Sebastian RoloffSPD - Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gruß spreche ich dieses Mal ausnahmsweise nicht nur Sie an, sondern auch die Kolleginnen und Kollegen bei Vestas, die Metallerinnen und Metaller, die sich, wie wir heute schon das ein oder andere Mal gehört haben, für ihre Arbeitsbedingungen einsetzen, die sich auf die Hinterbeine stellen, die das Verhalten des Unternehmens – das man durchaus für nicht professionell halten kann – nicht akzeptieren und sich für sich selbst, für ihre Kolleginnen und Kollegen und für die ganze Branche einsetzen.
(Beifall bei der SPD)
Ich finde es richtig, dass wir heute darüber sprechen, auch wenn der Deutsche Bundestag keine unmittelbare Abhilfe schaffen kann. Denn es ist eine gute Gelegenheit, sich noch mal zu vergegenwärtigen, dass es um einen ganz zentralen Eckpfeiler der sozialen Marktwirtschaft geht: die Sozialpartnerschaft. Mit dem Regelwerk „Tarifvertragsgesetz, Betriebsverfassungsgesetz, Mitbestimmungsgesetz“ haben wir in Deutschland eine einzigartige Kooperationskultur, die auf der einen Seite einer der maßgeblichen Gründe für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ist und auf der anderen Seite immer Garant für sozialen Frieden war.
(Beifall bei der SPD)
Dementsprechend ist die leider abnehmende Tarifbindung keine erfreuliche Nachricht. Ich freue mich, dass wir uns in der Ampel grundsätzlich zum Ziel der Stärkung der Tarifbindung bekannt haben. Mit dem Bundestariftreuegesetz wird diese Regierung dazu einen maßgeblichen Beitrag leisten. Ich freue mich sehr auf die Debatte.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist völlig klar, dass sich an bestehendes Recht gehalten werden muss. Es hat mich bei dem Fall, über den wir heute sprechen, schon gewundert, dass gerade ein dänisches Unternehmen – wenn man die dänische Mitbestimmungskultur kennt, wundert einen das umso mehr – überhaupt erst nach 73 Tagen mal mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern spricht – Stichwort „vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Das hat mich sehr verwundert. Die Bewertung der Verhandlungskultur des Unternehmens steht mir natürlich nicht zu. Aber man kann schon hinterfragen, ob ein Weltkonzern mit ungefähr 15 Milliarden Euro Umsatz nicht zumindest die Gesetze kennen und sich daran halten sollte. So weit kann man schon gehen.
Wir haben es schon mehrmals gehört, aber es muss noch mal gesagt werden: Es ist einfach nicht akzeptabel, Entgeltverhandlungen mit dem Betriebsrat zu führen. Das macht man mit der Gewerkschaft. Dafür gibt es gute Gründe. Dementsprechend bin ich froh, dass die Beschäftigten das nicht mitgemacht haben.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Im Übrigen ist es auch nicht akzeptabel, wenn man ein eigenes Angebot als Quasiergebnis vorlegt und dann zu den Beschäftigten sagt: Vogel, friss oder stirb! – Das ist keine Verhandlung auf Augenhöhe. Das geht so nicht, und das wollen wir gerade im Zukunftsmarkt der Windkraftanlagen so nicht sehen. Man braucht keine Glaskugel, um zu wissen, dass dieser Markt ein Zukunftsmarkt ist, dass er weiter wachsen wird. Das ist auch gut so, und ich bin auch sehr froh, dass wir diese Unternehmen in Deutschland haben. Aber es ist auch klar, dass wir bei der Tarifbindung noch Fortschritte machen müssen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich verstehe das Verhalten von Vestas umso weniger angesichts des Fachkräftemangels. Wer sich bei den Arbeitsbedingungen so verhält und seine Beschäftigten so behandelt, hat ein Stück weit das Recht verwirkt, sich über Fachkräftemangel zu beschweren.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)
Es ist im Übrigen kein gutes Zeichen für den Markt – ganz jenseits von sozialen Fragen –, wenn man die Unsicherheiten von Streiks und die damit verbundenen Risiken einkalkulieren muss. Dementsprechend wäre es günstig, wenn man die Tarifautonomie respektieren würde. Das würde schnell entsprechende Sicherheit schaffen. Ich hoffe, dass auf den 100. Streiktag, den wir am 10. Juni 2023 – man muss es fast so sagen – begangen haben, kein 120. folgt und wir zeitnah verlässliche und konstruktive Gespräche erleben. Die Solidarität der SPD-Bundestagsfraktion ist auf jeden Fall da.
Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen viel Kraft und gute Nerven. Eine Streikauseinandersetzung ist immer eine besondere Herausforderung, nicht nur finanziell. Dementsprechend herzliche Grüße an Martin Bitter und an das Team der IG Metall in Rendsburg in der Hoffnung, dass wir das im Sinne der Beschäftigten und im Sinne der Branche schnell zu einem guten Ende bringen.
Vielen Dank. Kommen Sie alle gut nach Hause!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7555935 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 113 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Tarifverträge in der Windradbranche |