05.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 114 / Zusatzpunkt 1

Maximilian MordhorstFDP - Aktuelle Stunde: Standort Deutschland in Gefahr

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde schon, dass diese Aktuelle Stunde berechtigt ist und dass auch wir als Regierung uns kritisch hinterfragen müssen bzw. dass wir die Lage klar analysieren müssen. Wir sprechen viel über Klimaschutz und über Digitalisierung; man mag es auch „Transformation“ nennen. Was wir aber merken: Alle Maßnahmen, die wir ergreifen wollen, hängen zum allergrößten Teil an privaten Investitionen, zu 90 Prozent im Vergleich zu staatlichen Investitionen. Das bedeutet: Wenn wir die wirtschaftliche Lage nicht deutlich verbessern, dann wird die Realisierung aller Anliegen, die wir sonst haben, aussichtslos sein.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Exakt!)

Ich glaube, es ist feste Überzeugung sowohl dieser Regierung als auch meiner Fraktion, dass wir dort vorankommen müssen. Denn Zahlen wie 6 Prozent Inflation können uns nicht zufriedenstellen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber was ist denn einer der Hauptgründe dafür? Ich erinnere mich noch, als ich vor zwei Jahren das erste Mal für den Deutschen Bundestag kandidiert habe. Ich habe davor fast nur Angela Merkel als Bundeskanzlerin und eine CDU-geführte Bundesregierung erlebt. Ich muss schon sagen, mein Gefühl war eher, dass ein Schleier über diesem Land lag,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Jetzt ist es aber ein ganzer Vorhang!)

dass Diskussionen kleingeredet wurden und die Wirtschaft nicht sonderlich vorangekommen ist.

Meine Analyse ist diese: Gerhard Schröder hat damals die Agenda 2010 eingeführt, die die Wirtschaft wieder ordentlich vorangebracht hat. Und die Union hat vor allem daran gearbeitet, daran möglichst wenig zu ändern, und das Land lange Jahre auf Verschleiß gefahren. Jetzt müssen wir mit den daraus erwachsenen Folgen leben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Deshalb haben Sie das Bürgergeld eingeführt! Jetzt haben Sie Hartz IV abgeschafft!)

– Ich finde gut, dass SPD und Grüne vielleicht auch mit Blick auf den ersten Teil der Analyse – „Agenda 2010“ – klatschen.

Was Sie immer wieder gerne machen, ist, Verantwortung wegzuschieben. Zu einer ehrlichen Analyse gehört aber auch, dass man bedenkt, dass Sie als CDU/CSU nicht nur auf Bundesebene als Bundestagsfraktion in der Opposition unterwegs sind, sondern auch in Landesregierungen mit allen möglichen Farbkonstellationen.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie auch!)

Und Sie sind auch auf der EU-Ebene unterwegs.

Da muss ich schon das ein oder andere wirtschaftspolitische Signal, das von dort ausgeht, hart kritisieren. Ich denke an die Energieeffizienzrichtlinie. Gegen das, was Ihre EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen da vorhat, sieht das Gebäudeenergiegesetz quasi aus wie ein Nichts. Dass wir uns EU-weit überhaupt so lange über ein Verbrennerverbot streiten mussten, geht auf eine Initiative der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurück.

Ich erinnere mal an etwas, was mich besonders stört: In meiner Generation ist gerade eine Aktienkultur am Entstehen. Viele junge Menschen, auch Kleinstanleger, haben Lust, bei Neobrokern zu investieren. Jetzt bekommen wir ein Payment-for-Order-Flow-Verbot, um gerade diese Neobroker kleinzukriegen. Auch dort hört Ihre Ursula von der Leyen lieber auf die Bankenlobby, als wirklich etwas für eine moderne Wirtschaftspolitik zu tun.

(Beifall bei der FDP)

Machen wir uns alle mal ehrlich! Wir haben über die Sommerpause ja Zeit, ein bisschen in uns zu gehen, das tut einer Regierungskoalition immer gut. Aber wenn wir das tun, dann kann ich Sie bitten, genau dasselbe zu tun und vielleicht mal mit Ihren EU-Spitzen, mit Ihren Vertretern im EU-Parlament und Ihrer EU-Kommissionspräsidentin, in einen noch engeren Austausch zu treten, damit wir gemeinsam für eine vernünftigere Wirtschaftspolitik sorgen können.

Ein letzter Punkt, der aus meiner Sicht wichtig ist, ist das Einhalten der Schuldenbremse und eine vernünftige Haushaltspolitik. Wir haben es geschafft, einen Bundeshaushalt vorzulegen, bei dem die Schuldenbremse eingehalten wird, der – anders als einige hier behaupten; das stört mich persönlich sehr – kein Sparhaushalt ist, sondern es ist ein bisschen weniger „mehr Staat“ als in den letzten Jahren – ein Aufwuchs, den auch Sie während Corona fleißig vorangetrieben haben. Ich würde mir wünschen, dass wir da ein bisschen andere Prioritäten setzen.

Wir haben gerade gehört, welche Vorstellungen Die Linke so hat: zentralstaatliche Gesellschaftsklempnerei statt Politik. Wir haben aber auch gehört, was sonst noch so an Argumenten durch die Gegend geistert. Ich würde mir schon wünschen – vielleicht können wir uns das wirtschaftspolitisch auf die Fahne schreiben –, dass wir in den Haushalten ein bisschen weniger Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für NGOs und deren Vorfeldorganisationen finanzieren,

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sie sind in der Regierung!)

ein bisschen weniger hauptamtliche Politikerklärer staatlich finanzieren und vielleicht ein bisschen mehr steuerlich entlasten. Dann müssen wir auch weniger über noch mehr Subventionen und noch mehr Staat reden, sondern wir können bei einer Staatsquote von 50 Prozent auch mal darüber reden, dass vielleicht weniger Staat wirtschaftliche Aktivität eher befördert, anstatt im Nachhinein mit Steuergeld zu subventionieren.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Da müssen Sie Ihre Koalitionspartner angucken!)

Sie sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen. Wir arbeiten weiterhin dafür, dass genau das die Richtung der Koalition wird. Wie erfolgreich das sein wird, werden wir dann in den nächsten Jahren sehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN] – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da rührt sich bei Ihrem Koalitionspartner keine Hand! Eine schöne Regierung ist das!)

Vielen Dank, Herr Kollege Mordhorst. – Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Robert Farle.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556001
Wahlperiode 20
Sitzung 114
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Standort Deutschland in Gefahr
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta