Oliver GrundmannCDU/CSU - LNG-Beschleunigung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Woche eindrucksvoll gesehen, was passiert, wenn die Bundesregierung mit dem Kopf durch die Wand will, wenn die Sachverständigen und das Parlament zu Statisten und Komparsen degradiert werden. Auch hier hat der Kanzler entschieden: Eine Ferieninsel wird LNG-Standort. Basta! – Diese Entscheidung ist wohl schon im September bei diesem denkwürdigen Treffen in Potsdam mit den „Glücksrittern“ von Mukran gefallen – „Leute, die von Gold hören und sich schnell noch Schürfrechte sichern“, wenn ich an dieser Stelle die „Süddeutsche Zeitung“ der letzten Tage zitieren darf.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Richtig!)
Wissen Sie, wer mich kennt, der weiß, dass ich sicherlich der Letzte hier im Parlament bin, der sich gegen Flüssiggas und LNG-Terminals ausspricht. Ich kämpfe seit anderthalb Legislaturperioden als Wahlkreisabgeordneter für ein solches Terminal am Standort Stade an der Unterelbe, das der Kanzler explizit nicht wollte, das jetzt aber kommen wird.
Ich reibe mir schon die Augen, Herr Bundesminister, wenn ich jetzt nach Rügen schaue, wo alles in Turbogeschwindigkeit realisiert wird, wo Vorfestlegungen des Kanzlers durch pseudowissenschaftliche Fakten untermauert werden, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen, Stichwort „Offshoreterminal“.
(Dr. Carolin Wagner [SPD]: Immer den rechten Scheiß übernehmen! – Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Damit kenne ich mich ziemlich gut aus. Jahrelang wurde behauptet, auf der Elbe, an unserem Standort in Stade, könnten LNG-Schiffe nicht anlanden und auch nicht drehen. Das war vielleicht eine irrtümliche Falschbehauptung, die sogar der Kanzler aufgestellt hat, die von einigen sicherlich in die Welt gesetzt wurde, um den Standort kaputtzureden. Also: In Stade konnten keine Schiffe drehen, und – Überraschung! – Offshoreterminals vor Rügen sind eine nicht realisierbare Raketentechnologie – egal was Sachverständige sagen, egal ob solche Terminals an anderen Orten auf der Welt problemlos funktionieren und betrieben werden, egal was die Menschen vor Ort sagen.
(Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])
Ich kann Ihnen sagen: Ich kann die Menschen auf Rügen auch verstehen. Die werden sich nämlich noch die Augen reiben. Wir haben bei uns im Landkreis Stade eine neue Attraktion: den gleißenden Kometen am anderen Elbufer. Da ist nämlich eine FSRU. Die wird in der Nacht komplett wie mit einem Flakscheinwerfer beleuchtet. Das muss sie; wegen der Arbeitssicherheit ist das erforderlich.
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Das alles ist erforderlich. Aber auf Rügen? Bei uns an der Elbe ist das okay; wir sind ein Industriestandort. Aber auf einer Ferieninsel? Ich kann Ihnen sagen: Diese Art der Hauruckpolitik halten wir für grundlegend falsch.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte für unsere Fraktion eines betonen: Es geht hier nicht um eine Bedarfsanalyse. Wir brauchen LNG, wir brauchen Flüssiggas.
(Katrin Zschau [SPD]: Aha!)
Es geht nicht um das Ob, es geht hier allein um das Wie. Mal ehrlich: Worüber stimmen wir heute eigentlich ab?
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Vielleicht lesen Sie mal den Gesetzentwurf!)
Die „WirtschaftsWoche“ titelte Anfang dieser Woche – ich zitiere –:
Ausgerechnet das neu gefasste LNG-Beschleunigungsgesetz der Ampelregierung könnte die Pläne
– für den Terminalbau –
zunichtemachen.
Das steht dadrin.
Herr Grundmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Banaszak aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?
Ja.
Herr Banaszak, Sie haben das Wort.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sehr souverän!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie führen hier fort, was der Kollege Amthor in erster Lesung schon getan hat. Sie tun so, als würden Sie im Prinzip an der Seite der Bürgerinnen und Bürger auf Rügen stehen, deren Bedenken ich sehr gut nachvollziehen kann und in weiten Teilen unterstütze.
(Zuruf von der CDU/CSU)
– Sie können sich gerne hinterher meine persönliche Erklärung ansehen; das ist alles dargestellt. Wir haben das ausführlich diskutiert.
(Zuruf von der AfD)
Was Sie hier machen und was der Kollege Amthor vor zwei Wochen auch schon getan hat, ist das Prinzip „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Ich habe Alternativen vorgeschlagen!)
