07.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 116 / Zusatzpunkt 19

Nina ScheerSPD - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch mal eine Einordnung vornehmen – die Darstellungen gehen da leider teilweise sehr durcheinander –,

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

wann denn eigentlich was hier beraten wurde. Natürlich haben wir alle Respekt – und das gehört sich auch so – vor einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts.

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Klar!)

Wie auch schon ausgeführt wurde, ist dieser Beschluss eine formelle Beschlussfassung und keine Äußerung zur Sache. Die Sachentscheidung folgt noch. Es ist jetzt eine formale Entscheidung, mit der keine Rechtsverwirkung eintritt; vom Bundesverfassungsgericht wurde festgehalten, dass keine offenkundige Unzulässigkeit und keine offenkundige Unbegründetheit vorliegen. Aber damit ist offen, ob es denn in der Sache zulässig und begründet ist. Das muss noch geprüft werden.

(Marianne Schieder [SPD]: Ja!)

Was hier gerade stattfindet, ist eine Unterstellung, dass der Vortrag des Kollegen Heilmann in der Sache begründet sei. Das ist nicht der Fall. Das dürfen wir auch nicht einfach unterstellen, da es das Verfahren, die parlamentarische Befassung mit dem Gebäudeenergiegesetz, in ein völlig falsches Licht rückt.

Insofern: Im richtigen Licht betrachtet, so wie es auch tatsächlich im parlamentarischen Verfahren stattgefunden hat, ist es so, dass die Einbringung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung Mitte Juni dieses Jahres erfolgte. In der Tat – das ist kein Geheimnis; deswegen möchte ich das durchaus noch mal erwähnen – hatten sich sowohl die SPD-Bundestagsfraktion als auch die Grünenfraktion eine frühere Einbringung gewünscht. Über den Zeitpunkt der Einbringung hatten wir einen Dissens in der Koalition, den wir dann geheilt haben. Wir sind Mitte Juni in ein Verfahren eingetreten, das für sich genommen immer noch ausreichend Beratungszeit vorsah.

Ich möchte hier noch mal feststellen, dass ausreichend Beratungszeit gegeben war; denn die Einbringung war, wie gesagt, Mitte Juni. Wir hatten schon am 21. Juni eine erste Anhörung. Wir haben uns dann, weil es umfangreiche Änderungen geben sollte und weil es der Wunsch der Opposition war – wir wollten dem Wunsch nichts entgegensetzen –, auf eine zweite Anhörung verständigt. Wir haben es aber verfahrenstechnisch nicht für erforderlich gehalten, eine zweite Anhörung durchzuführen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Ach!)

– Nein, das haben wir nicht.

Ich kann Ihnen auch sachlich darlegen, warum es dieser zweiten Anhörung nicht bedurft hätte. Denn wir hatten uns in der Koalition aufgrund der gerade erwähnten Verständigungsschwierigkeiten, die wir zu Beginn hatten, auf eine Einbringung inklusive Leitplanken geeinigt. Es gab also die Einbringung des Gesetzentwurfes plus Leitplanken. Das heißt, wir haben uns auf bestimmte Änderungen, die wir im parlamentarischen Verfahren vornehmen würden, schon vorweg geeinigt.

Das wäre für das parlamentarische Verfahren nicht notwendig gewesen; aber wir haben es koalitionsintern schon getan. Da wir das getan und diese Leitplanken, also die Verständigung über die Änderungen, öffentlich gemacht haben, hatten die Sachverständigen auch schon die Möglichkeit, darauf Bezug zu nehmen. Insofern waren diese Änderungen auch schon Gegenstand der ersten Anhörung und somit einer intensiven parlamentarischen Befassung.

(Dr. Wolfgang Stefinger [CDU/CSU]: Quatsch!)

Im Grunde genommen hatten wir aufgrund dieser Situation, die wir uns alle so nicht ausgedacht hatten – sie war außergewöhnlich –, parlamentarisch betrachtet – und mir als Parlamentarierin ist wichtig, das zu betonen – sogar einen Mehrwert. Denn anhand der Leitplanken konnten wir den Sachverständigen schon vorab zeigen, was im Mittelpunkt unserer parlamentarischen Beratungen stehen wird. Das war ein Mehrwert, und es ist wichtig, das auch mal zu sagen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Es ist unverschämt, das zu behaupten!)

Die Veränderungen, die wir im parlamentarischen Prozess vorgenommen haben, waren sehr wohl weitreichend.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Ja, eben! Das als Mehrwert zu verkaufen, das ist wirklich unglaublich!)

Aber niemand anders als das Parlament – auch wenn hier schon wieder komische Bemerkungen kommen – hat das Recht, Gesetzesänderungen vorzunehmen und das Gesetz zu beschließen. Es gibt keine weitere Instanz, und auch das Verfassungsgericht könnte uns nicht die Tiefe der Änderungen vorschreiben. Das ist die Hoheit des Parlaments.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deswegen ist es auch wichtig – ganz unabhängig davon, wie umfangreich dieser Änderungsantrag ist –, festzuhalten: Wir haben ihn am 30. Juni versendet, und damit früher als manche andere Änderungsanträge.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Das haben Sie einfach in den Ausschuss reingeworfen!)

Wir alle wollen die Anträge gerne immer möglichst früh vorliegen haben. Aber auch Herr Heilmann hat es schon gesagt: Das ist keine Besonderheit in dieser Koalition und in dieser Legislaturperiode. – Es ist leider so – das ist sehr häufig; das war auch in den vorangegangenen Legislaturperioden so –, dass Änderungsanträge manchmal erst sehr kurzfristig vor der Ausschusssitzung kommen. Das war in früheren Legislaturperioden nicht anders. Aber ich will gar nicht in Abrede stellen, dass wir uns immer bemühen sollten, sie möglichst früh vorzulegen, um die Beteiligung breit zu halten. Aber auch Herr Heilmann hat ja zugestanden, dass das in anderen Legislaturperioden auch nicht anders war.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Die Grundsituation! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Doch! Es war völlig anders! Schauen Sie sich die Zahlen an!)

Insofern: Der Änderungsantrag, den wir am 30. Juni vorgelegt haben,

(Zuruf des Abg. Karsten Hilse [AfD])

enthielt sehr umfangreiche Änderungen, aber es war trotzdem ein Änderungsantrag. Sie versuchen hier die ganze Zeit

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Es war ein Paradigmenwechsel! Ihr Fraktionsvorsitzender hat gesagt: „Paradigmenwechsel“! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können ja interpretieren, was Sie wollen! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Das ist was völlig anderes!)

– nein, nein, nein –, den fälschlichen Anschein zu erwecken – auch in Richtung Bundesverfassungsgericht ist es noch mal wichtig, das festzustellen –, als ob dieser Änderungsantrag, den wir am 30. Juni versendet haben, ein neuer Gesetzentwurf gewesen sei, als ob wir den alten durch einen neuen ersetzt hätten. Das ist falsch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Ihr Fraktionsvorsitzender hat das gesagt!)

Es ist ein Änderungsantrag.

(Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU] und Dr. Andreas Lenz [CDU/CSU] melden sich zu einer Zwischenfrage)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der CDU/CSU-Fraktion?

Ja.

Herr Heilmann, Sie reden ja noch. Aber der Kollege hinter Ihnen darf jetzt fragen.

Bitte.

Ich habe bei Ihren Ausführungen ganz intensiv zugehört.

Das hoffe ich doch.

Zum einen hat die Koalition ja selbst gesagt, es handelt sich um ein neues Gesetz, nachdem die Leitplanken vorlagen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt. Man könnte meinen, Sie haben bei dem Gesetzgebungsverfahren alles richtig gemacht. Also meine Frage: Haben Sie bei diesem Gesetzgebungsverfahren wirklich alles richtig gemacht, auch in Anbetracht des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts?

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Die Frage ist: „Was ist richtig?“!)

Herr Lenz, ich weiß nicht, warum Sie als Parlamentarier sich selbst so kleinmachen.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Umgekehrt! Sie machen sie klein! – Konstantin Kuhle [FDP]: Sie hat recht!)

