Friedrich MerzCDU/CSU - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „ Demokratie lebt vom Vertrauen in alle staatlichen Institutionen und Verfassungsorgane. Wir werden daher das Parlament als Ort der Debatte und der Gesetzgebung stärken.“
(Beifall bei der CDU/CSU)
So steht es in Ihrem Koalitionsvertrag.
Meine Damen und Herren von der SPD, den Grünen und der FDP, Sie haben in den letzten 18 Monaten dieses Parlament zu einem Ort der Debattenverweigerung und zu einem Ort des Durchpeitschens von Gesetzen gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Absoluter Quatsch! Blödsinn!)
Sie haben nicht Vertrauen gewonnen, sondern wir alle haben als Institution Vertrauen in Deutschland verloren.
Meine Damen und Herren, der Kollege Thomas Heilmann hat als Mitglied des Deutschen Bundestages das Bundesverfassungsgericht in einem Organstreitverfahren angerufen und gegen die Methode der Verabschiedung des Gebäudeenergiegesetzes erfolgreich geklagt. Ich möchte zunächst dem Kollegen Heilmann dafür herzlich danken, dass er dies getan hat. Er hat dies nicht getan als Mitglied einer Oppositionsfraktion, sondern er hat dies getan als Mitglied des Deutschen Bundestages, wie es Ihnen allen möglich gewesen wäre, die einen Anspruch darauf haben, an der Beratung von Gesetzgebung angemessen beteiligt und angehört zu werden. Das hätte jeder von Ihnen aus den Koalitionsfraktionen auch machen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wir sehen Gesetzgebung, die selbst bei den Sachverständigen zu Bemerkungen führt wie zu der vom letzten Montag, wo einer der von Ihnen eingeladenen Sachverständigen im Ausschuss gesagt hat: Dieses Verfahren ist für eine Demokratie unwürdig. – Und er hat recht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD – Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)
Richtig ist, dass Gesetzgebung immer wieder einmal schnell gehen muss; das war in unserer Regierungszeit so, das ist in Ihrer so. Manche Krise erfordert schnelle Reaktion. Das hat der Deutsche Bundestag immer wieder gezeigt, dass er dies kann. Aber so zu arbeiten, wie Sie es in den letzten Wochen und Monaten getan haben, hat mit Krisen, jedenfalls mit Krisen des Landes, nichts mehr zu tun. Es hat allenfalls mit Koalitionskrisen zu tun. Aber das ist keine Begründung für eine solche Art der Gesetzgebung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jahrzehntelang ist im Deutschen Bundestag im Durchschnitt etwa jedes sechste Gesetz mit Fristverkürzung beschlossen worden; im letzten Jahr, coronabedingt, jedes zweite. In diesem Jahr, ohne eine solche externe Krise, werden drei von vier Gesetzen dieser Koalition nicht mehr mit der Einhaltung der gesetzlich und geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Fristen beraten. Dies ist eine Missachtung des Parlaments, wie es sie in dieser Dimension in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Das, was Sie hier tun, hat auch nicht erst in dieser Woche begonnen. Sie haben die Wahlperiode mit einer Änderung der Sitzordnung hier im Deutschen Bundestag begonnen, erkennbar von vielen – nicht allen, aber von vielen – von Ihnen mit dem Bemühen, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in die Nähe der AfD-Bundestagsfraktion zu rücken.
(Widerspruch bei der SPD)
So hat die Wahlperiode angefangen mit Ihnen; ein Akt der Unfreundlichkeit, der sich im Laufe der Wahlperiode fortgesetzt hat.
(Zurufe von der SPD)
– Dass Sie dabei unruhig werden, kann ich gut verstehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, es hat seine Fortsetzung mit der Entscheidung über das Wahlrecht. Kleinere Änderungen des Wahlrechts sind schon einmal mit einfachen Mehrheiten hier verabschiedet worden. Eine solche grundlegende Änderung des Wahlrechtes mit der Mehrheit gegen die Minderheit durchzusetzen, ist ein einmaliger Vorgang, der das Klima in diesem Hause vergiftet hat, und zwar bis zum heutigen Tag.
(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN – Konstantin Kuhle [FDP]: Blank gelogen! Blank gelogen!)
Und dann in dieser Woche die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, beantragt von uns auf der Grundlage eines Quorums, das wir sogar im Grundgesetz einmal zugunsten einer Opposition abgesenkt haben, damit Minderheitenrechte hier im Deutschen Bundestag wirklich geachtet werden. Einmalig in der Geschichte dieses Landes und dieses Parlamentes, lehnen Sie ein Minderheitenrecht mit fadenscheinigen Begründungen ab und verweigern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])
Meine Damen und Herren, Sie können ein weiteres Beispiel aus dieser Woche nehmen. Richtigerweise hat sich der Deutsche Bundestag das Recht genommen, die Regierung hier anzuhören und zu befragen und dazu auch den Bundeskanzler in den Deutschen Bundestag einzuladen. Was wir hier am Mittwoch erneut erlebt haben – dass der Bundeskanzler nicht eine Frage wirklich beantwortet
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Johannes Schraps [SPD])
und stattdessen die Fragesteller aus unseren Reihen darüber belehrt, dass sie die falschen Fragen gestellt haben –, ist ein Ausdruck von Respektlosigkeit dem Deutschen Bundestag gegenüber, der vollkommen inakzeptabel ist.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Robert Farle [fraktionslos])
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Tat in der Form entschieden. Aber diese Form dient nicht einem Selbstzweck, sondern dient einer sachlichen Debatte. Wir werden jetzt die Gelegenheit haben, über dieses Gebäudeenergiegesetz noch einmal in allen seinen Ausprägungen zu diskutieren. Und wenn Sie schon heute für die nächste Sitzungswoche des Deutschen Bundestages dieses Gesetz in unveränderter Form auf die Tagesordnung im September setzen, dann ist das ein weiterer Ausdruck von Respektlosigkeit und Ignoranz dem Deutschen Bundestag gegenüber und zeigt,
(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN)
dass Sie nicht bereit sind, hier den Formen zu folgen, die den Zweck haben, in der Sache eine Diskussion zu führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie in dieser Sommerpause Zeit und Neigung haben, einmal zu lesen, wie Außenstehende unsere Demokratien beurteilen,
(Kassem Taher Saleh [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten mal das Gesetz lesen in der Sommerpause, Herr Merz!)
dann nehmen Sie sich das Buch von Timothy Snyder zur Hand,
(Johannes Schraps [SPD]: Ah, der Snyder wieder! Hatten wir ja neulich schon mal, dass Sie das falsch zitiert haben!)
der schon vor vier Jahren geschrieben hat, wodurch Demokratien sterben: Eingriffe in das Wahlrecht, willkürliche Missachtung der Rechte von Minderheiten.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Ja, meine Damen und Herren, die Qualität einer Demokratie zeigt sich nicht darin, ob die Mehrheit jederzeit ihre Rechte durchsetzt. Die Qualität einer Demokratie zeigt sich darin, ob die Mehrheit Respekt und Achtung vor den Rechten der Minderheit in einem Parlament hat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Robert Farle [fraktionslos] – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Deswegen möchte ich Ihnen abschließend sagen: Lassen Sie uns diese Sommerpause, die jetzt vor uns liegt, nutzen. Ich bin durchaus auch bereit, sehr selbstkritisch unsere Rolle miteinzubeziehen.
(Zurufe von der SPD: Oh!)
– Diese Reaktion zeigt allerdings, wes Geistes Kind einige von Ihnen sind,
(Beifall bei der CDU/CSU)
angesichts der Tatsache, dass ich Ihnen hier noch mal einen Vorschlag machen möchte.
Herr Merz, möchten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung von Frau von Storch aus der AfD-Fraktion zulassen?
Nein. – Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen anbieten, dass wir über die Sommerferien
(Johannes Schraps [SPD]: Sie machen das vielleicht! Wir arbeiten!)
einmal in aller Ruhe darüber nachdenken, wie wir gemeinsam – Sie, die Mehrheit der Koalitionsfraktionen, und wir, die größte Oppositionsfraktion hier im Deutschen Bundestag – dazu beitragen können, dass das Vertrauen der Bevölkerung unseres Landes in diese Institution Deutscher Bundestag wieder gestärkt wird.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie jederzeit mit anfangen! – Bettina Hagedorn [SPD]: Haben Sie doch gerade hinlänglich gemacht! – Weitere Zurufe von der SPD)
– Soll ich die Zwischenrufe an die Adresse unserer Fraktion wiederholen, die wir eben in der Pause aus Ihren Reihen gehört haben? Soll ich das wiederholen, was wir hier eben in der Pause von Ihnen gehört haben und was zu Recht ein Ordnungsgeld ausgelöst hat? Können Sie nicht mal einen kurzen Augenblick den Mund halten und mal innehalten mit Ihren Zwischenrufen?
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Es reicht! Unverschämt! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Schauspieler! – Weitere Zurufe von der SPD – Manuel Höferlin [FDP]: Ich dachte, Sie wollten den Abgeordneten nicht den Mund verbieten! – Gegenruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wenn der Redner redet, dann schon!)
Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen den Vorschlag, dass wir die vor uns liegende sitzungsfreie Zeit nutzen, um einmal innezuhalten und darüber nachzudenken,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
wie wir die Arbeit hier in diesem Parlament zwischen der Opposition und der Regierung, zwischen Ihrer Mehrheit und der Minderheit hier im Parlament, so gestalten können, dass wieder eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes Vertrauen fasst
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Weil es Ihnen nicht passt, dass Sie nicht mehr die Mehrheit sind!)
in die Funktionsfähigkeit unserer Demokratie und auch in die Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages als dem Hort der Demokratie unseres Landes. Ich finde, wir sind es unserer Demokratie und unserem Lande schuldig. Nutzen wir die Gelegenheit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, genau das zu tun!
Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Die Abgeordneten der CDU/CSU erheben sich)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556312 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz |