Sebastian RoloffSPD - Maßnahmen zur Bekämpfung der Rezession
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Anträge, die wir heute diskutieren, sind in ihrer Art und Güte außerordentlich unterschiedlich. Die CDU/CSU begibt sich Gott sei Dank noch nicht auf das Niveau der AfD. Es gibt aber trotzdem Parallelen zwischen den Anträgen. Die Parallelen sind eine sehr pessimistische Zukunftsaussicht und handwerkliche Fehler bei der Beschreibung der wirtschaftlichen Situation.
Schauen wir uns an, warum wir jetzt eine vorübergehende technische Rezession haben! Wir haben eine ganze Reihe von Sondereffekten: Corona und die Ukraine; das ist schon genannt worden. Die Coronahilfen laufen aus, natürlich mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Ergebnissen. Außerdem gibt es massive Probleme beim statistischen Messverfahren. Die Differenz zwischen BIP und Bruttowertschöpfung ist aber so hoch wie seit 30 Jahren nicht. Dementsprechend handelt es sich um verzerrende Effekte und Saisonbereinigungsverfahren. Wir sind also nicht in einer klassischen Rezession, auch wenn das ganz hervorragend in die Politik der Opposition passt. Die wirtschaftliche Lage ist anders; das gehört zur Wahrheit dazu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Esra Limbacher [SPD] und Reinhard Houben [FDP])
Das heißt nicht, dass wir keine Probleme haben. Die hohe Inflation ist angesprochen worden. Selbstverständlich bringt diese eine massive Konsumflaute in Deutschland mit sich, ebenso wie die steigenden Zinsen massive Auswirkungen haben. Die Preissteigerungen bei Gas und Strom durch den russischen Angriffskrieg haben einen Angebotsschock ausgelöst – wir haben das hier schon mehrmals diskutiert – und die Inflation in die Höhe getrieben. Dieser Angebotsschock führt natürlich dazu, dass Mittel in der Wirtschaft fehlen. Die Europäische Zentralbank hat reagiert und den Leitzins von null Prozent im Frühjahr 2022 auf heute 4 Prozent angehoben – das höchste Niveau seit 22 Jahren. Das führt dazu, dass sich Privat- und Geschäftsbanken Kapital bei der Zentralbank nur teuer leihen können. Die Zinssätze steigen, dem System wird wieder Geld entzogen, das Investitionsvolumen sinkt, und mittelfristig haben wir eine Totale Faktorproduktivität. Daher kommt die Reduktion des Wachstums; es ist keine klassische Rezession. Der Output der Wirtschaft sinkt, und die Folgen müssen entsprechend kompensiert werden.
Die aktuelle technische Rezession ist also keine Folge der Regierungspolitik, auch wenn Ihnen das als Opposition ganz hervorragend in den Plan passt, sondern eine erwartbare und normale Folge der EZB-Zinsanpassungen. Das hätten Sie übrigens auch von Expertinnen und Experten erfahren, wenn Sie sich mal eingelesen hätten.
(Beifall bei der SPD – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Die Realzinsen sind immer noch deutlich negativ!)
Wie wird es jetzt weitergehen? Wir haben diese Woche, am 20. Juni, die Meldung bekommen, dass die Inflationsrate nur noch um einen Prozentpunkt gestiegen ist. Das ist insgesamt immer noch zu hoch, die Richtung stimmt aber. Die Inflationsrate wird in den nächsten Monaten rapide zurückgehen, mit Auswirkungen auf den Konsumentenindex. Dementsprechend werden sich auch die Preisanstiege, insbesondere mit Blick auf die Erzeugerpreise, wieder normalisieren.
Es ist jetzt natürlich nicht sinnvoll, weitere Zinserhöhungen zu fordern, zu große Kürzungen im Haushalt aus volkswirtschaftlicher Sicht aber auch nicht – das muss man mit Blick auf die Situation und das Geld im System so benennen –, weil wir weiter im Krisenmodus sind. Ja, die Wirtschaft schwächelt noch, und die Konsumnachfrage ist am Boden. Deswegen brauchen wir kluge fiskalische Impulse, um diesen Engpass zu lösen.
Da setzt im Übrigen die Industriepolitik der Ampel an. Wir haben eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht. Wir investieren schon massiv in Klimaneutralität und Schlüsseltechnologien. Wir diskutieren immer noch – ich hoffe, dass wir da bald zusammenkommen – einen Industriestrompreis. Wir reduzieren Bürokratie und machen Fortschritte bei der Planungsbeschleunigung. Wir unterstützen fairen Wettbewerb durch eine Novellierung des GWB und sichern – Frau Kollegin Detzer hat es schon gesagt – die Lieferketten für kritische Rohstoffe ab, indem wir hier für eine entsprechende Versorgungssicherheit sorgen. Investitionen und stabilisierte öffentliche Ausgaben sind relevant, um die wirtschaftliche Situation anzukurbeln. Vor diesem Hintergrund müssen wir die Diskussion in den Haushaltsverhandlungen führen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Reinhard Houben [FDP])
Außerdem haben wir heute zwei relevante Gesetze mit Blick auf die Fachkräfte und die Ausbildung beschlossen. Deutschland ist eine Weiterbildungsrepublik; das hat die Ampel verstanden. Es ist wichtig, dass wir entsprechende Akzente setzen.
Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich sage es noch mal: Die Inflation geht zurück. Die Entlastungspakete der Ampel zeigen Wirkung. Die Gaspreise sind im Übrigen mittlerweile niedriger als vor der Krise. Und auch die Konjunkturprognosen geben Grund zur Hoffnung – für 2024 sind sich die Institute einig –: Das RWI Leipzig sagt zum Beispiel 2,0 Prozent Wachstum voraus. Das zeigt: Wir sind auf einem guten Weg; die Talsohle ist bald durchschritten.
(Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])
Ich wäre froh, wenn wir hier mehr mit ökonomischem Sachverstand und weniger mit polemischen Ängsten agieren würden. Die Regierung stellt aber auch ohne die Opposition sicher, dass Deutschland gut für die Zukunft aufgestellt ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Bernd Schattner für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555839 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Maßnahmen zur Bekämpfung der Rezession |