23.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 113 / Zusatzpunkt 7

Markus TönsSPD - Assoziierungsabkommen EU-Mercosur-Staaten

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu Frau Klöckners Rede lässt sich bestimmt noch einiges sagen. Das werde ich auch gleich machen, wenn sie von der Abstimmung zurück ist.

Ich will zu Beginn mit einer Sache aufräumen, und zwar diesem Mythos: Hätten wir TTIP gemacht, dann wäre alles in Ordnung.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Dann wäre alles viel einfacher!)

Wenn Sie zu sich selbst ehrlich sind und sich in dem Leseraum angeguckt haben, was bis zum Abbruch der Verhandlungen überhaupt ausgehandelt wurde, dann wissen Sie: nichts, nicht ein Kapitel. Die ganzen Texte strotzten nur von gegenseitigem Misstrauen. Um ehrlich zu sein: Die amerikanische Administration und die Administration in Brüssel waren gar nicht in der Lage, ein Abkommen zu schließen. Deshalb ist jetzt TTC sehr wahrscheinlich die einzig vernünftige Variante.

Wenn Sie wissen wollen, wie es wirklich war, dann rufen Sie Frau Weyand an; sie kann Ihnen das genau erklären. Wenn Sie die Kontaktdaten nicht haben, gebe ich sie Ihnen gerne. Dann wissen Sie, wie das weitergeht – nur mal so als kleiner Tipp.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir reden hier heute mal wieder über Mercosur. Dazu gibt es schöne Anträge von der Union, von der Linken etc. Die Verhandlungen haben 20 Jahre gedauert; das wissen wir alle.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Jetzt kommt es auf die vier Jahre auch nicht mehr an!)

Aber es gibt mit Präsident Lula in Brasilien jetzt ein Window of Opportunity, und ich glaube, es ist wichtig, dass wir das nutzen. Die Mercosur-Staaten wollen das Abkommen. Sie haben übrigens mit uns verhandelt, bevor sie mit China und anderen verhandelt haben. Das wäre das erste Abkommen, das Mercosur abschließt. Ich glaube, wir können unsere demokratischen Partner in den Mercosur-Staaten,

(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ist Lula Demokrat?)

nach einer schwierigen Zeit, die sie in den letzten 40 Jahren durchgemacht haben, nicht mehr länger warten lassen. Darin stimme ich mit Ihnen überein.

Jetzt will ich auf die Anträge eingehen. Im Antrag der Linken ist zu lesen – Alexander Ulrich hört jetzt ganz gespannt zu –, dass die Angst besteht, dass das Splitting zu fehlender Parlamentsbeteiligung führt. Also, bisher ist noch nicht entschieden, ob das Abkommen gesplittet wird, ob nur der Handelsteil in Brüssel, also im Parlament und im Rat, entschieden wird und der andere Teil zur Ratifikation kommt. Das ist alles nicht entschieden. Aber EU-Recht sagt: Handel ist EU-Kompetenz, reine EU-Kompetenz. Darauf sollten wir uns auch einmal verständigen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in diesem Haus 2007 dem Vertrag von Lissabon zugestimmt; der ist die Grundlage unseres Handelns. Dann ist im Antrag der Linken noch die Rede von fehlender Transparenz. Ich verweise nur auf den Internetauftritt der Kommission; da werden Sie alles finden, was Sie an Informationen brauchen, dann sind Sie gut informiert.

Jetzt kommen wir zum Antrag der CDU/CSU. Frau Klöckner, Sie haben gesagt, Mercosur müsse jetzt abgeschlossen werden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Richtig!)

Soweit ich das sehe, ist es im Moment so, dass die Kommission mit den Mercosur-Staaten verhandeln will, die Verhandlungen aber ein wenig geschoben wurden,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Auch wegen Deutschland!)

unter anderem, weil auch die brasilianische Regierung noch Ideen und Forderungen hat, die in dem Zusatzprotokoll eine Rolle spielen. Vielleicht sollten Sie sich das mal vor Augen führen. Wenn wir auf Augenhöhe verhandeln, dann gehört dazu – das ist auch nicht falsch –, dass auch die Partner, mit denen wir Verträge machen wollen, ihre Wünsche äußern.

(Zuruf der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU)

Ich will Ihnen noch eines sagen, weil Sie immer sagen, die Ampel will das alles nicht: Das stimmt alles nicht. Schauen Sie in den Koalitionsvertrag! Dann werden Sie sehen, dass wir für Freihandel sind, dass wir dieses Abkommen abschließen wollen. Aber wir wollen ein Abkommen, das bestimmten Regeln entspricht und diese auch zugrunde legt. Deshalb würde ich Ihnen übrigens auch raten: Sprechen Sie vielleicht mal mit Ihren französischen oder österreichischen Freunden! Die sind viel kritischer; sie sagen, sie wollen dieses Abkommen nicht.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das hier ist der Deutsche Bundestag!)

