07.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 116 / Zusatzpunkt 19

Alexander DobrindtCDU/CSU - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Fechner, in der Tat ist es so, dass das Bundesverfassungsgericht nicht über den Inhalt des Heizungsgesetzes ein Urteil gefällt hat.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Schön, dass wir uns da einig sind!)

Aber es hat ein Urteil gefällt über den Politikstil der Ampel.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Nein! Das hat damit nichts zu tun! – Konstantin Kuhle [FDP]: Nein, es hat gar kein Urteil gefällt!)

Es hat ein Urteil gefällt über die Arroganz der Ampel. Darüber hat es ein Urteil gefällt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Marianne Schieder [SPD]: Das ist überhaupt kein Urteil! – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Maut?)

Dieses Urteil

(Konstantin Kuhle [FDP]: Das ist kein Urteil! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ein Beschluss!)

ist natürlich auch eine Aufforderung, wieder inhaltlich zu beraten.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hat gar kein Urteil gefällt!)

Ja, das Bundesverfassungsgericht hat reingeschrieben: Es braucht Beratungszeit an dieser Stelle.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das hat es nicht gesagt!)

Aber wenn es eine Beratung gibt, dann muss es doch auch ein Ergebnis einer Beratung geben. Aber wenn die Ampel jetzt genau diesen Gesetzentwurf unverändert im Parlament wieder auf die Tagesordnung für den September setzt, dann ist das keine Beratung mit einem Ergebnis, sondern Missachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Genau das ist es an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Steffen?

Ja, gerne. – Sie haben aber, glaube ich, gerade geredet, Herr Kollege.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann doch trotzdem eine Frage stellen! – Gegenruf des Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU]: Das wird bestimmt auch nicht besser!)

Aber es verlängert Ihre Redezeit, Herr Kollege Dobrindt.

Nein, nein. Er hat ja wahrscheinlich eine neue Erkenntnis.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In der Woche mit dem Maut-Desaster so arrogant zu sein!)

Herr Kollege, Sie haben ja jetzt hier mehrfach gesagt, das Bundesverfassungsgericht habe ein Urteil gefällt. Ich will jetzt nicht kleinlich sein, indem ich Ihnen sage: Es war kein Urteil, sondern ein Beschluss.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ja, das wissen wir auch! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das verändert alles!)

– Ja, doch. Das ist nämlich der Witz an der Geschichte. Vielleicht haben Sie nicht mitgekriegt, was der Unterschied in der Sache ist.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das hat der Herr Kuhle gemeint! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Diese Arroganz hier!)

In diesem Eilverfahren hat das Bundesverfassungsgericht – anders, als Sie behauptet haben – ja gar nicht gesagt hat, dass es zu wenig Beratungszeit gab.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: So ist es!)

Das hat es nicht gesagt. Das war nämlich ein Eilverfahren. In diesem Eilverfahren hat es lediglich gesagt: Der Abgeordnete Heilmann trägt vor, es sei zu wenig Beratungszeit. – Ob das so ist, kann das Bundesverfassungsgericht gar nicht feststellen. Und deswegen hat es eine Folgenabwägung vorgenommen und gesagt: Was ist jetzt schlimmer: dass möglicherweise die Beratungszeit zu kurz ist oder dass dieses Gesetz etwas später beschlossen wird?

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ich glaube, das Bundesverfassungsgericht schaut zu heute!)

Nichts anderes steht in diesem Beschluss. Darauf möchte ich Sie hinweisen, damit Ihre weiteren Ausführungen auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage basieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sehr geehrter Kollege Steffen, Sie haben vorhin gesagt, man hätte jetzt die Chance, sich das Gesetz anzuschauen.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Genau!)

Es geht nicht um Anschauen. Es geht um Beraten. Ich kann einmal wörtlich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zitieren:

Den Abgeordneten steht nicht nur das Recht zu, im Deutschen Bundestag abzustimmen, sondern auch das Recht, zu beraten.

Das missachten Sie hier an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)

Dabei geht es gar nicht nur um die Rechte eines einzelnen Abgeordneten; ich weiß nicht, warum Sie dieses Missverständnis jetzt wieder vorgetragen haben. Es geht um die Rechte eines jeden Abgeordneten in diesem Parlament und nicht nur um Herrn Heilmann.

(Zuruf von der SPD: Wir ändern doch das Grundgesetz nicht!)

