Beatrix von StorchAfD - Wettbewerbsfähigkeit im int. Steuerwettbewerb
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig erklärt. Damit ist die Büchse der Pandora geöffnet.
Den Suizid zu einem Akt persönlicher Autonomie zu erklären, führt uns nach meiner festen Überzeugung auf einen entsetzlichen, tödlichen Pfad. Die Niederlande sind diesen Weg vor uns gegangen. Das Ergebnis ist verheerend: 2021 7 666 Tote durch assistierten Suizid und dort überwiegend durch Tötung auf Verlangen. Das sind 4,5 Prozent aller Sterbefälle dort, 10 Prozent mehr als im letzten Jahr, zehnmal mehr als Verkehrstote. Hochgerechnet auf Deutschland wären das 34 000, dreimal mehr als zurzeit.
Als das Suizidhilfegesetz in den Niederlanden beschlossen wurde, ging es um extreme Fälle, in denen Menschen schwerstkrank waren, ohne Überlebensperspektive. Jetzt geht es nicht mehr nur um unheilbar Kranke, es geht immer mehr auch um körperlich gesunde Menschen, die noch ein langes Leben vor sich hätten, die eigentlich Hilfe brauchen und suchen.
Die Kingston-Universität hat eine Studie gemacht in den Niederlanden. Dort werden Menschen mit geistiger Behinderung und Autismus legal getötet. Die Studie hat 39 solcher Fälle aus 2012 bis 2021 aufgedeckt bei einer Stichprobe von 900 aus 60 000 Fällen. Wenn man das auf Deutschland hochrechnet, dann wären das in Deutschland 11 500 Menschen, geistig Behinderte und Autisten, die getötet worden wären. Ein besonders trauriges Beispiel aus der Studie: ein junger Mann in seinen 20er-Jahren, der den Grund für seinen Sterbewunsch benennt: soziale Isolation. Er wollte sterben, weil er einsam war.
Der Kreis potenziell Betroffener wird damit fast grenzenlos. In Umfragen des Sozio-oekonomischen Panels geben 42 Prozent der Deutschen an, dass sie sich einsam fühlen. Der niederländische Psychiater Dr. Bram Sizzo erklärt die Motivation der Menschen, Assistenz beim Suizid zu suchen – ich zitiere –:
Sie glauben, dass dies das Ende ihrer Probleme und das Ende der Probleme ihrer Familien sein wird.
Das heißt, sie nehmen sich das Leben, weil sie ihrer Familie nicht zur Last fallen wollen. Das ist schrecklich.
Die vorliegenden Gesetzentwürfe betonen, dass der Suizid aus freien Stücken erfolgen soll, als autonome Entscheidung. Sie sehen also alle die Gefahr, dass Menschen sich unter sozialem Druck das Leben nehmen. Ich glaube nicht, dass sie das verhindern werden; keiner der Entwürfe. Gegen sozialen Druck hilft keine auch doppelte Beratungspflicht und kein Vermerk auf einem Beratungsschein. Gerade in Krisenzeiten wächst der Druck auf Alte und Kranke – nicht nur auf die, aber auf die besonders –, niemandem zur Last zu fallen. Wir werden sehr viel mehr Alte und Kranke haben ohne Familien und sehr viel mehr Krise.
Der Bundeskanzler hat von mehr Respekt gesprochen. Die Realität sieht anders aus. Eine häufige Überschrift im Frühjahr war „Wohnungsnot in Deutschland: Rentner leben zu großzügig …“. Die Uni Regensburg hat vorgeschlagen, durch die Erhöhung der Mietpreise die Rentner in kleinere Wohnungen zu zwingen, und in Berlin setzt das Berliner Kirchenstift 110 Senioren vor die Tür.
Und dazu kommt: Die gesamte Infrastruktur von Betreuung, Beratung und Pflege von Alten, Kranken und Hilfsbedürftigen und körperlich und geistig kranken Menschen befindet sich in einer existenziellen Krise. Pflegeheime gehen in großer Zahl insolvent. In Hessen schlossen 25 in diesem Jahr. 60 Prozent der Krankenhäuser sind in einer wirtschaftlichen Schieflage; viele werden schließen. Die ortsnahe Versorgung von alten und kranken Menschen ist schon schlecht und wird noch viel schlechter. Die Not wird wachsen. Die durchschnittliche Wartezeit auf einen Therapieplatz für Menschen in einer psychischen Notlage beträgt fünf Monate. Was wird die Folge sein, wenn es angesichts der Krise in der Pflege und der Gesundheitsvorsorge einfacher sein wird, eine wohnortnahe, ergebnisoffene Suizidberatung zu bekommen als einen Pflege- oder Therapieplatz? Noch bevor wir die Suizidprävention stärken, wollen Sie für ergebnisoffene Suizidberatung sorgen.
Das sind nicht meine Werte. Wir sollen unser Leben in Freiheit und Verantwortung vor Gott leben. Anfang und Ende des Lebens liegen alleine in Gottes Hand. Daran glaube ich.
Vielen Dank.
(Beifall bei der AfD)
Nächster Redner: Helge Lindh, Gruppe „Helling-Plahr/Künast und andere“.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Lukas Benner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556074 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Wettbewerbsfähigkeit im int. Steuerwettbewerb |