06.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 115 / Zusatzpunkt 6

Muhanad Al-HalakFDP - Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland

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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sagen, ich bin einigermaßen überrascht, dass ausgerechnet die Fraktion ganz rechts von mir diese Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt hat. Denn damit haben wir die Gelegenheit, unser tiefes Mitgefühl auszusprechen: der Familie des Getöteten, den verletzten Einsatzkräften und ihren Familien. Unser Mitgefühl all jenen, die unter den Ausschreitungen leiden!

Wir haben die Gelegenheit, unseren französischen Freunden unsere Anteilnahme auszudrücken.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

In der Gewissheit, dass die starke französische Gesellschaft, dass die lebendige französische Demokratie und dass deren gewählte Vertreter in diesen intensiven Zeiten zu den Debatten und Lösungen kommen, die passen, und zwar ohne Zwischenrufe aus Deutschland.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin auch überrascht, weil uns diese Aktuelle Stunde die Möglichkeit gibt, über Parallelgesellschaften in Deutschland zu sprechen; denn die gibt es. Ja, auch wir haben da ein Problem in Deutschland. Wir haben sogar ein großes Problem.

Es sind zumeist Menschen, die sich abgehängt und unverstanden fühlen, Menschen, die keine Perspektive sehen, Menschen, die sich zusammenschließen, vernetzen und Sachbeschädigungen begehen, die Einrichtungen unseres Staates angreifen und anzünden,

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wer kann das sein?)

die Munition horten, die Vertreter unseres Staates, unserer Polizei ermorden, erschießen und regelrecht hinrichten. Es sind Menschen, die unseren Staat nicht anerkennen, die sich aus der Realität flüchten in absurde Gedankenwelten und Verschwörungstheorien, die den Tag X herbeisehnen.

Wir haben ein Problem mit Applaus für Gewalt und Hetze. Wir haben ein Problem mit Fake News. Wir haben ein Problem mit Parallelgesellschaften von Reichsbürgern, NSUs, Rechtsextremen. Ein Rechtsextremer sitzt sogar einem AfD-Landesverband vor.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Nur einer?)

Wir haben ein Problem mit brennenden Asylunterkünften, die aus Hass gegen Menschen und unsere Demokratie niedergebrannt werden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin wirklich überrascht; denn das, was wir uns von den Antragstellern dieser Aktuellen Stunde anhören mussten, ist an Sarkasmus kaum zu überbieten. Sie wollen Parallelgesellschaften in Deutschland verhindern. Dann fangen Sie doch mal bei sich selber an!

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der AfD)

Wenn Sie hier im Hause in die Runde schauen, dann sage ich Ihnen: Wir Demokraten hier mögen in der Sache sehr weit auseinanderliegen; aber wir sehen uns als Mitmenschen. Wir kritisieren – auch scharf – die Ideen anderer; aber wir sprechen ihnen niemals ihre Würde ab – nie!

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN]

Wir machen Unterscheidungen bei verschiedenen Ansichten und Meinungen, niemals aber aufgrund von Herkunft, Religion, Aussehen oder sonstigem Menschsein.

(Zuruf von der AfD: Wir auch nicht! – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie von der AfD hingegen versuchen, eine menschliche Tragödie in unserem Nachbarland für Zündelei an den Grundfesten unserer Verfassungsordnung zu missbrauchen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Wie kommen Sie denn darauf?)

Sie wollen genüsslich und wissentlich mit billigen Bildern die Menschen in unserem Land spalten. Dafür nutzen Sie hinterhältig das Leid anderer. Als Liberaler und als Demokrat sage ich Ihnen: Das ist purer rhetorischer Sadismus, was Sie hier betreiben.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das meine ich sagen zu können: Bei dem Spiel sind fünf von sechs Fraktionen hier im Hause nicht dabei. Wir können jederzeit über kriminelle Strukturen reden, über Rechts- und Linksextremismus, über Islamismus bis hin zu Organisierter Kriminalität; denn kein Demokrat hier im Haus – das meine ich auch sagen zu können – hat etwas dagegen, gegen Kriminelle vorzugehen. Aber Sie versuchen, ganze Menschengruppen zu kriminalisieren. Meine Damen und Herren, ich könnte gar nicht so viel essen, wie ich – – Das darf ich nicht sagen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was Sie von der AfD hier heute versuchen, ist erbärmlich. Denn wir Demokraten haben die Werkzeuge in der Hand: Diskurs; Streit um Argumente; Aufzeigen von Grenzen, die für alle gelten; Selbstkritik. Sie aber wollen sich dem entziehen, sich dem Gespräch verweigern, weil Sie Menschengruppen grundsätzlich nicht als gesprächswürdig erachten.

(Jörn König [AfD]: Wir haben die Stunde beantragt!)

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Ich hoffe, unsere französischen Freundinnen und Freunde haben der alternativen Schande für Deutschland nicht genau zugehört.

Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Wenn Ihnen das gerade zu populistisch war, mache ich es ganz kurz – für die Juristen unter Ihnen –: Artikel 1 Grundgesetz. Der Rest ist trivial, hoffentlich.

Herr Kollege.

Merci.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Martin Hess [AfD]: Ab ins Nirwana! So ist es!)

Nächster Redner ist der Kollege Armin Laschet, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556171
Wahlperiode 20
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland
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