Was heißt hier „richtig oder falsch gemacht“? Es ist wichtig, dass wir Verfahrensregeln einhalten, und es ist natürlich wichtig, dass wir die Rechte der einzelnen Abgeordneten wahren.

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Sie sind ein Abnickverein! Abnickverein im Eiltempo! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nein, das tun Sie nicht!)

Das ist eine Frage der Selbstverpflichtung als Verfassungsorgan, das wir als Gesetzgeber ja auch sind.

(Konstantin Kuhle [FDP]: Der Bundestag besteht ja nicht nur aus Herrn Heilmann!)

Natürlich müssen wir auch die Rechte der Abgeordneten wahren.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Auch?)

Ich habe ja gerade erläutern wollen, dass das Verfahren, das wir gewählt haben, nach unserer Überzeugung keinen Eingriff darstellt, weil es eben kein neues Gesetz war, das wir vorgelegt haben, sondern ein Änderungsantrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist zwar ein sehr umfangreicher, aber es steht alleine dem Parlament frei – ich wiederhole: es steht alleine dem Parlament frei –, darüber zu entscheiden, was in einem Änderungsantrag steht.

Ich glaube auch nicht, dass es in Ihrem Interesse oder im Interesse von Herrn Heilmann wäre oder die Diktion seines Antrags es nahelegt, zu unterstellen, dass die Tiefe eines Änderungsantrages von einer dritten Instanz, nämlich einem Gericht, zu entscheiden wäre;

(Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

denn dann hätten wir den Bruch der Gewaltenteilung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es kann doch nicht darauf hinauslaufen, dass ein Gericht darüber entscheidet: Der Änderungsantrag darf fünf Seiten umfassen, dann ist es noch ein Änderungsantrag; aber wenn er zehn Seiten umfasst, dann ist es ein neues Gesetz. Das kann es in der Sache nicht sein.

(Konstantin Kuhle [FDP]: So ist es! Das ist richtig!)

Deswegen betone ich noch mal: Dieser Änderungsantrag ist ein Änderungsantrag, und es ist kein neuer Gesetzentwurf. Wenn Sie Äußerungen aufschnappen – auch in dem Schriftsatz von Herrn Heilmann wurden ja diverse Äußerungen, Zitate aus dem Parlament herausgegriffen –, dann ist klar: Die sind sehr verkürzt.

Es gibt im parlamentarischen Raum auch politische Äußerungen, wie zum Beispiel den Verweis der Kollegin Konrad auf die Formulierungshilfen, die aus den Ministerien kommen. Das war offenkundig als Verweis auf Formulierungshilfen gemeint. Also das war so intendiert; das konnte man eindeutig dem Zusammenhang entnehmen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Wann ist denn das da vorne jetzt mal vorbei? Das ist sehr lang!)

Aber Sie haben daraus gemacht, dass die Bundesregierung angeblich Herr des Verfahrens der Änderungsanträge war. Das ist einfach falsch.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Das ist falsch interpretiert. Sie als Parlamentarier wissen auch, dass die Kollegin Konrad das so nicht gemeint hat.

Insofern war das eigentlich alles noch eine erweiterte Antwort auf Herrn Lenz.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Meine Redezeit ist trotzdem weitergelaufen.

Ich habe hier letztendlich eigentlich nur noch hinzuzufügen,

(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Also alles super! Alles super gelaufen!)

dass wir im Änderungsantrag intensive Änderungen vorgenommen haben: zugunsten des Mieterschutzes, zugunsten einer kommunalen Wärmeplanung. Das war uns als SPD-Fraktion immer wichtig.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das war Ihnen immer wichtig! – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Da hätten Sie auch ein halbes Jahr früher drauf kommen können!)

Wir haben die erweiterte Erneuerbare-Energien-Option und viele weitere wichtige Änderungen einbezogen.

Frau Kollegin, ich war wirklich sehr gnädig.

In diesem Sinne ist es sachlich gesehen – Herr Präsident –

Frau Kollegin, ich war sehr großzügig. Jetzt haben Sie noch einen Satz.

– eine Sternstunde des Parlaments.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])

Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Marc Bernhard, AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556322
Wahlperiode 20
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz
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