Wir brauchen, glaube ich, wenn man dieses Abkommen mit einem vernünftigen Zusatzprotokoll verabschieden will, aber auch unsere Partner in Österreich und in Frankreich.

Und vielleicht mal ein Beispiel: Es gibt ja auch Bedenken, gerade in Bereichen zur Landwirtschaft.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Genau!)

Deshalb gibt es übrigens auch Kontingente für sensible Agrarprodukte.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Die müssen wir überprüfen! Die werden kontrolliert!)

Von daher: Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind. Das kann man, glaube ich, sehr gut machen.

Bedenken zur Nachhaltigkeit – diesen Punkt hat auch der Kollege Außendorf angesprochen –: Diese Bedenken wollen wir als Koalition immer auch im Blick haben. Deshalb bedarf es, nach meiner Überzeugung, zum einen des Zusatzprotokolls, das jetzt in diesem Jahr verhandelt wird. In diesem Zusatzprotokoll, davon bin ich zutiefst überzeugt, werden wir unter anderem auch einen sanktionsbewehrten Mechanismus festschreiben. Der wird Gültigkeit haben.

Dann wird man mit den Partnerinnen und Partnern der Mercosur-Staaten darüber reden, wie wir den Wald schützen. Die Anti-Entwaldungsverordnung, wenn sie in Kraft tritt, gilt übrigens, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für die Vertragspartner. Denn eines ist vollkommen klar: In Verhandlungen gilt immer das „Right to regulate“. Das heißt, wir können selbst immer auch unsere Standards ändern, genauso wie die Vertragspartner der Mercosur-Staaten. Ich finde, die Anti-Entwaldungsverordnung und die Lieferkettenrichtlinie, die auch auf den Weg gebracht ist, sind wichtige und effektive Instrumente, die uns helfen, ein vernünftiges Abkommen zu machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nach- und Neuverhandlungen: Also, wir sind in Verhandlungen zu einem Zusatzprotokoll. Ich glaube, dass das richtig ist. Ich habe großes Vertrauen in die Kommission und auch in die Mercosur-Staaten. Man darf nicht das Gefühl entwickeln, dass wir die Mercosur-Staaten übervorteilen; deshalb muss das auf Augenhöhe stattfinden. Da bin ich aber auch ganz zuversichtlich, weil sich innerhalb der Europäischen Union vieles geändert hat. Wir sind nicht mehr an dem Punkt, an dem wir vor 20 Jahren noch waren.

Frau Klöckner, Sie haben vom regelbasierten Handel gesprochen. Den gab es lange. Die WTO fällt als Regelkommissar quasi aus, und deshalb brauchen wir Freihandelsabkommen. Aber die müssen nicht nur regelbasiert, die müssen wertebasiert sein.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Was sind das denn für Regeln? – Jens Spahn [CDU/CSU]: Wie wäre es denn mit „interessenbasiert“? „Interessenbasiert“ wäre mal ein Anfang!)

Das ist die Grundlage für modernen Handel.

Ich halte komplette Neuverhandlungen – das will ich auch sagen – für nicht machbar; denn dann ist das Abkommen gescheitert. Wir setzen also auf die Verhandlungen der Kommission im Bereich dieses Zusatzprotokolls.

Ohne Abkommen – das will ich auch noch mal sagen; es muss uns allen klar sein, wie wir damit umgehen – könnte sich der Mercosur Richtung China wenden.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Aha! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Also! Zeigt mal!)

Was aber auch passieren kann, ist, dass der Mercosur vielleicht sogar auseinanderfällt, was für die Region nicht gut wäre und für uns als diejenigen, die Handelspartner sein wollen, definitiv auch nicht.

Ich habe vollstes Vertrauen in die Kommission bezüglich der Nachverhandlungen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Und in die Bundesregierung?)

Das Ergebnis muss abgewartet werden; ich glaube, da sollten wir auch genau hingucken. Dass es ein Ergebnis auf dem Südamerika-Gipfel der Europäischen Union geben wird, glaube ich leider nicht. Wir werden ein bisschen mehr Zeit brauchen.

(Tilman Kuban [CDU/CSU]: Die wir nicht haben!)

Aber es wird eine Einigung bis zum Ende des Jahres geben; davon bin ich zutiefst überzeugt.

Glück auf!

(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555799
Wahlperiode 20
Sitzung 113
Tagesordnungspunkt Assoziierungsabkommen EU-Mercosur-Staaten
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