07.07.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 116 / Tagesordnungspunkt 22

Christos PantazisSPD - Krankenhausschließungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der Linken! In Ihrem hier vorliegenden Antrag schlagen Sie vor, sämtliche Defizite aller Krankenhausträger bis zum Inkrafttreten einer umfassenden Krankenhausreform per Vorschaltgesetz auszugleichen. Selten oder nie sei die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser so schlecht gewesen wie derzeit, heißt es in Ihrem Antrag. Es dürften nicht unkontrolliert Versorgungsstrukturen im Krankenhaus wegbrechen, so Ihre zentrale Forderung.

(Beifall des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Dem kann ich grundsätzlich etwas abgewinnen, keine Frage; denn, ja, als Mediziner und Gesundheitspolitiker ist mir sehr bewusst, dass sich die Krankenhauslandschaft in einer schwierigen Lage befindet. Eine massive Ökonomisierung durch eine Überbetonung von Fallpauschalen, zunehmende Bürokratie und der Fachkräftemangel setzen ihr übrigens nicht erst seit gestern massiv zu. Sie durchlebt ferner eine Krise nach der anderen. Dazu ist zum einen die Coronapandemie zu erwähnen, die das Krankenhaussystem und das ‑personal massiv belastet hat. Ihr folgen aktuell die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit stark steigenden Preisen für die Krankenhäuser, insbesondere für Energie, Lebensmittel und Medizinprodukte.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Seriosität, aber insbesondere Nachhaltigkeit sind zwei unverzichtbare Werte im politischen Kontext. Vor einer Umsetzung der hier gestellten Forderung, sämtliche Defizite aller Krankenhausträger zu beseitigen, sollte daher zunächst die Frage der Gegenfinanzierung geklärt sein. Hierzu schlagen Sie in Ihrem Antrag vor, entsprechende Mittel aus dem Gesundheitsfonds zu entnehmen und diese dann – lapidar – über Bundesmittel zu erstatten. Bei angespannter Haushaltslage werden Sie allerdings an keiner einzigen Stelle konkret.

Und nicht nur das: Sie unterlassen es geflissentlich, auf den zur Refinanzierung von Kostensteigerungen zur Verfügung stehenden Mechanismus zwischen den Selbstverwaltungspartnern hinzuweisen. Schließlich werden im Rahmen der Krankenhausfinanzierung Kostensteigerungen regelmäßig bei der Verhandlung der Landesbasisfallwerte sowie der Krankenhausbudgets berücksichtigt. Liebe Linke, uns ist doch allen bewusst, dass im bestehenden Mechanismus der Selbstverwaltung derlei Kostensteigerungen systembedingt mit einem Zeitverzug verbunden sind.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ates Gürpinar?

Nein. – Man könnte doch beispielsweise hier oder auch bei der Beschleunigung von Pflegebudgetverhandlungen ansetzen. Das wäre nicht nur lösungsorientiert, sondern sicherlich auch nachhaltig. Ein von Ihnen allerdings propagiertes Vorschaltgesetz nach dem Gießkannenprinzip, unabhängig von der Bedarfsplanung, wäre es mitnichten.

Auch und gerade vor diesem Hintergrund wird im Rahmen der anstehenden Krankenhausreform zwischen Bund und Ländern auch die Einrichtung eines bedarfsorientierten Transformationsfonds diskutiert.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fortschrittskoalition wirkt den gestiegenen Energiekosten bereits jetzt – es ist also nicht so, als ob wir nichts täten – durch die Energiepreisbremsen entgegen. In Ergänzung hierzu wurde für die Krankenhäuser nach § 26f des Krankenhausgesetzes ein Härtefallfonds zum Ausgleich der stark gestiegenen Energiekosten etabliert.

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Ja, aber der läuft aus!)

Die Krankenhäuser erhalten hieraus Erstattungen aus Mitteln des Wirtschaftsstabilisierungsfonds von bis zu 6 Milliarden Euro

(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Das läuft ja aus 2024! – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

– Herr Kollege Gürpinar, 6 000 Millionen Euro, nur dass wir uns da auch verstehen, zum Ausgleich gestiegener Energiekosten!

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das wissen die nicht so genau!)

Von diesem Betrag haben die Krankenhäuser bereits 1,5 Milliarden Euro zum pauschalen Ausgleich von Energiekostensteigerungen erhalten. Erst jüngst haben wir uns darauf verständigt, weitere 2,5 Milliarden Euro ebenfalls für diesen Zweck pauschal an die Krankenhäuser auszuzahlen. Außerdem werden die Krankenhäuser für die Jahre 2022 und 2023 circa 800 Millionen Euro zum Ausgleich gestiegener Energiekosten erhalten.

An dieser Stelle sei mir erlaubt, Ihnen, sehr geehrter Herr Staatssekretär, und Ihrem Haus für die notwendige Mittelanpassung zu danken.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Wo ist der Minister eigentlich?)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht nur Inflationsdruck, sondern auch jahrelange fehlende Investitionsförderung seitens der Länder und wirtschaftlicher Druck durch die Fallpauschalenüberbetonung treiben unsere Krankenhäuser in wirtschaftliche Not, sodass viele von ihnen Abteilungen wie beispielsweise Pädiatrien und Geburtshilfen schließen oder sogar Insolvenz anmelden müssen. Nach Jahren des Stillstands und verpasster Möglichkeiten will diese Fortschrittskoalition dieser Entwicklung entschieden entgegentreten.

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ist es!)

Sie stabilisiert aktuell nicht nur die Pädiatrien und Geburtshilfen mit jeweils einer halben Milliarde Euro pro Jahr, nein, sie nimmt darüber hinaus in gemeinsamer Verantwortung mit den Ländern auch die tiefgreifendste Krankenhausreform seit über 20 Jahren in Angriff.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Mit der Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung um erlösunabhängige Vorhaltepauschalen nach medizinisch-fachlichen Leistungsgruppen wagen wir nicht nur mehr Fortschritt, sondern sorgen ausdrücklich dafür, dass es zu mehr Qualität und mehr Attraktivität des Arbeitsplatzes Krankenhaus kommen wird, weil – und das betone ich hier – für uns im Gesundheitswesen der Mensch und nicht der Markt im Mittelpunkt zu stehen hat.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)

Für die CDU/CSU hat nun die Kollegin Diana Stöcker das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556375
Wahlperiode 20
Sitzung 116
Tagesordnungspunkt Krankenhausschließungen
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