Claudia RaffelhüschenFDP - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin fassungslos. Ich finde das eine Unverschämtheit, Herr Espendiller.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Ich bin ich, und mein Mann ist mein Mann, ja? Also, das ist schon mal klar zu trennen. Ich habe eine eigene Meinung, ich kann selbst denken.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Und das sage ich Ihnen: Mein Mann hat noch nie ein Wort über Entwicklungspolitik verloren.
(Dr. Michael Espendiller [AfD]: Lesen Sie das mal! Dazu hat er das Vorwort gegeben! Das steht da drin!)
– Nein, das weiß ich! – Die Stiftung Marktwirtschaft hat sich vielleicht über die Entwicklungspolitik von Gerd Müller ausgelassen, aber nicht über die von Svenja Schulze.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Aber jetzt komme ich zum Thema. Der Haushalt für 2024 steht für das ehrgeizige Unterfangen, steigende Anforderungen zu erfüllen und gleichzeitig den dringend notwendigen Weg der Konsolidierung weiterzugehen. Denn um Probleme nachhaltig zu lösen, ist das Aussetzen der Schuldenbremse genauso falsch, wie es die jahrelange Geldflutungspolitik der EZB war. Auf die Entwicklungszusammenarbeit bezogen heißt das: Wir müssen lernen, weltweit mehr Brände zu löschen, ohne auf Kosten nachfolgender Generationen einfach nur die Wassermenge zu erhöhen.
(Beifall bei der FDP)
Unsere Entwicklungsministerin Svenja Schulze tut genau das und nimmt mit dem vorliegenden Regierungsentwurf die Herausforderung an, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel den Kampf gegen die vielfältigen Herausforderungen weltweit nicht aufzugeben, sondern das Bestmögliche aus den vorhandenen Mitteln zu machen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Na ja!)
Mit dem Etat von gut 11,5 Milliarden Euro können wir keine Wunder vollbringen; aber wir können für die betroffenen Menschen vor Ort doch einiges verbessern. Dabei müssen wir weiterhin so manchen Spagat vollbringen, der die Entwicklungszusammenarbeit manchmal komplexer und diffiziler macht als so manch anderes Politikfeld: Wir brauchen ein Höchstmaß an Transparenz bei der Mittelverwendung, dürfen aber dabei die praktische Arbeit nicht mit leider typisch deutscher Bürokratie ersticken. Wir wollen für alle Projekte höchste technische, juristische, soziale und ökologische Standards. Wenn aber beispielsweise einzelne Verträge für Projekte für den Bau von Staudämmen oder Energieanlagen viele Hundert Seiten umfassen und gefühlt mehr Juristen als Ingenieure damit befasst sind, scheint mir das nicht der optimale Weg zu sein, unsere Entwicklungsgelder einzusetzen.
Auch das Unterscheiden zwischen inakzeptablen Regimes einerseits und den Bedürfnissen der Zivilbevölkerung andererseits ist ein Spagat, den die Entwicklungszusammenarbeit permanent leisten muss. Auf unserer diesjährigen Berichterstatterreise nach Israel, Jordanien und in die palästinensischen Gebiete wurde uns das eindrücklich vor Augen geführt: So beunruhigend die politische Situation in Israel ist und so verfahren der Nahostkonflikt leider weiterhin bleibt, so wichtig ist oft die Arbeit der Hilfsorganisationen vor Ort. Speziell das von der UNRWA geführte Flüchtlingslager in Jerash hat uns tief beeindruckt, und gerade für die Kinder dort ist das vorbildliche Engagement der Helferinnen einfach unverzichtbar.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gleichwohl dürfen wir die Augen nicht davor verschließen, dass dieses Leid der Kinder auch systematisch missbraucht wird und Hilfsgelder leider immer wieder in dubiosen Kanälen versanden oder zweckentfremdet werden. Hier würde ich mir wünschen, dass BMZ und Auswärtiges Amt sich zukünftig noch viel stärker für eine Mittelverwendung einsetzen, die antisemitische Zwecke rigoros ausschließt, zum Beispiel mit einer Nachweispflicht der geförderten Institutionen über die Einhaltung von in Deutschland gesetzten Standards.
Ein anderes dramatisches Beispiel für den Konflikt zwischen diplomatischen und humanitären Interessen ist derzeit Afghanistan: Niemand will die Taliban direkt oder indirekt unterstützen, und dennoch sollten wir die Arbeit einiger NGOs dort weiter fördern. Beim Kampf gegen die letzten Wildvarianten von Polio spielt Afghanistan beispielsweise eine zentrale Rolle, und daher bin ich sehr froh, dass wir weiterhin die Global Polio Eradication Initiative unterstützen. Die Ausrottung dieser Krankheit ist fast geschafft.
(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU])
Vielleicht sollten wir, selbst wenn es nicht so typisch deutsch ist, generell öfter auch einen Blick auf die Erfolge der Entwicklungszusammenarbeit wagen: Zwischen 1990 und 2021 sank die durchschnittliche weltweite Kindersterblichkeitsrate bei den unter Fünfjährigen von 93 auf 38 je 1 000 Lebendgeburten. Auch die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, sinkt laut der Prognosen der Weltbank nach dem pandemiebedingten Anstieg 2020 wieder.
Am stärksten betroffen bleibt Subsahara-Afrika, und das schlägt sich sowohl in der neuen Afrika-Strategie des BMZ nieder als auch im Einzelplan 23, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– wenn wir zum Beispiel auf die bilaterale Zusammenarbeit schauen.
Es bleibt also vieles zu tun, und ich freue mich daher sehr auf die weiteren Beratungen zu diesem Etat.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für die Fraktion Die Linke hat nun das Wort Cornelia Möhring.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556702 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 117 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |