05.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 117 / Einzelplan 17

Silvia BreherCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, ich hätte gerne hier gestanden und mit Ihnen darüber diskutiert, welche guten Effekte aus Ihrem Haushalt hervorgehen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ja, schade!)

Sie haben gesagt: Familien sind das Rückgrat der Gesellschaft. – Ihr Haushalt besteht fast ausschließlich aus Kürzungen an so wichtigen Punkten. Dieser Haushalt ist ein Offenbarungseid für Sie als Ministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU – Nina Warken [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie haben einen Koalitionsvertrag geschlossen und unendlich viel versprochen. Ich messe Sie nur an dem, was Sie selber versprochen haben. Frühe Hilfen wollten Sie dynamisieren – sie sinken drastisch. Den Kinder- und Jugendplan wollten Sie bedarfsgerecht ausstatten – Sie kürzen die Mittel um 44 Millionen Euro; im Vergleich zum letzten Jahr, 2022, sind es sogar 110 Millionen Euro weniger.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wahnsinn!)

Sie haben eine Qualifizierungsoffensive versprochen. Die Mittel für die frühkindliche Bildung befinden sich auf einem Allzeittief – minus 80 Prozent. Die Freiwilligendienste wollten Sie nachfragegerecht ausbauen und das Taschengeld erhöhen – minus 25 Prozent. Das ist nicht wegzudiskutieren; das ist ein Strukturbruch bei den so wichtigen Freiwilligendiensten. Auch beim Elterngeld haben Sie so viel versprochen: weitere Partnermonate, Elterngeld für Pflegeeltern, Dynamisierung, Reform des Mutterschutzes. Immer wieder sind Sie in Posts dafür eingetreten und haben gesagt: „Dafür wollen wir uns einsetzen“, insbesondere auch die Kolleginnen und Kollegen der FDP. Stattdessen gibt es eine Kappung an der Stelle. Ehrlich wäre es von Ihnen allen, zu sagen: Wir haben einen Koalitionsvertrag geschlossen, der nichts wert ist; denn das, was wir vereinbart haben, können wir in Zukunft nicht mehr erreichen. – Das wäre ehrlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie stellen sich hierhin, Frau Ministerin, und beklagen Ihre Sparvorgaben. Diese Sparvorgaben, diese Aufteilung zwischen den unterschiedlichen Häusern haben Sie im Kabinett mitbeschlossen. Und wissen Sie, weswegen ich so unglaublich enttäuscht von Ihnen bin? Ich habe nicht einen Artikel, nicht eine Stellungnahme gelesen, in denen Sie gesagt haben: Mein Haushalt ist der wichtigste in dieser Bundesregierung. Mein Haushaltsvolumen darf nicht sinken.

(Beifall bei der CDU/CSU)

„Investitionen in unsere Kinder sind Investitionen in die Zukunft Deutschlands.“ Das haben Sie gesagt – aber Sie setzen es leider nicht um.

Die Sparvorgaben gelten übrigens nicht überall gleichermaßen: Bei den Mehrgenerationenhäusern – klar – wird gespart; aber bei Aufwendungen für Ihr Ministerium, für Personal, Öffentlichkeitsarbeit und für die Gebäude steht ein deutliches Plus. Demgegenüber bleibt der Ansatz für „Demokratie leben!“ – Sie haben es selber angesprochen – gleich. Und daran erkennen wir etwas, nämlich dass Ihnen der rote Faden fehlt. Ihnen fehlt eine Struktur, eine Vision für die Familienpolitik. Sie fördern Projekte, aber Strukturen, die über Jahre und Jahrzehnte gewachsen sind – die Mehrgenerationenhäuser, die Freiwilligendienste, der Kinder- und Jugendplan –, zerstören Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE] – Zuruf der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Von Ihnen kommt das Zitat: Diese Bundesregierung hat eine Antwort auf die Kinderarmut gefunden. –

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Brandmauer nach rechts, Frau Breher!)

Sie haben es vorhin ausgeführt. – Das können Sie bei diesem Haushalt wirklich nicht ernst meinen. Sie meinen damit ausschließlich die Kindergrundsicherung und sagen: Aus einer Holschuld wird eine Bringschuld – einfacher, schneller, digitaler. Sie beenden Antragsverfahren. Vielleicht schauen Sie mal in Ihren eigenen Entwurf zur Kindergrundsicherung. In § 26 heißt es:

„Der Kindergarantiebetrag … und der Kinderzusatzbetrag sind schriftlich zu beantragen.

Die Leistungen für Bildung und Teilhabe sind bei der jeweils zuständigen Stelle zu beantragen.“

Für Bürgergeldempfänger ist heute das Jobcenter zuständig – mit einer einzigen Ausnahme, dem Antrag für Kinder, die Lernförderung brauchen. Alles andere läuft automatisch.

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wohl ein Witz! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichts ist automatisch!)

Zukünftig wird es so sein: Die Familien bleiben beim Jobcenter. Für ihre Kinder müssen sie allerdings den Antrag auf Kindergarantie- und -zusatzbetrag bei der Familienkasse und für alle weiteren Leistungen bei den verschiedenen Stellen und den Kommunen stellen. Das nenne ich nicht Vereinfachung,

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie schaffen tausend Anlaufstellen in Deutschland ab,

(Nina Warken [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

nämlich die Jobcenter, und verlegen diesen Aufgabenbereich in hundert Anlaufstellen in Deutschland, die Familienkassen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wahnsinn!)

Wer Hilfe braucht bei der Antragstellung, bei komplizierten Verfahren, an wen soll er sich dann noch wenden? Das wird schwierig.

(Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In Ihrem Haushalt finden wir 100 Millionen Euro für neue Verwaltungsstrukturen.

(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar keine Vorschläge gemacht! 16 Jahre! Sie haben überhaupt keine Idee!)

Im Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Kindergrundsicherung sind allerdings 500 Millionen Euro für neue Verwaltungsstrukturen vorgesehen.

Richtig wären ein echtes Kinderzukunftspaket und eine echte Evaluation der Datengrundlage. Sie stellen sich hierhin und sagen: 5,6 Millionen Kinder wollen wir aus der Armut holen. – Ja, jedes einzelne ist eines zu viel. Aber 5,6 Millionen, das wären über 40 Prozent aller Minderjährigen in Deutschland. Diese Zahl würde ich von Ihnen gerne mal erklärt bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Richtig wäre eine konsequente Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und des Digitale-Familienleistungen-Gesetzes, damit Daten abgeglichen und einfacher übertragen werden können. Vieles ist da schon auf den Weg gebracht.

Investieren Sie das Geld, das Sie für neue Verwaltungsstrukturen einsetzen wollen – 500 Millionen Euro! –, doch bitte direkt im vorhandenen System in die Kinder,

(Beifall bei der CDU/CSU)

und fassen Sie den Ansatz breiter, nämlich: Familien von Beginn an stärken, die Frühen Hilfen nicht kürzen und in die frühkindliche Bildung investieren. Denn nur so, mit einem umfassenden Ansatz – nicht nur Kindergrundsicherung als Oberbegriff – und einem ganzheitlichen Konzept, um den Kindern direkt zu helfen, haben diese eine Zukunft in diesem Land und können, egal mit welchem Rucksack sie auf die Welt gekommen sind, ihren eigenen Weg gehen.

Wir werden unsere Vorschläge einbringen. Wir werden unser Kinderzukunftspaket auch ins Plenum einbringen. Ich hoffe, dass wir mit demjenigen Kollegen oder derjenigen Kollegin, der oder die immer so schön postet, dann auch unsere Anträge und unsere Ideen gemeinsam durchsetzen können. Insofern freuen wir uns auf die Debatte.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Felix Döring für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7556781
Wahlperiode 20
Sitzung 117
Tagesordnungspunkt Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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