Armin LaschetCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland
Vielen Dank. – Herr Präsident! Ich möchte an das anknüpfen, was der Kollege Al-Halak gerade hier beschrieben hat. Das Thema lautet „Unruhen in Frankreich“; aber Sie haben das Wort „Frankreich“ so gut wie nicht in den Mund genommen.
(Enrico Komning [AfD]: Sie haben nicht zugehört!)
– Doch, ich habe sehr wohl zugehört. Ich habe gehört, dass hier gedroht wurde, dass „aufgeräumt“ werde, wenn Sie an die Macht kommen. Wir sagen Ihnen: Wir werden dafür sorgen, dass Sie nie Verantwortung in diesem Land haben. Das können Sie sich merken.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Ich habe sehr wohl zugehört. Über Frankreich wird hier nicht gesprochen. Über die Herkunft des Problems haben Sie nicht gesprochen, sondern Sie haben gleich über Parallelgesellschaften in Deutschland gesprochen. In der Tat, da haben Sie recht: Das war eine Parallelgesellschaft, der NSU, der zehn Jahre mordend durchs Land zog.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sagen Sie was zum Thema hier!)
– Das möchten Sie nicht gerne hören; aber Ihre Gesinnungsgenossen haben Menschen ermordet in diesem Land. Das war eine Parallelgesellschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Deshalb ist die Kernfrage: Wie kann man dem begegnen? Was muss man tun, um Gewalt zu bekämpfen? Da war auch spürbar, besonders bei dem ersten AfD-Redner, dass Sie eigentlich die Erfolge von Integrationspolitik gar nicht kennen.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Welche denn? Sie haben doch völlig versagt in NRW! Sie sind mit schuld an den Clans!)
– Haben Sie Herzprobleme, oder was?
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Können Sie kurz das Argument hören?
Sie haben gesagt, das Problem wird mit Geld zugeschüttet. Das heißt, Sie haben überhaupt nicht verstanden,
(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er auch nicht!)
dass die, die in Frankreich in den Banlieues leben, zum Teil Angehörige von Kämpfern der französischen Kolonialmacht sind, die auf der Seite Frankreichs gekämpft haben und denen Frankreich dann ermöglicht hat, nach Paris einzuwandern. Der große Fehler war: Man hat sie in Banlieues untergebracht.
(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)
Sie hatten kaum eine Aufstiegschance in der französischen Gesellschaft.
(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Ist das ein Grund, kriminell zu werden?)
Die Präsidenten Frankreichs haben nach 2005 erkannt, dass man mehr Geld in die Hand nehmen muss:
(Dr. Gottfried Curio [AfD]: Muss man nicht!)
für Bildung, für Aufstiegschancen, für bessere Stadtviertel, für den Abriss von manchen Hochhäusern, um das Viertel anders zu gestalten. Und genau das wollen Sie nicht. Sie wollen nicht, dass die Menschen in die Gesellschaft integriert sind.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Gottfried Curio [AfD]: Auch wer nicht aufsteigt, muss rechtstreu sein! – Weitere Zurufe von der AfD)
Deshalb sagen Sie: Die wurden quasi mit Geld zugeschüttet.
Ihre Partnerpartei in Frankreich, Rassemblement National, hat im Parlament gesagt: Ausländische Straftäter ausweisen. – Dann hat der französische Innenminister entgegnet: 90 Prozent der Festgenommenen sind Franzosen. Es geht hier um kriminelle Jugendliche und nicht um Ausländer. Sie sprechen Französisch.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Es geht doch um Kultur!)
– Es geht doch nicht um Kultur. – Deshalb ist das viel zu simpel, die Gesellschaft zu spalten.
Ich trage Ihnen – die Redezeit ist ja hier sehr kurz; das könnte man lange fortsetzen – ein paar Zeilen von der Großmutter des getöteten Jugendlichen vor. Diese Frau hat gesagt: Hört auf mit den Krawallen! Allen, die dabei sind, Dinge zu zerstören, sage ich: Hört auf! Sie sollen keine Schaufenster einschlagen, keine Schulen zerstören, keine Autobusse. Es sind Mütter, die die Busse nehmen, es sind Mütter, die auf den Straßen unterwegs sind. – Eine mutige Frau, die gerade ihren Enkel verloren hat, sagt das.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das hat mich erinnert an Mevlüde Genc. Mevlüde Genc wird das Opfer eines Brandanschlags von Rechtsradikalen. Fünf Angehörige sterben. Es drohen Unruhen damals in Deutschland, und sie ruft am nächsten Tag zur Versöhnung auf und sagt: Das waren nicht die Deutschen; das waren vier Straftäter, die bestraft werden müssen. – Etwas von dieser Großmut der Großmutter aus Frankreich und von Mevlüde Genc, die wünsche ich Ihnen in Ihrer Sprache und in Ihrem Umgang mit der Not von Menschen – etwas von der Großmut.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Vielen Dank, Kollege Laschet. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Sebastian Fiedler, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland |