06.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 115 / Zusatzpunkt 6

Sebastian FiedlerSPD - Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nahtlos an Armin Laschet anschließen und fühle mich bei zwei der Redner heute daran erinnert, dass deutsche Gerichte entschieden haben, dass man Herrn Höcke einen Nazi nennen darf, weil es ein auf Tatsachen basierendes Werturteil sei.

(Zurufe von der AfD)

Ich kann mich dem heute wirklich außerordentlich gut anschließen und verstehe die Argumentation des Gerichtes gut, weil wir an den Reden heute, glaube ich, vieles davon festmachen können, was zu dem Werturteil hinsichtlich Herrn Höcke geführt hat. Ich will das an ein paar Stellen durchaus festmachen:

Ich war in der letzten Woche in Lyon – tagsüber, Gott sei Dank –, habe Interpol besucht, war beim Interpol-Generalsekretär, und habe tatsächlich dann Bilder bekommen, wie es abends an denselben Stellen ausgesehen hat, und habe das zum Anlass genommen, mich danach zu erkundigen, was denn Französinnen und Franzosen und französische Polizisten selbst dazu sagen; das haben wir heute noch nicht so vorgetragen.

Sie tun genau das, was an vielen Stellen von vielen Rednerinnen und Rednern der demokratischen Parteien schon vorgetragen worden ist: Sie skizzieren genau die Situation in den Vororten; sie skizzieren, dass es sich dort um Armut handelt, um soziale Ausgrenzung, so die Problembeschreibung. Ein schlechtes Schulsystem, das Bildungssystem in den jeweiligen Stadtquartieren werden genannt. Also: Das ist ein Verstärker der sozialen Probleme. Das, was hier von den Antragstellern sozusagen in Abrede gestellt wird, wird auch von den Französinnen und Franzosen durchaus als ein klarer Ursachenzusammenhang genannt.

Im Vergleich dazu – auch das schildert man dort sehr gut, und das hat Armin Laschet gerade schon richtigerweise gesagt – sind Einwanderer in Deutschland außerordentlich gut integriert. Das passt jetzt vielleicht nicht so in das Bild der Antragsteller; aber man darf ja nicht die gute Arbeit all derjenigen Menschen in Deutschland infrage stellen, die sich so wahnsinnig viel um Integration hier bemühen. Das hat eben nichts mit Clankriminalität zu tun – darüber sprechen wir heute Abend noch mal –, sondern Integration gelingt zuallererst in vielen Fällen außerordentlich gut im Vergleich zu den Situationen, über die wir gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich will auf die Polizei noch mal zu sprechen kommen, weil das ein paar Unterschiede aufzeigt und ein paar Zusammenhänge deutlich macht. Es wird dort die Zentralisierung des staatlichen Gewaltmonopols in einer solchen Organisation als ein Problem herausgestellt und beschrieben, weil nämlich die staatliche Machtstruktur dort von denjenigen, die sich abgehängt fühlen, als ein Problem und als ein Konfrontationsmechanismus genannt wird. Ich darf daran erinnern, dass die AfD in ihrer Programmatik in der Vergangenheit forderte, die Bereitschaftspolizeien der Länder aufzulösen und der Bundespolizei zuzuschlagen. Es sind also durchaus solche zentralstaatlichen Ideen in der AfD wiederzufinden, weswegen man, glaube ich, auf diese Zusammenhänge durchaus hinweisen darf. Wenn man dann noch die Kultur des Protests und das fehlende Vertrauen in die staatlichen Sicherheitsbehörden zusammen betrachtet, dann wird, glaube ich, an dieser Stelle erkennbar, welche Probleme dort bestehen.

Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die AfD dieses deswegen in den Vordergrund stellt, weil sie versucht, das Thema ganz besonders in der Ausnahmesituation in den sozialen Netzwerken mit Desinformationen und Falschinformationen hochzuziehen, die dort tatsächlich quasi einen Sog erzeugen in Bezug auf das, was wir hier gerade gehört haben, dann versteht man, wie der Mechanismus der Rechtsextremen funktioniert. Deswegen hat das eine mit dem anderen sehr, sehr stark zu tun, nämlich nicht anzuerkennen, dass auf der einen Seite Integration hier im Vergleich zu Frankreich gut funktioniert,

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

während es dort ein Integrationsthema gibt, und dass auf der anderen Seite Vertrauen aller Teile der Gesellschaft in die Sicherheitsbehörden von essenzieller Bedeutung für den sozialen Frieden hier in Deutschland ist. Das ist ein positiver Aspekt, den man hier in den Vordergrund stellen sollte.

Die Erzählung, die übrig bleibt, ist: Wir hier drinnen gegen die da draußen. – Das ist die Erzählung der AfD, die übrig bleibt. So kann man im Prinzip die ganzen Reden zusammenfassen, die sich nur an die Youtube-Gemeinde gerichtet haben.

Ich finde, wir sollten hier die positiven Dinge in den Vordergrund stellen und auch mal sagen: Integration funktioniert hier in vielen Teilen gut; die Polizei ist vergleichsweise gut organisiert. Und über Clankriminalität reden wir heute Abend noch einmal. Welche Rezepte Sie da auf die Tagesordnung bringen,

(Lamya Kaddor [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine wahrscheinlich!)

darauf kommen wir noch mal zu sprechen. Aber an dieser Stelle, glaube ich, sind Ruhe und Gelassenheit wichtig und ist der Zusammenhalt der Gesellschaft in den Vordergrund zu rücken und nicht die rechtsextremen Parolen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556174
Wahlperiode 20
Sitzung 115
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Unruhen in Frankreich - Parallelgesellschaften in Deutschland
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