Sie haben gerade angesprochen: Sie waren ja immer dafür, dass LNG-Terminals gebaut werden. Das ist nicht passiert in der Vergangenheit, aber es ist ja viel anderes auch nicht passiert.
(Zuruf von der AfD)
Es ist beispielsweise nicht passiert, dass man sich frühzeitig Gedanken macht, wie man den Gasverbrauch oder generell den Verbrauch fossiler Energieträger reduzieren kann. Es ist kein Gedanke daran verschwendet worden, solche Dinge, wie wir sie gestern verabschiedet haben, oder wie das Effizienzgesetz, das auch zur Energieversorgungssicherung beiträgt, überhaupt anzugehen. Es ist nichts getan worden, um beispielsweise den Gasverbrauch im Gebäudebereich endlich zu senken. Auch das muss diese Regierung jetzt übernehmen.
(Henning Otte [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Frage? – Enrico Komning [AfD]: Kurzintervention!)
Finden Sie nicht, dass es gerade gegenüber den Menschen auf Rügen angemessen wäre, wenn auch Sie für den Teil des Dilemmas Mitverantwortung eingestehen würden, den Sie zu verantworten haben?
(Enrico Komning [AfD]: Der hält ja eine ganze Rede!)
Finden Sie nicht, dass es angemessen wäre, zu sagen, dass das, –
Kommen Sie zum Punkt.
– was Robert Habeck und die Bundesregierung tun müssen, auch Folge Ihrer Politik ist und dass Sie sich deswegen jetzt nicht vor diesen Dilemmata verschließen können und so tun können, als hätten Sie damit nichts zu tun?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Kollege Banaszak, wir alle haben hier natürlich eine Gesamtverantwortung.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erkennt man bei Ihnen nur nicht!)
Dieses Dilemma, was wir hier sehen, haben wir alle zu verantworten. Ich kann Ihnen sagen: Ich war in der letzten Legislaturperiode Berichterstatter für das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz. Da ging es zum Beispiel um Planungsbeschleunigung, darum, dass wir den entsprechenden Trassenausbau schneller realisiert bekommen, dass wir minimalste Planungsfehler, zum Beispiel bei Windparkprojekten, heilen können.
Und wissen Sie was? Der Kollege Miersch war damals der entschlossenste Gegner, als ich versucht habe, dieses Gesetz für meine Fraktion durchzubringen. Und wissen Sie, wie die Unterstützung von den Grünen war? Gleich null.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Also, vor dem Hintergrund brauchen wir uns hier keine Belehrungen anzuhören. Das ist auch das, was ich ehrlicherweise kritisiere: dieses ewige Zeigen auf die letzten 16 Jahre Regierungspolitik. Hier hat es leider auf allen Seiten ein Versagen gegeben, weil wir uns ein Stück weit in Sicherheit geglaubt haben.
Zurück zum Standort. Ich will nur sagen, dass wir hier in jedem Fall nicht permanent die Regeln ändern können. Hier geht es nicht um das Ende eines Brettspiels, bei dem die Regeln immer wieder geändert werden können. Hier geht es um Milliardeninvestitionen. Deswegen müssen wir eben auch Genehmigungs- und Investitionssicherheit haben. Hier geht es um die nationale Versorgungssicherheit. Jedenfalls in der Bundesregierung will, glaube ich, keiner mehr ernsthaft, dass die Terminalstandorte gefährdet werden. Das gilt sowohl für die FSRUs als auch für die landbasierten Terminals.
Ich weiß auch: Es wurde in den letzten Tagen und Wochen unglaublich viel nachgearbeitet, damit aus dem Beschleunigungsgesetz, das hier in großer Breite verabschiedet wurde, kein Entschleunigungsgesetz wird. Es gibt nämlich breite Teile, insbesondere bei Ihnen, in der Fraktion der Grünen, die an diesen Standorten und an der Realisierung von solchen Projekten die allergrößten Zweifel hegen und die sie am liebsten überhaupt nicht realisieren würden.
Ich möchte denjenigen in der Bundesregierung – es sind wenige gewesen –, die sich entschlossen dafür eingesetzt haben, ausdrücklich danken. Ich kann Ihnen sagen: Für den Standort Stade ist jetzt hoffentlich die größte Gefahr gebannt. Aber auf der sicheren Seite – für die Investoren an den Standorten, für die betroffenen Bürger auf Rügen und für die Versorgungssicherheit in unserem Land – sind wir nur mit dem, was im Änderungsantrag der Union gefordert wird. Am Ende bleibt zu hoffen, dass wir nach dem GEG-GAU nicht auch noch einen LNG-GAU bekommen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Bengt Bergt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556295 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | LNG-Beschleunigung |