Bernhard DaldrupSPD - Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, ich wollte Sie gerade ansprechen, aber jetzt verlassen Sie leider den Saal; das ist schade.
(Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU] kehrt zu seinem Platz zurück)
Sie möchten nämlich ganz gerne, dass wir über die politische Kultur in diesem Haus reden und über die Art und Weise, wie wir uns mit uns auseinandersetzen. Ich finde gut, dass Sie daran appellieren. Ich habe aber auch die Bitte – darauf komme ich in meiner Rede noch zurück –, dass Sie neben dem Siegesgeheul in der Öffentlichkeit und in den sozialen Medien über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der Verunsicherung und Verängstigung der Bevölkerung Einhalt gebieten. Auch das gehört zur politischen Kultur, der man sich nicht entziehen kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Alexander Dobrindt [CDU/CSU])
Wir reden ja heute nicht in erster Linie über das Gebäudeenergiegesetz, sondern wir reden über den Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes. Ich will trotzdem ein bisschen etwas zum Inhalt dieses Gebäudeenergiegesetzes sagen. Ich will Ihnen auch sagen, warum wir eigentlich dieses GEG zum jetzigen Zeitpunkt modernisieren. Glauben Sie etwa, wir hätten die Haltung, die Bürgerinnen und Bürger ärgern zu wollen? Nein, das tun wir nicht.
(Stephan Brandner [AfD]: Ja, genau die haben Sie! Genau die haben Sie!)
– Nein, wir haben eine politische Haltung, die sich sozusagen fundamental von Ihrem Gegröle unterscheidet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir haben uns nämlich verpflichtet, uns dem Klimaschutz zu stellen, und das aus einer zutiefst moralischen Verantwortung heraus: Bewahrung der Schöpfung, Sicherung unserer Lebensgrundlagen, Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. Wenn man sich solchen Zielen gegenüber verpflichtet sieht, dann ist man zum Handeln und nicht zum Unterlassen verpflichtet. Herr Merz, zum Handeln!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und, Herr Merz, wir kommen ja beide aus Nordrhein-Westfalen. Sie kennen den rheinischen Spruch: Die lange Bank ist des Teufels liebstes Werkzeug. – Achten Sie darauf, dass Sie nicht darauf Platz nehmen! Achten Sie darauf!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir werben für dieses Gesetz, wir werben für eine klimagerechte Wärmewende, während Herr Dobrindt Haltungsnoten in den sozialen Netzwerken verteilt,
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie wollen doch über Stilfragen reden!)
zum Beispiel „Arroganz-Ampel“ und „respektloser Umgang mit dem Parlament“,
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es! Genau so ist es! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Ja, leider! So ist es!)
mit einem für Sie übrigens ungünstigen Foto.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das twittern Sie. Aus Ihren Reihen kommt der ehemalige Verkehrsminister,
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
für den wir gerade eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 243 Millionen Euro leisten müssen, aufgrund von Ignoranz und Arroganz. Ignoranz ist nämlich die Schwester der Arroganz; nur, damit Sie es wissen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Dieses Ablenkungsmanöver ist schäbig! Ein schäbiges Ablenkungsmanöver! – Zuruf der Abg. Dr. Silke Launert [CDU/CSU])
Da Sie hier in der ersten Reihe sitzen, kann ich Ihnen nur sagen: An anderer Stelle wären Sie einer der Pharisäer, die als Erste aus dem Tempel gejagt würden; darauf können Sie sich verlassen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Bei dieser Debatte werden Ihnen perspektivisch die inhaltlich interessierten Menschen nicht folgen; aber es werden Ihnen diejenigen folgen, deren Jubel Sie vermeintlich oder – Ihnen, Herr Merz, glaube ich es – tatsächlich nicht wollen; so wie es auch Herr Heilmann nicht will. Er kann sich bei seinem Antrag beim Bundesverfassungsgericht ruhig dagegen verwahren, dass sich die AfD da ranhängt; aber er kann es nicht verhindern.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sie hätten sich da ranhängen sollen! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Sie hätten es nicht zulassen sollen! Das ist der Auslöser!)
Leider kann er es nicht verhindern. Es geht ihm wie dem Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr loswird. Bedenken Sie bei Ihren Diskussionen, wie Sie damit umgehen!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Sie haben doch den Anlass gegeben! Verdrehen Sie doch nicht Ursache und Wirkung!)
Aber wir werden auch die Verfahrensfragen nicht vernachlässigen. Meine Kollegin Nina Scheer hat darauf hingewiesen, dass es das Gesetz im Grunde genommen schon seit April im parlamentarischen Verfahren gegeben hat, dass es immer wieder Anregungen für den Gesetzentwurf der Bundesregierung gegeben hat, dass es viele Veränderungen gegeben hat. Aber es gibt kein Eigentumsrecht auf die Wahrheit. Es ist nicht erst dann wahr, wenn es Ihre Akzeptanz findet; so ist das nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Umgekehrt!)
Es hat zwei parlamentarische Anhörungen gegeben. Ich frage mal die Union: Wann haben Sie jemals in einem Verfahren eine zweite parlamentarische Anhörung beantragt?
(Zurufe von der CDU/CSU)
– Nie. Das haben Sie nicht gemacht. Nein! Das haben Sie nicht gemacht. Das ist schlicht und ergreifend so.
