusatzpunkt 5

Nadine SchönCDU/CSU - Fachkräfteeinwanderung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Heimatgemeinde im Norden des Saarlands ist sehr ländlich. Der Elektriker muss Aufträge ablehnen, weil ihm Fachkräfte fehlen.

(Zuruf von der SPD: Ja, klar! – Zuruf von der FDP: Hört! Hört!)

Im Seniorenheim wartet man monatelang auf die neuen Kollegen aus Ghana und Indien. Das Technologieunternehmen will seit Wochen das Visum seines Entwicklers verlängern, bekommt aber keinen Termin bei der Ausländerbehörde. Ob Stadt, ob Land, ob Handwerk, Pflege oder Hochtechnologie: Ohne gute Fachkräfte aus dem Ausland geht nichts mehr. Und deshalb, Herr Kleinwächter, starker Widerspruch: Wir sind ein Einwanderungsland, und wir brauchen auch Fachkräfte aus dem Ausland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, Sie versuchen heute, den Eindruck zu erwecken, dass mit Ihrer Politik und speziell mit diesem Gesetz das Problem gelöst wird. Und ich sage Ihnen: Das wird es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Ihrer Politik sorgen Sie zwar dafür, dass viele Menschen in unser Land kommen, im letzten Jahr über 1,3 Millionen Menschen. Aber die wenigsten davon sind Fachkräfte. Es sind viele Flüchtlinge, denen wir helfen wollen.

(Zuruf des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es kommen aber auch viele Menschen in unser Land, die nicht die nötigen Qualifikationen mitbringen, um für unseren Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Was wir doch brauchen, sind gut qualifizierte Fachkräfte, die in den Pflegeheimen, in den Unternehmen, in den Betrieben arbeiten können.

(Dr. Carolin Wagner [SPD]: Und die wachsen an den Bäumen, oder wie?)

Mit diesem Gesetz lösen Sie dieses Problem eben nicht. Denn in der Anhörung und bei jedem Gespräch vor Ort hören wir doch immer wieder: Das Problem sind die komplexen Prozesse, die langwierigen Verfahren, die total überlasteten Behörden, gerade auch die intransparenten und sehr langen Visaverfahren. Das ist der Kern des Problems, und das lösen Sie mit diesem Gesetz nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb fordern wir in unserem Entschließungsantrag: Entrümpeln Sie diese Verfahren; bauen Sie das Ganze neu auf. Schaffen Sie eine neue Agentur – wir nennen sie die Work-and-Stay-Agentur –, die digitale Prozesse aufbaut, das Behördenwirrwarr entschlackt und mit schlanken und konsequenten Verfahren dafür sorgt, dass den Menschen, die bei uns arbeiten wollen und die nötige Qualifikation haben, und den Unternehmen, die diese Menschen hier anstellen wollen, schnell und problemlos geholfen wird. Das packen Sie mit diesem Gesetz nicht an. Die Kollegen haben es schon gesagt: Die Probleme werden verschärft und nicht gelöst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Schön, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung des Abgeordneten Hubertus Heil?

Gerne.

(Axel Knoerig [CDU/CSU]: Das ist ein Missbrauch des Fragerechts! Das macht man doch nicht!)

Nein, Herr Kollege, ich missbrauche gar nichts. Ich bin genau wie Sie Abgeordneter des Deutschen Bundestages.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Liebe Frau Schön, Sie wissen: Ich schätze Sie sehr. Wir haben in der vorangegangenen Regierung zusammengearbeitet.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Jetzt muss er sich melden, nur weil er seinen Abgeordneten nichts zutraut!)

Und ich weiß – das ist ja ganz klar –, dass wir beide beim Einwanderungsrecht, das ich damals mit Herrn Seehofer verhandelt habe, wahrscheinlich sogar noch ein Stück weiter gekommen wären, gerade was den Abbau von bürokratischen Hürden betrifft und auch was die Zusammenführung der Administration anbelangt. Denn Sie haben vollkommen recht: Das modernste Einwanderungsrecht allein reicht nicht, wenn man nicht dafür sorgt, dass wir bei der Berufsanerkennung besser werden.