Es geht auch um die Oppositionskollegen und natürlich auch um die Kollegen der Ampel, die das Recht haben, darüber zu beraten. Ich sage Ihnen: Nicht nur wir haben einen Anspruch auf Beratung. Auch die Öffentlichkeit hat einen Anspruch auf Beratung. Wenn Sie die Beratung hier nicht zulassen, schließen Sie die Öffentlichkeit aus der Beratung aus, und das ist ein schwerer Fehler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie reden hier ja auch ständig darüber, dass es Protest in der Bevölkerung gibt. Ja, explizit zu diesem Heizungsgesetz. Es gibt Misstrauen, es gibt Unverständnis, ja. Dafür tragen Sie an dieser Stelle auch die Verantwortung, weil Sie keine ordentliche Beratung zulassen.

(Marianne Schieder [SPD]: Sie haben auch nichts zugelassen!)

Ich habe mal ein paar Zitate für Sie rausgesucht. Wörtlich: „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Es war falsch, den Grünen hier auf den Leim zu gehen.“ – Frank Schäffler, FDP. Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Nächstes Zitat: „… verdiente Quittung für die Grünen, die in dieses Verfahren einen unerklärlichen Druck hineingegeben haben“ – der Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Guter Mann!)

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Aber was folgt denn jetzt daraus, Herr Kollege Kuhle von der FDP? Was folgt aus dieser Erkenntnis? Sie haben jetzt auch deutlich gemacht: Es wird im September der gleiche Entwurf beraten, der heute hätte beraten werden sollen.

(Otto Fricke [FDP]: Er wird beraten! – Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es!)

Ihre FDP hat gestern zugestimmt. Ihre Fraktion hat zugestimmt, dass es keine Beratung gibt,

(Konstantin Kuhle [FDP]: Ja, das ist auch eine Beratung!)

sondern dass dieser Gesetzentwurf ohne neue Beratung im September so auf die Tagesordnung kommt. Das ist doch ein schwerer Fehler an der Stelle!

(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Rechtswidrig! – Konstantin Kuhle [FDP]: Glauben Sie, es ist leicht, den Schäffler zu überzeugen?)

Das beschreibt den Umgang hier mit dem Parlament und der Öffentlichkeit. In dieser Sitzungswoche, in der letzten Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause, findet diese Missachtung gleich mehrfach statt. Dies haben wir schon bei der Regierungsbefragung erkannt: keine einzige Antwort des Bundeskanzlers auf die Fragen unserer Abgeordneten. Das war keine Regierungsbefragung. Das war Regierungsverweigerung, was wir an dieser Stelle festgestellt haben. Ich sage Ihnen: Die Kollegin Julia Klöckner hat den Bundeskanzler danach gefragt, was er gedenkt zu tun gegen steigende Arbeitslosigkeit, steigende Inflation, steigende Sozialausgaben. Und was war die Antwort? Der Bundeskanzler hat gesagt, er habe jetzt keine Zeit, diese Liste der nicht richtigen Behauptungen zu widerlegen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Unfassbar!)

Das ist keine Antwort. Das ist Realitätsverweigerung, was hier in diesem Parlament stattfindet.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Dobrindt, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten von Storch?

Nein. – Das ist symptomatisch. Das ist symptomatisch für Ihre Arbeit, wie wir sie in den vergangenen Monaten erleben.

Das ist auch nicht nur unsere Wahrnehmung. Ich habe noch ein paar Zitate für Sie: „Eine überfällige Klatsche für die Ampel“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“, „... eine Ohrfeige, um die die Ampel geradezu gebettelt hat“, schreibt der „Tagesspiegel“, „Die Koalition muss ihren überheblichen Habitus ablegen!“, schreibt der „Stern“. Ich kann so beliebig weiter zitieren:

Das ist eine Klatsche für die Ampelkoalition, die sich mit ständigen Fristverkürzungen und der Ablehnung des Warburg-Untersuchungsausschusses über die Gepflogenheiten des Parlamentarismus hinwegsetzt.

– RedaktionsNetzwerk Deutschland.

(Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Meine Damen und Herren, wenn Sie daraus nicht endlich mal lernen, dass die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit inzwischen die ist, dass Sie die Rechte des Parlamentes und der Öffentlichkeit vollkommen missachten, dann werden Sie weiter Verantwortung dafür tragen, dass in Deutschland Protest entsteht und keine Befriedung in diesem Land eintritt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Marianne Schieder [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556319
Wahlperiode 20
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz
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