Josip JuratovicSPD - Bundeswehreinsatz in Bosnien und Herzegowina (EUFOR ALTHEA)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Wehrbeauftragte! Kolleginnen und Kollegen! Spätestens seit dem Angriffskrieg in der Ukraine wird die Frage der globalen Sicherheit wieder intensiver diskutiert. Um Frieden und Sicherheit geht es auch heute. Es geht um den deutschen Beitrag der Bundeswehr in der europäischen Friedensoperation EUFOR Althea in Bosnien und Herzegowina.
EUFOR Althea ist das älteste Mandat der EU und UN, an dem deutsche Streitkräfte teilnehmen. Seit einem Jahr und nach zehnjähriger Pause beteiligt sich unser Land mit der Bundeswehr wieder an der europäischen Friedensmission. Und es gibt gute Gründe, das Mandat zu verlängern:
Allen voran im Hinblick auf die Sezessionsbestrebungen der Republika Srpska, den Spielchen der Ethnonationalisten untereinander, die jegliche demokratische Entwicklungen in dem Land nach wie vor zu blockieren versuchen.
Sicherheitspolitische Turbulenzen, wie zuletzt im Kosovo, und die Gefahr, dass die serbische Bevölkerung für russische und chinesische Interessen missbraucht wird, sind real.
Zentraler Auftrag des Einsatzes ist es, in dem Land ein sicheres Umfeld zu gewährleisten und die militärischen Aspekte des Friedensabkommens von Dayton abzusichern.
Somit sichert dieser Einsatz das Umfeld für eine nachhaltige Stabilisierung in Bosnien und Herzegowina und in der Region.
Die Mandatsverlängerung bis zum 24. Juni 2024 sieht vor, die Obergrenze von 50 Bundestagsangehörigen
(Markus Grübel [CDU/CSU]: Ich bin dabei! – Zuruf von der LINKEN: Das wäre noch etwas!)
– Entschuldigung – Bundeswehrangehörigen beizubehalten. In Ausnahmefällen kann die Anzahl kurzfristig steigen. Dieses Kontingent soll dazu beitragen, die bosnisch-herzegowinischen Streitkräfte auszubilden, eine sichere Infrastruktur aufrechtzuerhalten und die Einhaltung des Dayton-Abkommens zu unterstützen.
Kolleginnen und Kollegen, das Mandat ist für die Bevölkerung in der Region Westbalkan auch psychologisch von enormer Bedeutung, gerade für die Menschen, die dem militärischen Horror in den 90er-Jahren ausgesetzt waren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Markus Grübel [CDU/CSU])
Wir wissen: Eine Bevölkerung kann sich nur gesellschaftlich frei entfalten, wenn die Frage der Sicherheit gelöst ist. Diese Freiheit und dieses Gefühl von Sicherheit werden von dem Mandat maßgeblich unterstützt.
Erinnern wir uns zurück: Nach Tod und Flucht Hunderttausender und dem Genozid von Srebrenica griff die internationale Gemeinschaft ein. Unter der Leitung des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton wurde das Friedensabkommen von Dayton in Zusammenarbeit mit der EU 1995 abgeschlossen. Es beendete den dreijährigen Krieg in Bosnien und Herzegowina und ordnete die territoriale Neuordnung des Staatsgebiets in die beiden Staatsteile der Föderation von Bosnien und Herzegowina und in die Republik Srpska ein.
Der Kompromiss erhält bis heute den Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina und sichert die Friedensordnung auf dem Westbalkan und sorgt somit auch für unsere eigene Sicherheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Thomas Hacker [FDP])
Denn im zweiten Jahr der Zeitenwende wissen wir: Die globale Friedensordnung gerät aktuell unter Druck in der Ukraine – und zuletzt auch in Bosnien und Herzegowina sowie im Westbalkan. Dies unterstreicht auch der aktuelle Bericht des Hohen Repräsentanten des OHR Christian Schmidt, welcher vor den gefährlichen Entwicklungen vor Ort ausdrücklich warnt.
Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie: Bei allen düsteren Szenarien im Umgang mit dem Westbalkan dürfen wir nicht den Optimismus verlieren! Ich könnte vermutlich die ganze Redezeit dieser Debatte dafür nutzen, um darüber zu reden, was derzeit auf dem Westbalkan schiefläuft, über die politisch kriminellen Ethnonationalisten, die das Land über Jahre lahmgelegt haben. Doch es gibt auch viele gute Gründe, an Bosnien und Herzegowina zu glauben. Seit den Wahlen im Oktober 2022 und der Konstituierung von Parlament und Regierung besteht Hoffnung für das Land, auch dank der Arbeit des Hohen Repräsentanten des OHR Christian Schmidt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gleichzeitig erhielt das Land endlich den EU-Kandidatenstatus. Beide Dinge sind maßgeblich entscheidend für die weitere Entwicklung in Bosnien-Herzegowina auf dem Weg in die EU.
Heute sehen wir nach Jahren des Stillstands eine funktionierende Regierung, funktionale Institutionen, die wir gezielt adressieren können – auch als Parlament. Wir haben eine Regierung, die nach Versöhnung sucht und die das Land auf den Weg Richtung EU zu bringen versucht. Das sind die Kräfte, die wir unterstützen müssen; denn sie bilden die Zukunft des Landes, sie bilden ein neues Bosnien und Herzegowina ab, welches sich auf ein starkes EUFOR-Althea-Mandat als Sicherheitsfaktor verlassen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die beste Verteidigung ist gesellschaftlicher Zusammenhalt, und zwar in einem demokratischen Umfeld.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Zaklin Nastic [DIE LINKE])
Deshalb müssen wir uns verstärkt am Aufbau der demokratischen Kräfte in der Region des Westbalkans beteiligen – mit dem Ziel, in der Zukunft nie wieder unsere Soldatinnen und Soldaten in den westlichen Balkan senden zu müssen.
Am Ende meiner Rede will ich mich auch im Namen des Hauses bei unseren Soldatinnen und Soldaten
(Beifall der Abg. Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP])
für ihren unermüdlichen Einsatz für die Sicherheit der Menschen in Bosnien und Herzegowina und für unsere eigene Sicherheit bedanken,
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
verbunden mit dem Wunsch, dass sie bald gesund nach Hause zurückkehren.
Als Unterstützung unseres Hauses für unsere Soldatinnen und Soldaten bitte ich Sie um Zustimmung für die Verlängerung des EUFOR-Althea-Mandats.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Rüdiger Lucassen.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555892 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Bosnien und Herzegowina (EUFOR ALTHEA) |