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)

Das und auch die Visaerteilung erleichtern wir mit diesem Gesetz. All das machen wir als Koalition; darauf können Sie sich verlassen.

(Zurufe von der CDU/CSU sowie des Abg. Kay Gottschalk [AfD]: Frage!)

Für eines – das will ich Ihnen einfach mal sagen – bin ich Ihnen dankbar: Sie sprechen hier nicht von Minderqualifizierten, im Gegensatz zu Ihrem Kollegen. Das ist richtig, weil beruflich qualifizierte Menschen aus anderen Ländern keine Minderqualifizierten sind, sondern Fachkräfte, die wir in Deutschland brauchen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Ich wollte Ihnen einfach nur als Zwischenbemerkung sagen – denn ich muss ja keine Frage stellen –:

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Ach so, Sie müssen keine Frage stellen? Das ist jetzt nicht in Ordnung! – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Hat Ihre Redezeit nicht gereicht, oder was?)

Ich danke Ihnen für Ihre Einstellung. Sie unterscheidet sich wohltuend von anderen Kollegen in Ihrer Fraktion. Bitte setzen Sie sich mal durch in der Union. Wir brauchen mehr Laschet und weniger Söder.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Auch wenn es keine Frage ist, habe ich, glaube ich, Frau Präsidentin, die Möglichkeit, zu antworten. – Herr Minister, ich denke, wir sind uns einig, dass wir Menschen aus dem Ausland brauchen. Es gibt aber verschiedene Qualifikationsniveaus. Was wir brauchen, sind Menschen, die gut qualifiziert sind, die deutsche Sprache sprechen oder in der Lage sind, hier in unserem Land entsprechend so geschult zu werden, dass sie für unseren Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Was wir aber nicht brauchen, sind viele Menschen, die in unser Land kommen und im Zweifel in unserem Sozialsystem landen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] nimmt wieder Platz – Zurufe von der CDU/CSU, an den Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] gewandt: Aufstehen!)

Denn heute ist es schon so, dass wir zu wenig Wohnraum haben, dass die Schulen und Kindergärten überlastet sind, dass die Behörden – –

Herr Heil, stehen Sie bitte noch mal auf. Die Kollegin war noch nicht fertig mit der Antwort.

(Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD] erhebt sich wieder)

Ich wiederhole den Satz: Schon heute ist es so, dass wir zu wenig Wohnraum haben, zu wenige Kindergärten und Schulen, dass die Behörden überlastet sind. Deshalb muss es darum gehen, effizient zu sein. Wir dürfen den Flaschenhals nicht weiter verengen und müssen es schaffen, dass die Gutqualifizierten in unser Land kommen, diejenigen, die von unseren Unternehmen und Pflegeeinrichtungen gebraucht werden. Wir müssen für schlanke und funktionsfähige Verfahren sorgen. Es hilft uns nichts, mit diesem neuen Gesetz noch mehr Menschen in unser Land zu holen, die die Probleme nicht wirklich lösen.

(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Nicht lösen, sondern noch verschärfen!)

Das wird nicht dazu führen, dass wir ein funktionsfähiges Land haben. Genau das kritisieren wir an Ihrem Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde gern in der verbleibenden Redezeit als Bildungs- und Forschungspolitikerin den Fokus auf diejenigen richten, die in unser Land gekommen sind, um hier eine Ausbildung oder ein Studium zu machen. Auch sie haben wir in unserem Entschließungsantrag, den ich Ihnen zur Annahme empfehle, noch mal fokussiert. Wir müssen für diese Menschen auch nach einem Studienplatzwechsel bzw. nach Beendigung ihres Studiums Wege in die qualifizierte Beschäftigung ebnen. Auch das gibt das Gesetz nicht her.

Deshalb empfehle ich Ihnen die Annahme unseres Entschließungsantrags und die Ablehnung dieses Gesetzes. Es wird an den entscheidenden Stellen keine Verbesserungen bringen. Im Gegenteil: Es werden Sachen verschlimmert. Deshalb können wir Ihrem Gesetz nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Sebastian Hartmann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555785
Wahlperiode 20
Sitzung 113
Tagesordnungspunkt Fachkräfteeinwanderung
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