05.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 117 / Einzelplan 23

Sanae AbdiSPD - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stehe heute vor einer eigentlich unlösbaren Aufgabe: Natürlich unterstütze ich den Kurs unserer Bundesregierung in diesen sowohl für Deutschland als auch international herausfordernden Zeiten, und ich habe Verständnis, dass diese herausfordernden Zeiten, diese Zeitenwende, eine Anpassung unserer finanzpolitischen Prioritäten erfordern. Andererseits kann ich als Entwicklungspolitikerin mit der Ausstattung unseres Einzelplans vor allem auf lange Sicht nicht zufrieden sein. Gerade in der internationalen Zusammenarbeit, in der es um langfristige, nachhaltige Entwicklungsprozesse geht, ist eine angemessene Ausstattung nötig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Georg Link [Heilbronn] [FDP])

Was heißt das für mich als entwicklungspolitische Sprecherin meiner Fraktion? Klar ist: Wir rücken nicht von unseren Zielen ab, die Armut, den Hunger, die Folgen von Krieg und Vertreibung und auch des Klimawandels zu bekämpfen.

(Paul Ziemiak [CDU/CSU]: Doch! Tun Sie!)

Wir alle wissen: Die Herausforderungen nehmen zu. Die von den UN im Mai vorgelegte Halbzeitbilanz der Agenda 2030 zeichnet ein düsteres Bild. Wir sind weit davon entfernt, unsere Ziele im Kampf gegen Armut, Hunger und Ungleichheit zu erreichen. Wie spiegelt sich das in unserem Haushalt wider? Im Vergleich zu anderen Ressorts wurde beim Einzelplan 23 prozentual moderat gekürzt.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!)

Vielen Dank daher an dieser Stelle an Svenja Schulze für die guten Verhandlungen für unseren Politikbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Thomas Rachel [CDU/CSU]: Hat aber nichts rausgeholt!)

Ich denke, das Ergebnis zeigt, dass alle Beteiligten verstanden haben, welch zentrale Rolle die Entwicklungszusammenarbeit auch im Zusammenspiel mit der Außen- und Verteidigungspolitik in unsicheren Zeiten spielt. Schauen wir in die Ukraine, nach Mali, Niger oder in andere Krisenregionen der Welt: Die Entwicklungszusammenarbeit kann – das zeigen Erfahrungen aus den Konfliktregionen – die entscheidende Rolle in der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedensförderung spielen. Gerade in diesen Regionen sind es unsere Ansätze und Instrumente, die für die betroffene Bevölkerung den entscheidenden Unterschied machen. Entwicklungspolitik ist Friedens- und Sicherheitspolitik!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Umso mehr hat es mich gefreut, dass die Sicherung von Frieden und Stabilität in der Kabinettsvorlage als zentraler Schwerpunkt genannt wurde und Bundesfinanzminister Christian Lindner bei der Vorstellung des Regierungsentwurfs betonte, dass wir in einer neuen geopolitischen Realität leben, die – ich zitiere – wir auch mit finanziellen Mitteln unterlegen müssen. Hier werden wir Sie beim Wort nehmen, lieber Herr Lindner.

Mit Sorge blicke ich auf die mittel- und langfristige Ausstattung unseres Einzelplans. Die Finanzplanung sieht bis 2027 ein Absinken – wir haben es vorhin gehört – bzw. eine Stabilisierung des Etats bei nur rund 10,3 Milliarden Euro für 2025 bzw. 10,4 Milliarden Euro für die Folgejahre vor. Auch die Verpflichtungsermächtigungen, ein für unseren Politikbereich zentrales Planungsinstrument, gehen dramatisch zurück. Ich habe es hier schon einmal gesagt, und ich werde nicht müde, es zu betonen: Erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit erfordert langfristige Planungssicherheit, und eine finanziell langfristig gesicherte Entwicklungszusammenarbeit stärkt menschliche Sicherheit weltweit, und das ist das, was wir letztendlich wollen, sei es im Bereich der Ernährungssicherheit, der Energiesicherheit oder – das ist gerade für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ganz entscheidend – im Bereich der sozialen Sicherheit.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Abschließend möchte ich noch auf zwei Aspekte eingehen. Wir können unsere Instrumente noch gezielter und wirksamer einsetzen. Bekanntermaßen ist die Entwicklungszusammenarbeit der am besten evaluierte Politikbereich. Regelmäßig bestätigt uns DEval Erfolge in der Entwicklungspolitik, zuletzt unter anderem im Bereich nachhaltiger globaler Textillieferketten. So erhöhen unsere Maßnahmen in Bangladesch nachweislich die Arbeitssicherheit und verringern die Umweltverschmutzung.

(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Von Gerd Müller initiiert!)

Unsere Ansätze und Instrumente sind also richtig und effektiv. Aber – das gehört zur Ehrlichkeit dazu – unsere Effektivität könnte durch eine noch bessere Abstimmung der eingesetzten Maßnahmen und bei den beteiligten Akteuren deutlich erhöht werden. Gerade in Zeiten begrenzter Mittel ist das ein Ansatz, den ich für ganz zentral erachte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ein weiterer Aspekt ist unsere Rolle im Konzert mit internationalen Akteuren, wechselnden Allianzen und multilateralen Gremien. Wir sehen, dass sich in diesen Zeiten einer multipolaren Weltordnung viele Staaten im Globalen Süden je nach Angebot und aktueller politischer Lage wechselnde Allianzen suchen und sich enttäuscht vom liberalen Westen abwenden.

Für mich heißt das: Wir müssen weiterhin nachdrücklich unsere entwicklungspolitischen Ziele und Positionen in den relevanten internationalen politischen Prozessen, Gremien und Allianzen vertreten. Die Übernahme der Präsidentschaft – wir haben es vorhin gehört – der Sahel-Allianz durch Svenja Schulze ist hierfür ein exzellentes Beispiel. Durch den Vorsitz dieses Verbundes unterstreicht Deutschland gegenüber unseren internationalen Partnern unser anhaltendes entwicklungspolitisches Engagement in dieser fragilen Region.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist ein ganz wichtiges Signal, und wir haben gleichzeitig die führende Rolle in diesem relevanten Gremium, um die Abstimmung politischer Positionen zu steuern.

Wir gehen voran, steuern politische Prozesse maßgeblich mit, bringen diese voran und sorgen dafür, dass entwicklungspolitische Ansätze und Ziele berücksichtigt werden. Damit komme ich zu der eingangs erwähnten unlösbaren Aufgabe. Klar ist: Erfolgreiche und wirksame Entwicklungspolitik braucht eine langfristige, auskömmliche Mittelausstattung. Klar ist aber auch: Entwicklungspolitik braucht in Zeiten knapper Kassen wirksame technische und politische Instrumente und Hebel, die wir in enger Abstimmung mit unseren bi- und multilateralen Partnern gezielt und entschieden einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Stefinger.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556704
Wahlperiode 20
Sitzung 117
Tagesordnungspunkt Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
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