07.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 116 / Zusatzpunkt 10

Bengt BergtSPD - LNG-Beschleunigung

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Moin, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Vielleicht kennen Sie diesen Satz: „There is no glory in prevention.“ Den hat Professor Dr. Drosten mal gesagt. Es gibt also keinen Ruhm für Vorbeugung, oder, frei übersetzt: Diejenigen, die vorsorgen, bekommen selten Applaus. – Das haben wir im vergangenen Jahr gesehen. Es ist im Winter nicht zu den großangelegten Protesten gekommen, die man sich hier rechts im Haus herbeigesehnt hatte.

Aber warum hatten wir im Winter genügend Gas zum Heizen?

(Zuruf von der AfD: Schönes Wetter!)

Weil die Ampelkoalition konsequent gehandelt und auch unbequeme Entscheidungen getroffen hat,

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

weil wir Vorkehrungen zum Einsparen getroffen haben und weil wir in Rekordzeit LNG-Ports gebaut haben, die uns jetzt die Möglichkeit geben, auf verschiedene Lieferanten zurückzugreifen, aber auch, weil Norwegen, die Niederlande und Japan solidarisch waren und uns Gas geschickt haben, das Pakistan, Vietnam und Bangladesch dann nicht bekommen haben – mit den Auswirkungen, die es gab. Trotzdem dürfen wir diese internationale Solidarität nicht vergessen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir haben im vergangenen Jahr unter großem Druck sehr viel richtig gemacht. Genau diese Maßnahmen drücken übrigens den Gaspreis, wie wir ihn gerade sehen, auf das Niveau, das wir haben: Vorkriegsniveau. Wichtig ist aber, dass wir auch ohne Applaus die richtigen Entscheidungen für die Menschen in unserem Land treffen, und zwar auch weiterhin, auch dann, wenn sie unbequem sind und mitunter für Widerstand sorgen. Das gilt zum Beispiel für den LNG-Standort am Sassnitzer Hafen Mukran auf Rügen, den wir mit der heutigen Änderung in das LNG-Gesetz aufnehmen.

Ich danke dem grünen Koalitionspartner ausdrücklich; denn ich weiß, für euch ist es ganz besonders schwer, wenn es um fossile Entscheidungen, um fossile Energien geht. Es ist nur für den Übergang. Offen gestanden, fiel mir die Entscheidung auch nicht leicht.

Ich komme aus dem Bereich erneuerbare Energien. Während die Union in den letzten 16 Jahren jedes Windrad bekämpft hat, kämpfe ich seit Jahren für jedes einzelne Windrad und die Mitarbeitenden, die sie aufstellen, planen und betreiben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Denn nur mit den nötigen Erneuerbaren werden wir unsere Klimaziele erreichen, den Strom billiger machen, unabhängiger werden von anderen Ländern und endlich aus dem Verbrennen von Erdgas herauskommen.

Aber richtig ist auch – davon bin ich überzeugt –: Wenn wir sicher über den nächsten Winter kommen wollen, dann wissen wir alle nicht, wie kalt dieser Winter werden wird. Darum brauchen wir Sicherheitspuffer und müssen vorsorgen; denn unsere Infrastruktur ist bereits voll am Anschlag; da ist keine Reserve, kein Puffer, keine Sicherheit. Der Standort, um einen Puffer zu schaffen, ist der Standort Mukran; das haben die Prüfungen gezeigt. „ There is no glory in prevention“ – Applaus wird es hier nicht geben, aber es ist notwendig, meine Damen und Herren.

Apropos „no glory“: Kommen wir zur Union. Im Ausschuss haben Sie einen Antrag vorgelegt, den wir völlig zu Recht abgelehnt haben. Dafür haben Sie weder Ruhm noch Applaus verdient, noch hat er irgendwas mit Prävention zu tun. Ich sage Ihnen, was Ihr Antrag ist: Das ist politische Augenwischerei. Sie fordern einen Offshorestandort 18 Kilometer vor der Küste, wissend, dass das nicht in einem Jahr umsetzbar ist. Wer so was beantragt, macht den Menschen auf Rügen etwas vor. Das gilt im Übrigen auch für den populistischen Antrag von ganz rechts außen, den will ich hier aber gar nicht weiter groß beleuchten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist schäbig, weil sich die Menschen auf Rügen berechtigt Sorgen machen. Ich kann die Sorgen vollkommen nachvollziehen, obwohl ich nicht alle Kritikpunkte teile. Wer so Oppositionsarbeit macht, der macht schlechte Oppositionsarbeit. Für so eine Nummer haben Sie nicht nur keinen Applaus verdient, Sie werden auch keinen bekommen – auch nicht auf Rügen. Denn vielen Menschen ist wohl bewusst, was für ein Spiel Sie treiben. Seien Sie ehrlich, lassen Sie uns ehrlich sein: Es braucht zusätzliche Kapazitäten, und der Standort, an dem das technisch möglich ist, ist Mukran. Warum brauchen wir im Ostseeraum diese Kapazitäten? Weil das Gas nämlich dann, wenn der Winter kalt werden sollte oder Putin wieder mal einem unserer Nachbarn das Gas abdreht, genau dahin muss: nach Ostdeutschland, nach Ost- und Mitteleuropa.

(Lachen der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Das geht deshalb nicht anders, weil unser Pipelinesystem es leider nicht hergibt. Wir haben schlicht und ergreifend nicht die richtigen Leitungen, die das Gas vom Nordwesten in den Südosten pumpen können. Selbst wenn die Speicher voll sind, kann es an kalten Tagen wirklich eng werden.

(Karsten Hilse [AfD]: Doch!)

Die Entscheidung für den Standort Mukran zeigt auch den Stellenwert der Insel und ihres Hafens. Es ist ein ausgewiesenes Gewerbe- und Industriegebiet, ein Schüttgut-, Fähr- und Windkrafthafen. Hier haben wir die industriellen Grundlagen für den Bau von LNG-Infrastruktur. Das gibt es an anderen Standorten nicht. Es ist auch eine Chance für Mukran, weil hier gute Zukunftsperspektiven für den Standort und die gesamte Region bestehen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Rüganerinnen und liebe Rüganer, lassen Sie sich nicht von den Schwarzmalern der Union täuschen. Mit der Möglichkeit für den Standort Mukran schaffen wir Versorgungssicherheit für ganz Deutschland und vor allem für Ihre Hauptgäste aus dem Osten und Südosten der Republik. Wir stärken den bestehenden Hafen und die Wertschöpfung der Region, und gleichzeitig wird Rügen der Touristenmagnet bleiben, der er zu Recht ist.

(Karsten Hilse [AfD]: Sie machen alles einfach kaputt!)

Swinemünde auf Usedom ist das beste Beispiel: Tourismus und maßvolle Energie passen sehr wohl zusammen. Wenn man es gut anstellt, ergänzen sich beide gut, und wir alle werden es gemeinsam gut anstellen; davon bin ich überzeugt. Die Voraussetzungen schaffen wir hier und heute.

Lassen Sie mich abschließend zum Thema Rügen noch einen einzigen Satz sagen: Die Kommunikation dieses Vorhabens ist, gelinde gesagt, nicht optimal gelaufen in der Vergangenheit. Das muss besser werden, und das passiert auch mit dem Sonderbeauftragten Carsten Schneider, der seit Wochen mit vielen spricht. Was Rügen angeht: Der Kanzler war da, der Vizekanzler war da, Vertreter des BMWKs waren da.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Alle wurden ausgepfiffen!)

Lassen Sie sich nicht vormachen, es würde keinen Dialog geben. Permanent findet Dialog statt bis auf die einzelnen Ebenen vor Ort, von den einzelnen Verantwortlichen bis zum Bürger. Deswegen: Lassen Sie sich hier nicht belügen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wie wichtig die maritime Wirtschaft ist, haben wir gestern im maritimen Antrag noch mal dargelegt. 400 000 Arbeitsplätze hängen dran. Wichtig ist, dass diese Branche zukunftsfähig bleibt. Deswegen schaffen wir mit den gesetzlichen Änderungen auch den Transformationspfad. Wer ein festes Terminal bauen will, muss jetzt schon für Ammoniak vorbauen; denn das ist der Rohstoff, der am anspruchsvollsten ist. Das heißt, das ermöglicht dann auch die Umstellung auf klimaneutralen Wasserstoff, auf Derivate, und es ist ausdrücklich möglich, dass die zukünftige Nutzung auch technologieoffen erfolgen kann.

Des Weiteren haben wir dafür gesorgt, dass mit dem Gesetz auch noch die Möglichkeit geschaffen wird, dass „Sprintergemeinden“ Windkraft besser ausbauen können. Sie können schon vor dem normalen Raumordnungsplan Flächen ausweisen, wenn sie die Möglichkeit haben und das entsprechend ausweisbar ist, damit sie uns endlich helfen, aus den Fossilen rauszukommen.

Wir können nicht immer nur weitermachen wie bisher. Wir reformieren. Vieles funktioniert gut; manches braucht seine Zeit. Ich werbe trotzdem dafür, dass wir hier heute den Schritt gehen, dass wir die Transformation von der Gaswelt in die klimaneutrale Welt sauber und erfolgreich bestreiten – im offenen Dialog.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm.

(Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556296
Wahlperiode 20
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt LNG-Beschleunigung
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta