05.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 117 / Einzelplan 20

Antje TillmannCDU/CSU - Allgemeine Finanzdebatte

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Fricke, Sie sind jetzt schon der Zweite – nach dem Finanzminister –, der uns in der heutigen Debatte vorwirft, dass wir die schwarze Null eingehalten haben. Sie gerieren sich hier als Retter der Schuldenbremse,

(Christoph Meyer [FDP]: Was wir sind!)

was der Bundesrechnungshof Ihnen ja eindeutig nicht durchgehen lässt. Dabei verschweigen Sie aber, dass es neben der Schuldenbremse auch um die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts geht. Das heißt, wir waren gezwungen, mit dem Schuldenstand unter 60 Prozent des BIP zurückzukehren. Wenn wir das nicht getan hätten, dann wären Ihre finanziellen Schwierigkeiten heute deutlich anders.

(Otto Fricke [FDP]: Dann hättet ihr keine Rücklage bilden können!)

Ich finde es einfach unfair, dass Sie immer nur die halbe Wahrheit erzählen. Die Schuldenbremse in Deutschland ist gar nicht scharf genug; zusätzlich muss die europäische Regel eingehalten werden. Das ignorieren Sie hier einfach.

(Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Das stimmt einfach nicht! Das ist einfach falsch!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer neuen Allensbach-Umfrage glaubt die Mehrheit in Deutschland nicht mehr, dass Deutschland in zehn Jahren noch zu den führenden Wirtschaftsnationen gehört. Diese negative Stimmung müssen wir ernst nehmen, auch wenn ich angesichts der ideenreichen, fleißigen Menschen in Deutschland und der innovativen Unternehmen optimistisch bin, dass wir auch diese Flaute überstehen werden. Dafür ist es allerdings erforderlich, dass wir zusammenstehen, die Ärmel hochkrempeln und loslegen.

Was macht die Regierung? Die Regierung krempelt die Ärmel hoch und streitet sich. In meinem Manuskript steht noch, dass Sie den ganzen Sommer gebraucht haben, um beim Wachstumschancengesetz einen Kompromiss zu finden. Nach der Rede von Ihnen, Kollege Sven-Christian Kindler, bin ich nicht so optimistisch, dass das überhaupt stimmt. Denn Sie haben – O-Ton – gesagt, dass Sie zwar die Investitionsprämie richtig finden, dass Sie aber beim Rest des Wachstumschancengesetzes erst mal gucken, ob es nicht Mitnahmeeffekte gibt.

Herr Kollege Lindner, Sie haben noch einen großen Kampf vor sich. Dabei haben Sie in vielen Punkten abgeschrieben, was wir schon in der letzten Legislaturperiode gefordert haben. Das tun Sie gerne; das freut uns. Nur leider haben Sie es nicht richtig gemacht.

Investitionsprämie. Einverstanden. Sie bleibt aber natürlich weit hinter den Superabschreibungen zurück, die Sie versprochen haben.

Forschungsförderung. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Das sollten wir tun, damit wir in zehn Jahren noch an der Spitze der Wirtschaftsnationen stehen.

Beim Verlustrücktrag haben Sie zwar den Text unseres Antrags mit der dreijährigen Verlängerung des Verlustrücktrages abgeschrieben, aber leider ein Jahr zu spät, sodass das dritte Jahr genau in ein Coronaverlustjahr fällt und sich der Verlustrücktrag damit für die meisten Unternehmen nicht mehr rechnet.

Thesaurierungsbegünstigung. Lassen Sie uns doch bitte über den Referentenentwurf abstimmen; denn da stand die Verwendungsreihenfolge noch drin. Damit hätten Sie die Thesaurierungsbegünstigung für kleine und mittelständische Unternehmen tatsächlich attraktiv gemacht. Das, was jetzt übrig bleibt, beinhaltet zwar das Stichwort – das musste offensichtlich kommen in dem Gesetz –, ist aber keine wirkliche Hilfe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Degressive Abschreibung. Auch das ist eine Forderung von uns; auch das unterstützen wir. Aber wer kommt denn auf die Idee, diese unterjährig am 1. Oktober in Kraft zu setzen, wo das Gesetz erst am 15. Dezember beschlossen wird? Ja, ich weiß, das ist eine Begünstigung; aber es ist doch nicht sinnvoll. Das führt doch zu zusätzlicher Bürokratie. Wer macht solche Gesetzentwürfe?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Degressive AfA beim Wohnungsbau. Auch das ist eine Forderung von uns, und auch das werden wir unterstützen. Aber warum gehen Sie dann nicht weiter wie wir in unserem Antrag, in dem wir zusätzliche Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau fordern? Man kann doch nicht in den Markt eingreifen und sagen: „Wir dürfen die Mieten nicht weiter steigen lassen“, und auf der anderen Seite bei den gestiegenen Kosten nicht unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch dies ist ein halber Schritt in die richtige Richtung. Machen Sie es richtig, und nehmen Sie unsere Anträge eins zu eins!

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine super Idee!)

Aufbewahrungspflichten. Sie kündigen parallel zum Gesetzgebungsverfahren für den Haushalt ein Bürokratieentlastungsgesetz an. Und Sie kündigen an, dass die Aufbewahrungspflichten auf acht Jahre reduziert werden. Wie das zu den zehnjährigen steuerlichen Verjährungsfristen passt,

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: So ist es!

werden Sie uns dann bestimmt im Gesetzgebungsverfahren erklären.

Was Sie uns aber schon jetzt erklären könnten – Sie haben es in Ihrer Rede bewusst nicht getan, weil es Ihnen unangenehm ist; das weiß ich ja –, ist die steigende Bürokratie durch die nationalen Anzeigepflichten. Das widerspricht dem Bürokratieentlastungsgesetz. Die grenzüberschreitenden Anzeigepflichten auch national runterzubrechen, macht so viel Bürokratie. Das hätten Sie wissen können und bei der Gestaltung der nationalen Anzeigepflichten im Wachstumschancengesetz berücksichtigen müssen.

(Zuruf des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Denn 27 000 Meldungen zu den grenzüberschreitenden Anzeigepflichten haben zu keinem einzigen Steuergesetz geführt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

27 000-mal meldeten Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen und musste das Bundeszentralamt für Steuern Dinge in die Hand nehmen, und der Effekt ist gleich null. Und weil das so schlecht geklappt hat, setzen Sie das jetzt auch national um.

(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Reine Ideologie!)

Sie können sich Ihr Bürokratieentlastungsgesetz sparen. Die acht Stellen, die jetzt zusätzlich gefordert werden, geben Sie besser den Migrationsdiensten oder den Bundesfreiwilligendiensten; das wäre sinnvoll.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Besteuerung der Gaspreisentlastung. Jetzt will ich mal nicht undankbar sein. Ich freue mich ja, dass, nachdem ich ein Jahr versucht habe, Ihre Koalitionskollegen im Finanzausschuss davon zu überzeugen, dass eine Besteuerung der Dezember-Soforthilfe und der Gaspreisbremse nicht sinnvoll ist, Sie es in dieses Gesetz reingeschrieben haben. Das finde ich gut. Das befürworte ich; darüber freue ich mich. Schade nur, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen in dem Jahr vorher Hunderte Millionen Euro Kosten verursacht haben – bei Unternehmen, bei Verwaltern, bei Energieunternehmen –, weil sie denen Pflichten auferlegt haben, die diese jetzt sinnloserweise erfüllt haben. Dieses Geld hätte man anderswo besser ausgeben können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zum Schluss. Herr Kollege Meyer, die FDP mag sich ja als Retter der Schuldenbremse darstellen, aber gleichzeitig die Länder beschimpfen, dass diese bei der Aufstellung ihrer Haushalte auch auf die Schuldenbremse gucken, das passt nicht zusammen.

(Otto Fricke [FDP]: Dann sollen sie nicht immer Geld von uns fordern! – Christoph Meyer [FDP]: Aber nicht zulasten des Bundes!)

Wenn der Finanzminister die Länder vorher in das Verfahren eingebunden hätte, dann würden sie – zu Recht – jetzt auch nicht so ruppig reagieren. Ich bin sicher: Wir finden Kompromisse.

(Zuruf der Abg. Gyde Jensen [FDP])

Aber Kommunikation wird in dieser Regierung allgemein nicht sehr großgeschrieben. Da haben Sie erheblichen Nachholbedarf.

(Beifall bei der CDU/CSU – Otto Fricke [FDP]: Das sehen Ihre Haushälter komischerweise genau andersrum!)

Für die SPD-Fraktion hat nun Michael Schrodi das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556772
Wahlperiode 20
Sitzung 117
Tagesordnungspunkt Allgemeine Finanzdebatte
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