Paul LehriederCDU/CSU - Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich muss heute bei meiner Rede ausnahmsweise mal bei der Linken anfangen. Frau Kollegin Lötzsch, Sie haben vorhin in Ihrer Rede ausgeführt, die Kindergrundsicherung komme frühestens 2025 und wir wüssten nicht, ob dann die jetzige Regierung noch im Amt sei. – Ich darf mich ausdrücklich bedanken für Ihren mutmachenden Optimismus, dass es uns gelingt, die Ampel bis 2025 abzulösen. An uns soll es nicht liegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Täta! Tätä! Tätä!)
Durch die ganzen Reden von Mitgliedern der SPD heute Vormittag zieht sich ein roter Faden: Sie schimpfen dauernd über die Ära Merkel. Und jetzt hauptsächlich für die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen: In den letzten 16 Jahren mit Angela Merkel war die SPD zwölf Jahre unser Koalitionspartner. Der letzte Bundesfinanzminister vor Christian Lindner hieß Olaf Scholz.
(Leni Breymaier [SPD]: Guter Mann!)
Nur für die Historie, damit das tatsächlich nicht ganz vergessen wird: Ihr habt Mitverantwortung getragen, und jetzt herrscht kollektive Amnesie; jetzt wisst ihr nichts davon. Vier Jahre waren die Genossen von der FDP dabei.
(Lachen der Abg. Leni Breymaier [SPD])
– Ja, das war Absicht.
Das teils absurde Agieren zwischen Finanzminister Lindner und der für den Einzelplan 17 zuständigen Ministerin Paus lässt jegliche Gemeinsamkeiten im Interesse unseres Landes vermissen. Denken Sie an die völlig verspätete Aufstellung des Haushaltes, gefolgt von der Veröffentlichung von internen Mails zwischen den Ministern via Social Media und dem bis vor Kurzem zu beobachtenden zermürbenden Hickhack um die Kindergrundsicherung! All das hat das Vertrauen in die Ampel alles andere als gestärkt, und die aktuellen Umfragewerte zeigen dies. Im Ergebnis landen Sie mit Ihrem hier vorgestellten Entwurf für das Haushaltsjahr 2024 fernab der Realitäten und Bedürfnisse von jungen Frauen, Familien – auf das Stichwort „frühkindliche Bildung“ wurde vorhin schon hingewiesen – und auch Senioren.
Abgesehen davon gibt es jedoch eine Sache – und da müssen die beiden Minister Geschwister im Geiste sein –, die Sie eint: ein ambivalentes Verhältnis zu Zahlen. Der Finanzminister reizt die Grenze der Neuverschuldung bis aufs Maximum aus, redet neuerdings vom „Kernhaushalt“ und bedient sich mittels diverser intransparenter Sondervermögen Taschenspielertricks. Der hier anwesende Staatssekretär Toncar hat heute Morgen im „Morgenmagazin“ ausgeführt: Die Sondervermögen sind ja da, und dann kann man sie auch ausgeben.
(Gyde Jensen [FDP]: Das kann er gar nicht gesagt haben!)
Nein, die Sondervermögen sind nicht da; Sondervermögen sind neue Schulden.
Das sind Taschenspielertricks, um den Haushalt aufstellen zu können. Verantwortung für unser Land und die kommenden Generationen, die diese Schulden irgendwann abtragen müssen, sieht anders aus.
Schauen wir uns jetzt aber den Einzelplan 17 an.
(Zuruf von der SPD: Geht es auch noch einmal um Familien?)
– Keine Angst! – Dieser fällt aufgrund einer völlig verfehlten Prioritätensetzung einer regelrechten Kürzungsorgie zum Opfer. Im Detail bedeutet das: eine Kürzung beim Elterngeld um 290 Millionen Euro. Damit stellen Sie junge Frauen erneut vor die Frage: Kind oder Karriere? Von den Vorrednerinnen wurde bereits darauf hingewiesen. Sie verschärfen weiterhin die finanzielle Abhängigkeit vom Partner. Wollen Sie das?
Der Text Ihres Koalitionsvertrags wirkt geradezu zynisch. Mit dem gesamten Programmbereich setzt sich der Trend fort, dass die Haushaltsmittel zunehmend durch gesetzliche Leistungen gebunden sind. Mittlerweile macht der Programmbereich laut Bundesrechnungshof nur noch 7,3 Prozent des Gesamtetats aus, insgesamt also 987 Millionen Euro. Dieser Trend wird sich nochmals rapide verschärfen, sobald die Kindergrundsicherung kommt; ein Projekt, dessen Erfolg mehr als fraglich ist. Gerade Familienpolitik sollte eigentlich viel mehr sein als das bloße Auszahlen von Transferleistungen.
Für die Ausgaben der Kinder- und Jugendpolitik stehen im Vergleich zum Vorjahr fast 30 Prozent weniger Mittel zur Verfügung. Besonders getroffen hat das den Kinder- und Jugendplan.
Liebe Frau Ministerin, in den Jugendverbänden wird Demokratie gelebt – nicht so sehr in Ihrem Programm, sondern in den Jugendverbänden. Deshalb, wie schon gesagt: Lassen Sie uns in den nächsten Wochen in den Haushaltsberatungen darüber reden! Das kann es nicht sein. – Ich danke für die Zustimmung aus den Reihen der SPD. Das kriegen wir schon noch hin, Frau Ministerin.
Auch am Garantiefonds Hochschule wurde der Rotstift der Ampel angesetzt. Die nötige Qualifizierungsoffensive für den Bereich Kita lassen Sie nach Ihrem Kahlschlag bei den Sprach-Kitas im letzten Jahr fast völlig ausbluten. Nach einer Erhöhung im letzten Jahr sieht es auch für die Stiftung Frühe Hilfen wieder schlechter aus; Frau Kollegin Leikert hat schon darauf hingewiesen. Gleiches gilt für das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit.
Wie ist es um die Stärkung der Zivilgesellschaft bestellt? Geht man den Einzelplan weiter durch, dann sieht man, dass es weiterhin die Freiwilligendienste und insbesondere den Bundesfreiwilligendienst mit einem Minus von insgesamt 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr trifft. Viele von den Kolleginnen und Kollegen werden in den letzten Wochen Zuschriften in gleicher Weise wie ich auch bekommen haben. Auch da müsste man, Frau Kollegin Breymaier, noch einmal genau hingucken.
Das Freiwillige Soziale Jahr feiert im nächsten Jahr sein 60-jähriges Jubiläum. Welche Signale senden Sie mit diesem Haushalt an die jugendlichen Freiwilligen, die sich engagieren wollen?
Zwei weitere wichtige Bereiche möchte ich an dieser Stelle noch ansprechen, die ebenfalls von der grünen Prioritätensetzung betroffen sind. Die Förderung zur Errichtung von Mehrgenerationenhäusern wird das dritte Jahr in Folge abgesenkt. Frau Ministerin, Sie führen die große und wichtige Gruppe der Senioren im Titel des Ministeriums und lassen sie trotzdem hängen. Das haben die älteren Menschen, die sich um unser Land Verdienste erworben haben, nicht verdient.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch die Wohlfahrtsverbände wie der Deutsche Caritasverband, das Diakonische Werk der EKD, das Rote Kreuz und die Arbeiterwohlfahrt verlieren zum Teil beträchtliche Mittel. Ich habe einen dramatischen Brandbrief eines SPD-Kollegen aus meinem Wahlkreis bekommen: Es war der AWO-Landesvorsitzende aus Bayern, der Kollege Wolfshörndl, der genau diese Kürzungen im Freiwilligendienst kritisiert hat.
Jemand Unbedarftes könnte an der Stelle sagen: Die Haushaltsmittel sind knapp; jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Doch weit gefehlt! Nicht alle Bereiche müssen sparen: Wichtiger als das Elterngeld und damit unabhängige junge Mütter, wichtiger als Kinder- und Jugendpolitik, wichtiger als eine gute Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung oder Seniorenpolitik scheint für die grüne Hausleitung definitiv die Demokratieförderung zu sein.
Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ umfasst nach der kontinuierlichen Erhöhung der letzten beiden Jahre nach wie vor 182 Millionen Euro – manchmal sind es auch 200 Millionen Euro –, hat stets Ausgabenreste in zweistelliger Millionenhöhe und wird trotzdem nicht gekürzt. Der Etat des Familienministeriums – nicht den Kopf schütteln, Frau Ministerin; Sie haben sich einen Schluck aus der Pulle gegönnt – stieg von 105 Millionen auf 121 Millionen Euro. Für das Ministerium haben wir 16 Millionen Euro mehr; für „Demokratie leben!“ haben wir genügend Mittel. Aber bei den ehrenamtlichen Verbänden –
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.
– Frau Präsidentin, danke für Ihre Geduld –, die die Jugendarbeit und die gesellschaftspolitische Arbeit leisten, kürzen wir. Das kann es nicht sein. Lassen Sie uns noch mal hinschauen! Nach mir sprechen noch die Kollegin Breymaier und Bahr.
Herr Kollege.
Sie können das jetzt noch korrigieren. Versuchen Sie, die Kurve zu kriegen, dass wir gemeinsam was Vernünftiges hinbekommen!
Wir danken Ihnen für Ihre Rede. Die Redezeit ist zu Ende.
Das sind jetzt 35 Sekunden mehr, Frau Präsidentin. Herzlichen Dank für das geduldige Warten!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Leikert hat eben was übrig gelassen!)
Nur weil man keinem Folgeredner mehr etwas wegkürzen kann, muss man es aber auch nicht ausreizen.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Keine böse Absicht! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Frau Leikert hat aber gut gekürzt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Frau Leikert!)
– Alles gut. – Als Nächstes erhält das Wort Ulrike Bahr für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556797 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 117 |
Tagesordnungspunkt | Familie, Senioren, Frauen und Jugend |