„Die Welt“ hat zu dieser zweiten Anhörung, zu den Stellungnahmen der Sachverständigen gesagt, es hätte auf den veränderten Entwurf eine überwiegend sehr positive Reaktion gegeben. Ja, so war das!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hat Ihr Sachverständiger gesagt! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Da müssen Sie selber lachen!)
Herr Dobrindt beklagt die öffentliche Debatte. Meine Güte, dieser Gesetzentwurf ist so häufig, in Permanenz, in der Öffentlichkeit debattiert worden,
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Im Parlament keine sieben Tage! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie sind ja das lebende Beispiel für die Arroganzampel und für die Respektlosigkeit!)
und es hat fundamentale Veränderungen gegeben, gerade mit der kommunalen Wärmeplanung als Voraussetzung.
Jetzt kommen wir zu den Änderungsvorschlägen in Ihrem Antrag. Das geht relativ schnell.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie fordern einen Neustart beim Gebäudeenergiegesetz, meinen aber eigentlich nur ein Weiter-so.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch! – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Vorher gab es mehr Forderungen für den Heizungsaustausch, kann ich nur sagen! – Gegenruf des Abg. Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Neubauten!)
Sie sprechen sich im Antrag gegen eine Regulierung beim Heizungsaustausch aus. Die haben wir aber schon im GEG stehen; das haben Sie mitbeschlossen. Das wollen Sie jetzt alles gar nicht mehr. Und dann kommen Sie mit der kommunalen Wärmeplanung, die bis zur Koalitionsvereinbarung dieser Ampelkoalition für Sie ein Fremdwort gewesen ist. Sie wussten doch gar nicht, was das ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich würde gerne noch ein bisschen ausführlicher darauf eingehen; aber ich muss jetzt gucken, dass ich vorankomme.
Nur zur Einbeziehung von Sachverständigen und zur Transparenz für die Öffentlichkeit: Es ist doch kein einziger Gesetzentwurf so oft in den Nachrichten und in der Öffentlichkeit gewesen wie dieser.
(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, das kann man wohl sagen! – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sind Sie da stolz drauf?)
Es gab zwei Anhörungen; ich habe es gesagt.
Nun will ich etwas zum Beratungsverfahren sagen. Und jetzt ist wichtig, dass auch Sie zuhören, Herr Merz. Ich sage etwas, was für uns nicht charmant ist; aber ich will Ihnen das an dieser Stelle sagen, weil Sie in Ihrer Rede ja von der Einmaligkeit der Vorgänge gesprochen haben, die hier passieren. Ich will als Vergleich nichts aus der Pandemiezeit nehmen; das war zugegebenermaßen eine besondere Situation. Ich nehme als Vergleich die Beratungen zum EEG vom 8. Juli 2016;
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ich erinnere mich auch!)
das ist eine ähnlich wichtige Angelegenheit gewesen. Dort beklagte die von mir sehr geschätzte Kollegin Britta Haßelmann das Verfahren und verwies auf – festhalten! – 412 Seiten Änderungen, die in Synopsenform den Mitgliedern des Ausschusses um 9.41 Uhr vorgelegt worden sind,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Immerhin in einer Synopse! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon lange!)
während die Sitzung um 10 Uhr begann.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Als Tischvorlage! Ich erinnere mich!)
Wir haben das bedauert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, hat daraufhin etwas gesagt, was ich bemerkenswert finde – Zitat –:
Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern und den Unternehmen in Deutschland Rechtssicherheit geben,
(Konstantin Kuhle [FDP]: Aha!)
damit sie wissen, ob sie noch investieren sollen und wie es mit der erneuerbaren Energie weitergeht. Das ist wahrhafte Verantwortung in der Regierung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Carolin Wagner [SPD]: Hört! Hört! – Zuruf des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])
Das war die Reaktion: „wahrhafte Verantwortung“. – Auch auf die Frage nach der Fähigkeit eines Abgeordneten, sich mit der Materie zu beschäftigen, hatte er eine Antwort. Da sagte er zu Frau Haßelmann – Zitat –:
Diese Kollegen
– die seiner Fraktion –
prüfen die Unterlagen mit Sicherheit so genau wie Sie. Und wenn sie
– diese Kollegen –
zu der Auffassung gelangen, sie können entscheiden, dann ist das ihre Entscheidung. Da brauche ich von Ihnen keine Belehrungen. Wir sind keine schlechteren Parlamentarier als Sie, und deswegen wird dieser Tagesordnungspunkt nicht abgesetzt, sondern sinnvollerweise heute debattiert.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Arroganz!)
Und das wurde übrigens auch beschlossen.
Das ist die Herangehensweise, wenn Sie in der Regierung sind.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Haben Sie das mitgemacht?)
Deswegen sage ich Ihnen noch mal eindeutig: Damit muss man umgehen. Das ist die moralische Grundlage, wenn man über politische Kultur, über den Umgang mit Verfahren in einem Parlament redet.
(Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Das Bundesverfassungsgericht ist einfach nur blöd, oder was? Das Bundesverfassungsgericht hat einfach nur keine Ahnung! Das ist Ihre Meinung? Hut ab!)
Ja, Herr Dobrindt, da gucken Sie gespannt. Das ist für Sie Neuland; ich weiß es wohl.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Sie hören die Arroganzampel!)
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen, bitte.
Ich schließe jetzt, Herr Präsident, und bedanke mich dafür, dass Sie mir so lange das Wort gegeben haben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556328 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 116 |
Tagesordnungspunkt | Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum Gebäudeenergiegesetz |