23.06.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 113 / Zusatzpunkt 10

Antje TillmannCDU/CSU - Erdgas-, Wärme- und Strompreisbremsengesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist für mich eine neue Erfahrung, Steuerrecht vor Klimapolitikern zu diskutieren

(Andreas Mehltretter [SPD]: Energiepolitikern!)

– oder Energiepolitikern –, aber ich begreife das als Chance; denn Ihre Finanzpolitiker weigern sich seit Dezember, ein Problem zur Besteuerung der Gasumlage und der Gaspreisbremse zur Kenntnis zu nehmen.

Seit Dezember verursachen Sie mit diesen Entlastungen ein ungeheures Durcheinander in der Besteuerung, und das tun Sie heute wieder. Sie verlängern dieses Elend auch noch auf 2025.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also sollen wir die Bürgerinnen und Bürger nicht entlasten?)

– Ich wäre dankbar, wenn Sie drei Minuten zuhören würden.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann hier reinrufen, solange ich will! Das ist hier ein Parlament! Das ist vielleicht in Ihrer Finanz AG nicht so, aber hier ist es so!)

Danach können wir ja besprechen, ob das, was ich gesagt habe, richtig oder falsch ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schon in der Anhörung im Dezember hat einer der Sachverständigen auf die Frage, wer denn zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft die Entlastungen versteuern muss, gesagt – ich zitiere –: „Dann ist meine Wahrnehmung, dass der Energieversorger in vielen Fällen schon den Richtigen erwischt.“ Das ist eine sehr interessante Auffassung zur Besteuerung. Ich dachte, das wäre nicht unser Standard. Aber das liegt vielleicht daran, dass die gesetzlichen Grundlagen für die Besteuerung dieser Entlastungen seit Dezember in einem fachfremden Ausschuss erarbeitet werden, nämlich bei Ihnen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und nicht, wie es eigentlich sinnvoll wäre, im Finanzausschuss.

Bundesfinanzminister Lindner – es ist mir eine große Ehre, dass beide Minister heute meiner Rede lauschen –

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt? Wo ist er denn?)

hat jetzt dargestellt, dass die Steuereinnahmen aus der Dezemberhilfe nur noch 90 Millionen Euro ausmachen. Der jetzt schon entstehende Aufwand in der Finanzverwaltung macht 261 Millionen Euro aus, das aber nur dann, wenn Sie nicht noch Kontrollverfahren einführen, ohne die eine Besteuerung zur Hälfte sowieso nicht durchgeführt werden kann. Man kann sich ziemlich leicht ausrechnen, dass sich das wirtschaftlich nicht rentiert, und da sind die Kosten für die Vermieter, Verwalter und Gasunternehmen gar nicht berücksichtigt. Diese Besteuerung ist Unfug!

Jetzt machen Sie es heute so, dass Sie das ganze Elend auch noch auf 2025 ausdehnen. Sie müssen selber wissen, ob Sie sich den Ärger im Wahljahr antun wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger also nicht entlasten!)

Aber nur damit Sie es zur Kenntnis nehmen: Der Zufluss der 2022 geflossenen Entlastungen wird auf 2024 „fingiert“. Mit der 2025 fälligen Steuererklärung werden sehr viele längst vergessen haben, dass sie in 2022 Geld bekommen haben. Wir werden in vielen Fällen mit Bußgeldverfahren bei Bürgerinnen und Bürgern zu tun haben, die nicht steuerlich beraten werden. Das ist Ihre Verantwortung. Das müssen Sie für sich entscheiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was ich aber doppelt ärgerlich finde, ist, dass Sie nicht nur mit der Steuererklärung für 2023 die IT auf den Kopf stellen – denn die Finanzverwaltung muss das ja alles programmieren –, sondern das mit der für 2024 noch mal tun. Ich persönlich dächte, dass diese Programmierkapazitäten bei der Kindergrundsicherung wesentlich besser aufgehoben wären.

Jetzt haben wir mehrfach versucht, das im Finanzausschuss zu klären. In der letzten Sitzung des Finanzausschusses habe ich Fragen mit Antwortvorschlägen mitgebracht, damit es auch wirklich mundgerecht ist, und habe gefragt, wie denn die Besteuerung bei den unterschiedlichen Gruppen vorzunehmen ist. Was erzählt mir die Regierung? Das müsse man in eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mitnehmen. Ich bin nicht ganz sicher, Herr Minister, ob das mit Ihnen abgesprochen war, aber ich bin hundertprozentig sicher, dass der Mitarbeiter des Finanzministeriums in jedem einzelnen Fall wusste, wie die Besteuerung erfolgt oder wo das Problem liegt.

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird zu dem Ergebnis kommen: Das, was Sie da beschließen, geht technisch einfach nicht. – Das Ganze läuft ja bei Ihnen unter dem Stichwort „soziale Gerechtigkeit“. Dafür habe ich ja sogar was übrig.

(Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Sie haben was für soziale Gerechtigkeit übrig? Das ist ja verrückt!)

Sie haben mit der Gießkanne Entlastungen ausgeschüttet; der Reiche bekommt das Gleiche wie der Arme. Dass Sie jetzt versuchen wollen, durch Besteuerung rückwirkend dafür zu sorgen, dass vom Gutverdiener wieder etwas an den Staat zurückgeführt wird, dafür habe ich sogar Verständnis. Aber nichts von dem, was Sie tun, ist sozial. Ich nenne Ihnen nur wenige Beispiele:

Der angestellte Anwalt, der 300 000 Euro im Jahr verdient, versteuert jedenfalls die Entlastung durch die Gaspreisbremse nicht; denn es gibt für ihn gar keine Steuererklärungspflicht. Sie haben schlicht vergessen, diese einzuführen. Es gibt keine Kontrollmitteilung, also wird überhaupt niemand erfahren, dass er eine Gaspreisentlastung bekommen hat. Bei einem Einkommen von 300 000 Euro – warum auch?

Die Dividendenempfängerin, die 150 000 Euro einsteckt, muss die Dezemberhilfe ebenfalls nicht versteuern; denn die Abgeltungsteuerzahler haben Sie auch nicht berücksichtigt. Versteuern muss sie aber das Ehepaar mit Steuerklassenkombination III/V und einem Einkommen von 134 000 Euro. Was ist daran gerecht? Bitte tun Sie mir einen Gefallen: Überdenken Sie das noch mal.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mal ganz abgesehen davon, muss man feststellen, dass bei 60 Prozent der Steuerzahler das Finanzamt niemals erfahren wird, wie hoch die Entlastung durch die Gasumlage ist, und die Steuerpflichtigen selber auch nicht; denn mit der Verabschiedung des heute vorliegenden Gesetzentwurfs beschließen Sie, dass der Verwalter dem Mieter mitteilen soll, wie hoch die Entlastung ist. Der Mieter ist aber in vielen Fällen gar nicht identisch mit dem Steuerpflichtigen. Sie können den Studenten ja demnächst erklären, dass sie doch bitte mal unter sich ausmachen, wie die 16,71 Euro zu versteuern sind. Oder Sie können den nichtverheirateten Paaren erklären, dass sie die Entlastung zwar versteuern müssen, aber die verheirateten Paare nicht. Das ist eine Ungerechtigkeit, die ich in diesem Umfang im Steuerrecht noch nicht erlebt habe.

Tun Sie mir einen Gefallen: Überdenken Sie das! Steuergerechtigkeit herzustellen, heißt nicht, Besserverdienenden Geld wegzunehmen, um es in Bürokratiekosten zu verplempern. Überdenken Sie dieses Gesetz!

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7555860
Wahlperiode 20
Sitzung 113
Tagesordnungspunkt Erdgas-, Wärme- und Strompreisbremsengesetz
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