Wilfried OellersCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Tarifautonomie ist ein wesentlicher Bestandteil unserer sozialen Marktwirtschaft. Die Zahl der Tarifverträge ist leider abnehmend. Wir haben in Deutschland eine Tarifbindung von noch lediglich 50 Prozent. Wenn man sieht, welche Wirkung Tarifverträge haben, dann wäre es sehr begrüßenswert, wenn es viele Tarifverträge geben würde. Es ist auch das gute Recht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für solche Tarifverträge zu streiten.
Man muss daher auch denjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern großen Respekt und Anerkennung aussprechen, die sich für einen Tarifvertrag einsetzen, entweder wenn er neu geschlossen wird in einer Branche, in der es vorher noch keinen Tarifvertrag gab, oder wenn ebendiese durch Tarifverhandlungen entsprechend weiterentwickelt werden. Zu diesem Durchsetzen des Interesses gehört natürlich auch das Instrument des Streiks, das bei der Firma Vestas mittlerweile schon seit 100 Tagen angewendet wird. Das ist ein Mittel, was natürlich auch angewendet werden kann.
Allerdings – das muss ich dazusagen –: Sosehr dieses Interesse auch zu begrüßen ist, halte ich den Ort – Herr Ernst, da muss ich Ihnen widersprechen –, hier heute, um darüber zu diskutieren, für etwas fraglich.
(Andreas Bleck [AfD]: Was heißt denn „etwas“?)
Natürlich, wir können hier im Deutschen Bundestag über alle Themen diskutieren. Aber man könnte damit den Eindruck erwecken, dass wir im Deutschen Bundestag Regelungen treffen bzw. Lösungen für diesen konkreten Tarifstreit finden.
(Jessica Tatti [DIE LINKE]: Hat er nicht gesagt! Er hat Vorschläge gemacht!)
Deswegen muss ich sagen, ich finde es jedes Mal bedenklich, wenn wir hier Debatten über Tarifverhandlungen führen, die gerade aktuell sind und in der Wirtschaft stattfinden.
Ich weiß, dass es wehtut an der Stelle, aber da muss ich Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz zitieren, mit dem eben nicht nur die positive, sondern auch die negative Koalitionsfreiheit ermöglicht wird. Diesen Punkt muss man in meinen Augen schon zur Kenntnis nehmen. Natürlich wären mehr Tarifverträge wünschenswert, aber es gehören bei der Tarifautonomie immer noch zwei Parteien dazu, den Tarifvertrag zu schließen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir schon die Tarifautonomie hochhalten – das machen wir immer gerne –, dann darf man das nicht nur auf die Begrifflichkeit „Tarif“ stützen, sondern auch auf die Begrifflichkeit „Autonomie“, also die Freiwilligkeit des Abschlusses eines Tarifvertrages. Entsprechend ist auch Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz zu verstehen.
Deswegen ist es sicherlich anzuerkennen – ich habe es eben erwähnt –, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Firma Vestas diesen Streik führen und dieses Ziel verfolgen. Aber hier im Deutschen Bundestag den Eindruck zu erwecken, wir könnten in dem konkreten Fall eine Lösung finden, das halte ich für ein falsches Signal. Das sollte man auch nicht an die dortigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer senden.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich habe um Solidarität gebeten, nicht um eine Lösung!)
Ich habe versucht, mich in das Thema einzulesen. Ich habe jetzt zumindest nicht den Eindruck, als würde man sich grundsätzlich gegen den Abschluss eines Tarifvertrages zur Wehr setzen, sondern da ist eher die Frage, mit wem man ihn abschließt: Macht man das sozusagen innerbetrieblich, also mit dem Betriebsrat, oder macht man es mit einer Gewerkschaft?
(Bengt Bergt [SPD]: Einen Tarifvertrag kann man nicht mit dem Betriebsrat schließen! – Frank Bsirske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Tarifvertrag mit Betriebsräten?)
Das ist ein Streitthema mit grundsätzlichen Fragen, die wir hier im Deutschen Bundestag sicherlich nicht beantworten können. Man kann sicher über alles diskutieren, ich halte allerdings dieses Format hier für etwas fehl am Platze. Ich spreche aber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die für diesen Tarifvertrag kämpfen, trotzdem meinen Respekt und meine Anerkennung aus, dass sie das tun. Das ist auch ihr gutes Recht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frank Bsirske das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555925 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche |